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Auch die Kirche braucht die Öffentlichkeit

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Die gesellschaftliche Entwicklung hat jedes Bündnis von Thron und Altar, also der Kirchenspitze mit der jeweils herrschenden gesellschaftlichen Gruppe, überrollt. Die Kirche wird im Konzept der gesellschaftlichen Meinungsbildung nur insoweit und nur so stark zur Geltung kommen, als sie sich an dieser Meinungsbildung beteiligt. Die Kirche muß also einerseits ihre Anliegen in die Meinungsbildung ein- bringen, anderseits zu den Themen, die in öffentlicher Diskussion sind, Stellung beziehen.

Jedes mittlere Unternehmen beschäftigt heute bereits eine respektable PR-Abteilung oder läßt seine Public Relations durch professionelle PR-Untemehmen wahrnehmen. Demgegenüber ist man im Kirchenbereich fast immer noch der Meinung, daß das Wissen um Strukturen und Inhalte kirchlicher Tätigkeit in der Öffentlichkeit und auch im journalistischen Bereich vorauszusetzen sei. Dabei hätte das Defizit an Wissen schon längst vom Gegenteil überzeugen müssen. Es wird also die Selbstdarstellung und die Information über kircheninteme Zusammenhänge und Zielvorstellungen, die in sehr guten Ansätzen bereits durch die kirchlichen Pressereferenten da und dort wahrgenommen werden, auszubauen sein.

Kirchliche Präsenz im Medienbereich kann sich aber nicht nur auf den guten Willen der Journalisten und die Bereitschaft zur unverfälschten Wiedergabe in den allgemeinen Medien verlassen. Die unverfälschte Wiedergabe der kirchlichen Botschaft und Selbstaussagen des österreichischen

Katholizismus in seiner Vielfalt bedarf eigener Medien. Besonders in diesem Bereich zeigen sich Mangelerscheinungen besonders deutlich. Dabei werden eigenständige kirchliche Medien wohl auch der neutralen Information, aber doch ebenso bei aller Anerkennung der Eigengesetzlichkeit der Medien dem Engagement und vor allem der wertorientierten Information dienen müssen.

In den einzelnen Sparten kirchlicher Medienarbeit bedeutet dies, daß jeder Bereich immer wieder aufs neue auf seine Relevanz und auf die Chancen in diesem Bereich durchleuchtet werden muß. Der Traum von einer großen katholischen Tageszeitung in ganz Österreich ist sicher nicht realisierbar, dennoch wäre es verfehlt, den Tageszeitungsbereich, in dem vom Sty- ria-Vėrlag eine beachtliche Position eingenommen wird, abzuschreiben. Vielmehr sind konkrete Ansatzpunkte angesichts aktueller Entwicklungen immer wieder neu auf ihre Realisierungsmöglichkeit zu überprüfen. In gleicher Weise ist der Ausbau regionaler Wochenzeitungen, wie sie vor allem durch die Verlagshäuser der katholischen Pressvereine Linz und St. Pölten verlegt werden, als ein Schwerpunkt zu sehen. Das größte Sorgenkind der vergangenen Jahrzehnte waren und sind zweifellos die überregionalen, im weitesten Sinn politisch engagiertem Wochenzeitungen, „präsent“ und die FURCHE haben aber in einer Zeit zunehmender Auseinandersetzungen im Grundsatzbereich in einem erweiterungsfähigen Markt, bei einem differenzierten Angebot, reelle Chancen. Als „schlafender Riese“ wurde mehrfach der Komplex der diözesanen Kirchenzeitungen be zeichnet, die in ihrer Leserzahl an der Spitze in Österreich verlegter wöchentlicher Zeitungen stehen, diese Position aber bislang sowohl in ihrer publizistischen Wirksamkeit als auch in ihrer Werbekraft kaum noch genutzt haben. Die Ausgangsposition, die sich in diesem Bereich bietet, würde es durchaus rechtfertigen, einigen Erfindungsgeist in die Ausnützung vorhandener Reserven zu investieren. Schließlich müßte noch der sehr differenzierte Bereich der Publikums- und Fachzeitschriften katholischer Provenienz erwähnt werden, der zwar sicher nicht einer gleichmacherischen Konzentrationswut unterworfen werden dürfte, doch auch da und dort koordinierende Anregungen verträgt.

Für den Bereich der neuen elektronischen Medien müssen von kirchlicher Seite zwei Prinzipien festgehalten werden; dort, wo die neuen elektronischen Medien voraussichtlich in der Verantwortung der öffentlichen Hand sein werden, wie dies beim Kabel-TV der Fall sein dürfte, darf die Position der Kirche als einer wichtigen gesellschaftlichen Kraft nicht schlechter sein als im derzeitigen Mo- nopoluntemehmen österreichischer Rundfunk; dort, wo das Engagement dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen bleibt, ist zeitgerecht Vorsorge dafür zu treffen, daß das Programmangebot an den Konsumenten nicht einen Leerraum kirchlich relevanter Inhalte läßt.

Alle diese Zielvorstellungen sind müßig, wenn nicht auch ein Finanzierungskonzept an ihre Seite gestellt wird. Die Bemühungen um die Finanzierung des Neuaufbaues der FURCHE haben gezeigt, daß es notwendig ist, gemeinsame Anstrengungen zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu setzen. Die u FURCHE-Gesellschaft könnte dabei modellhaften Charakter haben. Es ist allerdings fraglich, ob es sinnvoll ist, jeweils ad hoc Konstruktionen dieser Art zu schaffen oder ob es nicht überlegenswert wäre, Modelle anderer Länder wie etwa die in der BRD von der Deutschen Bischofskonferenz geschaffene Mediendienstleistungsgesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Adaption auf österreichische Verhältnisse zu studieren.

Die Position katholischer Journalisten im österreichischen Medienwesen war nach 1945 eine sehr beachtliche. Ein Rundblick im derzeitigen journalistischen Nachwuchs läßt Zweifel zu, ob das persönliche Engagement katholischer Journalisten noch im Ausmaß wie bisher vorhanden ist. Daher wird neben die Sorge um die Objekte im Medienwesen in ebensolcher Weise die Sorge um die handelnden Personen im journalistischen und verlegerischen Bereich treten müssen.

Diese Überlegungen und weitere in der Diskussion zu ergänzende Gedanken werden nur dann fruchtbar werden, wenn sie Gegenstand permanenter Sorge zuständiger Fachleute sind. Was der österreichische Synodale Vorgang unter dem Titel einer Pressekommission anspricht, bedarf daher umgehend der Realisierung unter Einbeziehung aller jener Personen und Institutionen, die die Vielfalt katholischen Medienwesens repräsentieren. Es wäre vergebliche Mühe um ein kirchliches Medienkonzept, sollten alle diese Bestrebungen nur jeweils den zufälligen Beratungen erleuchteter Zirkel Vorbehalten bleiben.

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