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FünQahresbericht über die Wirksamkeit der Kirche in Österreich liegt vor

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Wenn im September die österreichischen Diözesanbischöfe den in regelmäßigen Abständen üblichen „Ad-Limina-Be- such“ in Rom erstmals gemeinsam abstatten, um über die Situation ihrer Bistümer zu berichten, so zeigt sich darin, wie die katholische Kirche in Österreich mehr als früher als ein zusammenhängendes Ganzes gesehen wird, mit gemeinsamen Problemen und Aufgaben.

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Wenn im September die österreichischen Diözesanbischöfe den in regelmäßigen Abständen üblichen „Ad-Limina-Be- such“ in Rom erstmals gemeinsam abstatten, um über die Situation ihrer Bistümer zu berichten, so zeigt sich darin, wie die katholische Kirche in Österreich mehr als früher als ein zusammenhängendes Ganzes gesehen wird, mit gemeinsamen Problemen und Aufgaben.

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Dies kommt auch noch in anderer Weise zum Ausdruck: Die Bischöfe nehmen eine Ausarbeitung nach Rom mit, die es in vergleichbarer Weise bisher nicht gegeben hat: einen „Fünfjahresbericht über die gesellschaftliche Wirksamkeit der Kirche in Österreich“. Man kann vermuten, daß die-

ser Bericht sorgsam studiert werden wird - er läßt erkennen, wie die Kirche ihre „Weltverantwortung“ ernst zu nehmen versucht, wie sie über ihr Tun Rechenschaft ablegt und sich Gedanken darüber macht, in welcher Weise sie sich künftig engagieren will.

Den Anstoß zu diesem Vorhaben hatte vor Jahren der österreichische Synodale Vorgang gegeben: Kirchlich Verantwortliche sollten dadurch eine Orientierungs- und Planungshilfe erhalten; ausdrücklich hieß es, es solle sich nicht nur um eine „Zusammenstellung der entsprechenden Aktivitäten“, sondern auch um „eine kritische Bewertung“ handeln, verbunden mit Anregungen für künftiges Wirken. Die Bischöfe haben damals diese Empfehlung aufgegriffen und eine Arbeitsgruppe mit der Erstellung dieses Berichtes beauftragt (was übrigens, unter Mitwirkung vpn Experten für ver schiedene Gebiete, ohne irgendwelchen Personal- und Sachaufwand geschah, alle Beteiligten stellten Freizeit zur Verfügung…).

Nun also liegt der Bericht vor - mit Darlegungen, was sich aus der gesellschaftlichen Situation von heute für das öffentliche Wirken der Kirche ergibt, mit Kapiteln über Politik, Rechtswesen, Wirtschaft und Arbeit, über die Familie, Probleme der Jugend und der alten Menschen, über das Schul- und Kindergartenwesen,

den Religionsunterricht und die Erwachsenenbildung, über Wissenschaft und Hochschulwesen, über das Verhältnis der Kirche zu Kunst, Literatur und Massenmedien. Beigegeben ist ihm'eine exemplarische Fallstudie über die Kärntner Minderheitenprobleme und das kirchliche Engagement in dieser Sache, sowie eine Zusammenstellung von Meldungen über gesellschaftliche Aktivitäten der Kirche in den Jahren 1972 bis 1976.

Allerdings präsentiert sich der „Fünfjahresbericht“ nicht als eine selbstgefällige Zusammenstellung von Leistungen, etwa der Diözesen, der katholischen Institutionen und Organisationen- obgleich manches, was über durchgeführte Unternehmungen berichtet wird, schon von den Zahlenangaben her recht eindrucksvoll klingt; eher ist er eiri Problemkatalog, der deutlich macht, vor welchen Optionen die Kirche heute und in der nächsten Zeit steht: Wie soll sie sich in der Gesellschaft betätigen, wofür und in welche Richtung soll sie sich etwa kulturpolitisch oder im Bereich der sozialen Dienste oder im Felde parteipolitischer Kontroversen engagieren? Schließlich ist auch das Reservoir der Kirche an Kräften und an einsetzbaren Mitteln nicht unbegrenzt, und die Aufgaben und Herausforderungen sind vielfältig.

Vielleicht wird man dem Bericht kritisch entgegenhalten, er biete zwar viele Problemhinweise und Fragen, aber nicht immer auch klare Antworten - etwa zur Gefahr der „Integration“ der Kirche in das System der gesellschaftlichen Interessen und Mächte, oder zur Frage der Gesamtschule, um nur Beispiele zu nennen. Aber es kann nicht Sache einer solchen Unter suchung von Fachleuten sein, grundlegende und „strategische“ Entscheidungen vorwegzunehmen; vielmehr galt es aufzuzeigen, woraufhin solche Entscheidungen erforderlich sind oder bevorstehen werden, damit sie auf der Basis einer breiten und gewissenhaften Urteilsbildung innerhalb der Kirche und im Wege einer verantwortlichen Willensbildung der dazu bestellten Amtsträger gefallt werden können.

Womöglich wird es Zeitgenossen geben, die verwundert sind, daß sich die Kirche dabei auch sozial- und politikwissenschaftlicher Analysen und Argumente bedient. Das freilich ist so neu nicht. Immerhin war die erste Einrichtung, die in Österreich für empirische Studien zur gesellschaftlichen Lage nach dem Kriege geschaffen wurde, das seinerzeit von Erzbischof Jachym initiierte „Institut für kirchliche Sozialforschung“ (erst Jahre danach errichtete die Wiener Universität eine vergleichbare Forschungsstelle). Wenn nun und auch weiterhin die Kirche entsprechende Orientierungshilfen in Anspruch nimmt, so bedeutet dies nicht, daß Glaube durch Kalkulation, Theologie durch Soziologie, Überzeugung durch Taktik ersetzt würde - wohl aber, daß die Wirkungs chancen de.r Kirche beim Vollzug ihres Auftrages in der Welt deutlicher in den Blick genommen1 werden, so daß das Nachdenken über das eigene Tun und das „Vor-Denken“ dessen, was aufgegeben ist, erleichtert wird.

*

Die Furche wird in der nächsten Zeit die einzelnen Kapitel dieses Berichtes ausführlicher behandeln.

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