Medienpolitik: Boulevards Rache

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Die aktuelle Medienkommunikation der Regierung – und insbesondere der ÖVP – führe unweigerlich zu einem Comeback der FPÖ, meint Golli Marboe. Ein Gastkommentar.

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Die aktuelle Medienkommunikation der Regierung – und insbesondere der ÖVP – führe unweigerlich zu einem Comeback der FPÖ, meint Golli Marboe. Ein Gastkommentar.

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Auf Oe24 wird ein CNN-Interview mit Sebastian Kurz live übertragen. Damit folgt der Medienkonzern von Wolfgang Fellner seiner Programmlinie: die Umfragen für Kurz sind hervorragend, also gibt Oe24 dem „Affen eben Zucker“, wie es so schön heißt. Aber es steckt mehr dahinter. Denn mit der neuen, außerordentlichen Medienförderung (die sich hauptsächlich an der Auflagenhöhe der zu unterstützenden Medien orientiert) – oder auch mit der Werbekampagne für die Covid-19-Maßnahmen der Regierung („Schau auf dich, schau auf mich“) verdienen gewisse Verlage auch in Zeiten der Krise viel Geld. Die „geförderten“ Medienunternehmer zahlen das prompt zurück: mit wohlwollender Bericht- erstattung.

Während die unabhängigen Qualitätsmedien – so wie das in einer Demokratie zu sein hat – längst wieder kritische Fragen an die Verantwortlichen stellen, werden in den Gratisblättern nach wie vor die „Empfehlungen“ der Regierung mehr oder weniger unkommentiert veröffentlicht. Die ÖVP-Strategen bauen also derzeit nicht nur auf ihre owned media-Kanäle (auf den sonst als Steuerflüchtlinge gescholtenen „bösen“ amerikanischen Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter), sondern auch auf die Einschätzung, dass auch der Boulevard die Regierung weiter unterstützen würde. Aber die Wählerinnen und Wähler, die in diesen Tagen so oft als „Lebensretter“ und für das System so unerlässlich apostrophiert wurden, werden die Auswirkungen des „Shutdown“ deutlich zu spüren bekommen. Und gar nicht wenige von ihnen könnten dann gegen die Verantwortlichen der Coronazeit lautstark rebellieren.

Rückkehr gewohnter Feindbilder

Krone, Österreich oder auch Heute werden sich dann zu den Ombudsleuten der „Menschen von der Straße“ ernennen. Und spätestens dann kommt auch die Zeit der FPÖ wieder: Denn die Politiker dieses „dritten Lagers“ werden in gewohnter Manier Feindbilder formulieren und einfache Antworten zur Hand haben. Heute mögen sich die Menschen noch über einen „Tausender“ als Nothilfe freuen, aber spätestens in einem Jahr wird es zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern wie Schuppen von den Augen fallen: Die Arbeitslosigkeit bleibt viel höher als vor Corona; die Preise steigen gerade bei den kleinen Freuden des Alltags – und insbesondere die typischen Leser der Gratisblätter werden bemerken, dass ein Urlaub in Österreich teurer kommt, als einer auf Mallorca.

Es wird sich also rächen, dass die ÖVP heute keinen Dialog mit der Opposition sucht und ihre Erlässe und Krisengesetze – insbesondere, was die Einschränkung der Bürgerrechte betrifft – als alternativlos darstellen lässt. Denn die Boulevardmedien werden auch dann dem Publikum nach dem Mund schreiben. Sie werden mehr oder weniger unverblümt Einnahmen aus der öffentlichen Hand fordern, darauf hoffen, dass auch Türkis-Grün weiter Inserate bei den Kleinformaten schaltet.

Aber wird sich eine österreichische Regierung im Jahr 2021 tatsächlich wieder 200 Millionen dafür leisten können, so wie sie das in den letzten Jahren vor der Krise getan hat? Sobald dann diese Herausgeberinnen und Herausgeber keine neuen Gelder durch den Staat erhalten, werden sie schnell vergessen haben, wer sie in den Tagen der Krise mit einer außerordentlichen Presseförderung und in den Jahren davor mit vielfach inhaltsleeren Inseraten in Millionenhöhe noch wohlhabender gemacht hat. Man kann daher wirklich nur hoffen, dass die ÖVP früh genug erkennt, dass man Gesetze bestmöglich zu formulieren hat, und nicht zuletzt, dass man sich die öffentliche Meinung nicht mit Medien wie Oe24, Heute oder Krone-TV zu erkaufen versuchen sollte.

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