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Ob in Fachpublikationen, ob beim Wissenschaftsjournalismus: Rund ums Thema Gesundheit spielen wirtschaftliche Interessen eine große Rolle.

Welches Printmedium kann schon von sich behaupten, wirtschaftlich unabhängig zu sein? Inserate sind das Feuer der Zeitungsproduktion, nicht der Zeitungsverkauf. Also wird um die Gunst der Werbekunden ordentlich gebuhlt, das Resultat sind (im finanziell günstigsten Falle) Inseratenfriedhöfe, zwischen denen sich dann und wann ein Beitrag versteckt hat.

Aber es geht auch anders: Gerade in der Fachpresse ist der Anspruch und die Verantwortung dem Leser gegenüber viel höher als bei den so genannten Publikumszeitschriften. Artikel von Fachleuten, spezielle Themendossiers, wissenschaftliche Abhandlungen - all das sollte ein wertvolles publizistisches Ganzes ergeben.

Doch auch hier gilt nicht selten: Meinungsfreiheit ja, solange der Inserent zustimmt. Fatal kann das etwa im Bereich Medizin sein, weil es hier um das elementare Gut Gesundheit geht. Internationale Fachblätter aus dem Bereich Medizin schieben dieser Praxis nun den Riegel vor: Mit einer gemeinsamen Initiative wollen Journale wie das britische The Lancet oder auch das Journal of the American Medical Association verhindern, dass unliebsame Ergebnisse medizinischer Studien in der Schublade verschwinden. Ab 2005 will man Studien nur mehr publizieren, wenn sie bereits vor der Beteiligung der Probanden öffentlich registriert wurden, ihre Existenz somit unwiderruflich bekannt ist. Denn viele medizinische Studien bleiben nach der Ansicht von Forschern in den Schubladen, weil sie nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Daher entstehe oft ein allzu positives Bild medizinischer Forschung, weil mehr erfolgreiche Studien an die Öffentlichkeit gelangen, heißt es aus dem Cochrane-Zentrum in Freiburg, das sich das Sammeln von Studienergebnissen zur Aufgabe gemacht hat. Das Motto der Initiative: "Ehrliche Berichterstattung beginnt mit dem Aufdecken aller klinischen Studien, auch solcher, die sich als unvorteilhaft für das Produkt des Finanziers erwiesen haben."

PR statt Journalismus

Was für Fachpublikationen gilt, trifft für den Wissenschaftsjournalismus umso mehr zu: Für Thomas Bauer, Professor am Wiener Publizistik-Institut, ist Qualitätssicherung in dieser Form des Journalismus "eine Kulturfrage. Medien müssen als soziale Räume funktionieren, je mehr kommuniziert wird - auch über negative Ereignisse -, desto mehr Kommunikationskultur lässt sich herstellen". Konkret ortet Bauer beim Wissenschaftsjournalismus Ansätze des Scheuklappenprinzips: "Gerade Fachjournalisten müssen komplexe Zusammenhänge für den Leser oft vereinfacht darstellen. Ich vermute, dass der Verzicht auf schlechte Berichte ein Versuch ist, weitere Schwierigkeiten zu vermeiden." Qualität müsse daher im Unternehmensmanagement festgeschrieben sein. "Es darf nicht sein, dass das (wirtschaftliche) Dilemma eines Unternehmens auf Einzelne übertragen wird. Das heißt: Journalisten, die über gewisse Dinge nicht berichten, tun das oft nur aus Rücksicht auf das Unternehmen nicht". In solchen Fällen sieht Bauer in Selbstreflexionsprogrammen der Unternehmen einen Beitrag zur Qualitätssicherung.

Gerade bei populärwissenschaftlichen Zeitungen ist die Gefahr groß, dass Beiträge erst "ausfinanziert" werden, ehe sie in den Druck gehen. Mit Journalismus hat diese Art von PR-Berichterstattung wenig zu tun: Ausgewogene Sachlichkeit fehlt, Beiträge werden des Öfteren an daneben platzierte Inserate "angepasst". Es darf also spekuliert werden, ob die derzeit massive Berichterstattung über die bevorstehende Grippe-Welle und die daraus resultierenden Ratschläge zu einer Grippe-Impfung allein journalistischen Motiven entspringen, oder ob die Pharma-Industrie diese Berichte im Hintergrund mit forciert.

"Der Gesundheitsbereich ist ein enormer Markt, daher ein schwieriges Pflaster für Journalisten", meint Heinz Nußbaumer, Sprecher der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) und Furche-Herausgeber: "Da Arzneimittelwerbung verboten ist, bemüht sich die Pharma-Industrie, Seiteneingänge in den Journalismus zu finden. Redaktionen wiederum lassen sich immer öfter zu konzerngerechter Themensetzung verleiten. Zum Glück beginnt nun ein öffentliches Nachdenken über derlei prekäre Praktiken." Journalisten müssten selbstkritischer sein, ist Nußbaumer überzeugt. "Gerade in einer Zeit, in der das Berufsbild der Journalisten zwischen Online- und Marketingjournalismus immer ausgefranster wird."

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