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Digital In Arbeit

Wappnen fürs TV

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Die Ähnlichkeit wird häufig übersehen: Medienmenschen, gleichgültig ob Journalisten oder „ Fernsehmacher", gleichen den Bil- dungsmenschen, landläufig Päda- gogen genannt, aufs Haar. Vielleicht nicht äußerlich und sicherlich auch nicht in der Akzeptanz des breiten Publikums, aber in ihrer Intention: Beide wollen durch die Macht der Information Menschen beeinflus- sen, bewegen, überzeugen, verän- dern. Auch wenn es manchmal ganz anders aussieht, jedwede Medienar- beit ist immer auch Bildungsarbeit.

Das war eine der zentralen Aus- sagen, in der nach ausführlichen und kontroversen Diskussionen die Mehrzahl der über 250 Teilnehmer am Kongreß „Bildung und Medien" in München übereinstimmten. Die- ses deutschsprachige Symposium mit europäischem Zuschnitt hatten die Gesellschaft für Pädagogik und Information e. V., seit mehr als fünfundzwanzig Jahren mit Bil- dungsmedien befaßt, und das bun- deszentrale Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unter- richt (FWV) gemeinsam ausgerich- tet.

Wegen des gleichzeitig stattfin- denden „Internationalen Medien- marktes" hatte man nicht nur kommerzielle Film-, TV- und Vi- deoproduzenten, Fernsehanbieter, Verleiher, Einkäufer und Anwen- der von Bildungsprogrammen, sondern auch Medienexperten und Medienwissenschaftler eingeladen, die sich mit der Wechselwirkung von Medien und Bildung befassen.

Darin stimmten Vortragende und Teilnehmer des Kongresses „Me- dien und Bildung" überein: Alle Fragen, die die „Leitmedien", ab- gestrahltes Fernsehen und wie auch immer verteiltes Video aufwerfen, stellten sich im Grunde auch für alle älteren und neueren Medien.

Schon deshalb könne es gar keine Frage sein, daß der Mensch auch das Fernsehen erst lernen müsse. „Fernsehen", so der Schweizer Medienexperte Christian Doelker, „muß gelernt werden wie andere Kulturtechniken auch, wie Lesen, Schreiben und elektronische Infor- mationsvermittlung." *

Freilich, für welches Fernsehen müssen sich die Menschen bilden - oder sollte man abwehrbereit sa- gen „wappnen"? Für das aus Fern- ost regelrecht angedrohte „High- Definition-Television" beispiels- weise, von dem Dieter Kamm meint, daß es die „Ereignisse nicht mehr auf den Bildschirm des Fernsehge- rätes beschränkt, sondern es mit- ten in das Leben der Menschen" hineinstellen werde, bis einmal der Betrachter die Akteure im Fernse- hen für „wirklicher" hält als die Personen, die er dann leibhaftig vor sich stehen sieht - auf der Berliner Funkausstellung zum Beispiel.

Oder gehe es sogar noch einen Schritt weiter bis zur medialen computergestützten „Wunschma- schine", mithilfe derer „Ereignisse visuell darstellbar wären, ohne daß sie je stattgefunden hätten" (Kamm)?

Der neue Medienkonsument, so Gerhard Stroh vom Kultusministe- rium in Düsseldorf, zuständig für Medien in der Weiterbildung, be- finde sich dann dort, wo uns Plato „schon gesehen hat und herausfüh- ren wollte: in einer Höhle. Wir se- hen nur die Schatten der Wirklich- keit, die Wahrheit, die sich hinter unserem Rücken ereignet, kennen wir nicht".

Wenn diese Gefahr tatsächlich drohe, dann sei es umso wichtiger, daß für die neuen Medien auch neue Medienteilnehmer herangebildet würden, solche nämlich, die „sich bestimmter bestehender, unwill- kürlicher und neuer möglicher Rollen bewußt werden" (Doelker).

Es gehe gleichwohl nicht nur um das Bilden von Bewußtsein, es gehe auch um das Herausbilden von Fertigkeiten. Da sich „die Formen der Informationsverarbeitung, die j a wesentliches Element aller Lehr- und Lernprozesse sind", so Bun- desbildungsminister Hans Mölle- mann, ein gelernter Pädagoge, so stark verändern, „muß es vordring- liche Aufgabe aller Bildungsein- richtungen sein, die Menschen auf den angemessenen Umgang damit vorzubereiten". Damit sind neben Schulen, Hochschulen und Weiter- bildungseinrichtungen auch die Massenmedien, also die „Schulen der Nation" mit der jeweils aktu- ellsten Bildungswirkung aufgeru- fen, kritische und konstruktive Medienbildung zu betreiben.

Trotz aller Appelle findet Me- dienpädagogik im öffentlichen Bil- dungsbereich immer noch eher zufällig und sehr am Rande statt - es sei denn, man zählt auch das Erlernen der traditionellen Kultur- techniken schon zur Medienpäda- gogik.

Wenn der bayerische Minister- präsident euphorisch von einem „ umfangreichen Ausbildungsange- bot im Medienbereich im Medien- land Bayern" sprach, dan meinte er damit die Ausbildung der künfti- gen Medienproduzenten, nicht aber die derjenigen, die mit den Produkten dann umgehen und fertig werden müssen.

Im Zeitalter, in dem sich die „force informative" längst zu den traditionel- len politischen Gewalten gesellt hat und sie mehr und mehr zu dominieren beginnt, ist das freilich zu wenig. Medien haben nicht nur abstrakte Macht, Medien machen auch Politik, über alle Grenzen hinweg, wie die Ereignisse in Europa an dieser Jahrzehntwende eindrucksvoll zeigen. Es gilt nicht nur „Menschen auf den angemessenen Umgang mit neuen Me- dien vorzubereiten" (Möllemann), sondern Macher und Nutzer müs- sen gemeinsam zur Kulti- vierung der Medien bei- tragen (Doelker).

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