Der kritische Blick einer Generation auf die Medienlandschaft
Wie verändert sich der Konsum von Nachrichten? Junge Menschen setzen neue Maßstäbe in der Mediennutzung, und die Zeitungslandschaft sorgt sich um ihr Überleben. DIE FURCHE diskutierte auf dem Podium und mit Jugendlichen über neue Wege, die der Journalismus gehen muss.
Wie verändert sich der Konsum von Nachrichten? Junge Menschen setzen neue Maßstäbe in der Mediennutzung, und die Zeitungslandschaft sorgt sich um ihr Überleben. DIE FURCHE diskutierte auf dem Podium und mit Jugendlichen über neue Wege, die der Journalismus gehen muss.
Die Videoplattform Tiktok ist in aller Munde. Eine Studie in den USA zeigt, dass das „soziale Netzwerk“ bei unter 30-Jährigen als häufigste Informationsquelle dient. Tendenz steigend. Ein Beweis dafür sind jüngst die Proteste im Iran, die zu großen Teilen über die Videoplattform in der Welt verbreitet werden. Tiktok gilt als das am besten vom Algorithmus geleitete soziale Netzwerk. Videos verbreiten sich rasend schnell und Nutzer(innen) bekommen neue Nachrichten, die ihren Interessen entsprechen, schneller, als sie das selbst für möglich halten würden.
Daraus ergibt sich eine neue Herausforderung für den modernen Journalismus. Das war der Konsens einer Podiumsdiskussion, zu der Petra Edlbacher (APA), Sebastian Fellner (Der Standard), und die Autorin dieser Zeilen vor 250 Schüler(inne)n im Alter zwischen 14 und 18 Jahren geladen waren. Ort der Veranstaltung war das Bundesgymnasium Babenbergerring in Wiener Neustadt. Martin Deutsch, er unterrichtet unter anderem Deutsch, initiierte die Veranstaltung und holte so ein Thema, das aktuell Redaktionen weltweit umtreibt, in die Lebensrealität seiner Schüler.
Kampf gegen Fake News
Der Veranstaltung gingen Wochen der Vorbereitung voraus, in denen der Lehrer und seine Kolleg(inn)en die Oberstufenschülerinnen und -schüler mit den Herausforderungen des Journalismus – von der Medienförderung bis zu Fake News auf Social Media – konfrontiert hatten. Alles Fragen, welche die Jugendlichen schließlich an das Podium weitergaben und so für zwei Stunden Grundsatzdebatten sorgten. Das Publikum bestand aus jenen Menschen, welche die Zukunft der Medien nachhaltig beeinflussen – als Konsument(inn)en ebenso wie als Gestalter(innen). Insofern hatte die Veranstaltung eine Doppelfunktion: einerseits hinsichtlich Berufsorientierung, andererseits im Bereich der Medienbildung.
Dass Letztere verstärkt an Schulen stattfinden sollte, war bereits im Vorjahr eine eindringliche Forderung der deutschen Presseagentur (dpa) als Schlussfolgerung der Studie „Use the News“. In Österreich gibt es etliche Initiativen in Kooperation mit dem Bildungsministerium, Inhalte zur Medienbildung finden im Lehrplan einzelner Schulfächer geringfügig Niederschlag, und für Zehn- bis 14-Jährige wurde im September das Unterrichtsfach „Digitale Medienbildung“ eingeführt. Wie und in welchem Rahmen journalistische Arbeit im Unterricht behandelt wird, liegt aber weiterhin großteils im Ermessen der Schulautonomie. Workshops oder Podiumsdiskussionen sind eine Möglichkeit, jungen Menschen Journalismus nahezubringen.
Aus der dpa-Studie ging auch hervor, dass die Nutzung von Social Media nicht bedeutet, dass das Interesse an fundierter Information fehlt. Ausschlaggebend ist vielmehr das Gefühl, von Medien nicht abgebildet zu werden. Rund 70 Prozent der befragten 14- bis 20-Jährigen vermissten einen Bezug der Nachrichten zu ihrer eigenen Lebensrealität, bei den 18- bis 24-Jährigen waren es rund 60 Prozent.
Auf Basis der Erkenntnisse empfahlen die Studienautoren, dass journalistische Anbieter Wege entwickeln und erproben sollten, um jungen Menschen einerseits die Alltagsrelevanz ihrer Angebote und andererseits die Qualität ihrer Arbeit zu beweisen. „Nur durch solides Handwerk sowie verlässliche und tiefgründige Inhalte aus verschiedenen Perspektiven kann es gelingen, sich von nichtjournalistischen und meinungsstarken Akteuren abzugrenzen und einen überzeugenden Mehrwert zu schaffen, für den man im Zweifel auch bereit ist, Geld zu bezahlen“, so die Medienforscher(innen).
„Welche Auswirkungen haben soziale Netzwerke auf Ihr Medium?“, lautete eine weitere Frage bei der Diskussion in Wiener Neustadt. Das Beispiel Twitter wurde genannt. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung war die Übernahme der Plattform durch Elon Musk noch nicht abgeschlossen. Dass die Wortmeldungen auf der Plattform Journalismus beeinflussen, war für das Podium aber unbestritten. Alle drei Redaktionen haben einen Account. Für Journalist(inn)en bleibe letztlich die Frage, wie meinungsstark sie selbst auftreten können und sollen. Trotz unterschiedlicher Herangehensweisen war man sich auf dem Podium aber einig: „Durch den Algorithmus werden jene am ehesten gehört und reproduziert, die am lautesten schreien.“ Gut recherchierte Arbeiten hätten es dadurch schwer, große Reichweite zu erlangen. Der Qualitätsjournalismus sei im Kampf um die schnellste Schlagzeile der Verlierer. Hierbei, so das Podium, könnten staatliche Regelungen für Social-Media-Plattformen helfen.
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