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Die Kirche im Staat

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Wie weit ist die Kirche in unserer Gesellschaft präsent? Was ist der Erfolg, wenn sie mahnend, fordernd ihre Stimme erhebt? Hat sie Wirkung oder geht man zur Tagesordnung über, ohne sie zu beachten?

Diese Fragen standen schon zur Diskussion, als der österreichische Synodale Vorgang 1972 empfahl, alle fünf Jahre einen Lagebericht über die gesellschaftliche Wirksamkeit der Kirche in Österreich erstellen zu lassen. Er sollte Anlaß zur Reflexion bieten, zu Überlegungen, wie die Kirche ihre Aufgabe glaubhafter, überzeugender und wirksamer erfüllen könnte. Sie sollte nicht mehr zufällig reagieren, sondern bewußt, mit längerfristiger Strategie mitgestaltend in Erscheinung treten.

1977 legten Österreichs Bischöfe den ersten Bericht dieser Art bei ihrem ad limina-Besuch in Rom vor. Heuer im Herbst waren sie wieder an der Reihe und berichteten, wie sich die Lage der Kirche in Österreich inzwischen entwik-kelt hat.

Das kann vorweggenommen werden: Obwohl die Autoren—die führenden Köpfe des katholischen Lagers — kritische Bemerkungen zu manchen Entwicklungen in Gesellschaft und Staat, aber auch im kirchlichen Bereich nicht zurückhalten, ist die Grundaussage durchaus optimistisch. .

Die Kirche wird als eine gesellschaftliche Größe betrachtet, deren Haltung zu bestimmten Fragen zum mindesten als beachtenswert gilt — auch wenn sich etwa die Regierung über das erfolgreiche Volksbegehren zum Schutz des Lebens hinweggesetzt hat.

Bischöfliche Äußerungen wie Grundsatzerklärungen katholischer Organisationen haben mehrfach die parteipolitische Unabhängigkeit der Kirche und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit allen Kräften guten Willens unterstrichen. Das hat nichts daran geändert, daß traditionell ein Naheverhältnis zwischen Kirche und ÖVP angenommen wird.

Das wirkt sich ebenso in Bezugnahme der ÖVP-Programme auf die christliche Soziallehre aus wie in der Feststellung, daß 60 Prozent der . ÖVP-Mitglieder, aber nur sechs Prozent der SPO-Mitglieder regelmäßige Kirchgänger sind.

In diesen Jahren hat sich die SPÖ um Katholiken als Wähler und Mitglieder bemüht und haben ÖVP-Politiker die parteipolitische Neutralität der Kirche als ungerechtfertigte Distanzierung von einer christlich orientierten Partei empfunden — bis hin zur

Andeutung, die Kirche sei um der Erhaltung ihrer Einflußposition willen der Regierung gegenüber zu konziliant.

Auf beiden Seiten aber wurde die Mahnung des II. Vaticanums nicht immer berücksichtigt, daß bei unterschiedlicher Einschätzung niemand die Autorität der Kirche für seine Position ausschließlich in Anspruch nehmen sollte.

Aber auch wenn sich die Kirche an kein politisches System binden kann, sollte sie doch zum Ausbau einer politischen Ordnung beitragen, die Menschenwürde und Menschenrechte sichert, soziale Gerechtigkeit fördert und eine freie Verständigung der Gesellschaft über ihre Aufgaben gestattet — und da zeigt sich eben kein besseres Modell als die rechtsstaatliche Demokratie.

Demokratie kann aber nur gedeihen, wenn viele Bürger befähigt und bereit sind, politische Mitverantwortung zu übernehmen.

Die Kirche müßte darauf hinweisen, daß das ethisch motivierte politische Engagement die Pflicht derer ist, die dazu imstande sind. Politische Bildung und darin vor allem die Gewissensbildung wäre damit eine besondere Aufgabe der katholischen Organisationen.

Nach diesen allgemein politischen Feststellungen analysiert der Bericht Teilgebiete der Gesellschaft. Im Bereich der Verteidigungspolitik einschließlich der Waffenexporte hebt er die Verpflichtung Österreichs zum Schutz der Neutralität ebenso hervor wie die Erklärung der Bischöfe zur Friedensthematik. Es werden noch weitere Herausforderungen kommen, denen sich die Kirche mit wegweisenden Aussagen werde stellen müssen.

Im Bereich der Schule unterstreicht der Bericht das primäre Recht der Eltern auf die Erziehung der Kinder. Die Neuordnung des Schulwesens dürfe nicht nur unter organisatorischen, gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutiert werden. Ohne sie mit Namen zu nennen, wird die von der SPÖ angepeilte Gesamtschule eindeutig abgelehnt.

Nach einem weiten Bogen über die Artliegen der Wirtschaft, der Kultur, die Probleme von Frauen, Jugend, Alten, der Familien, der Minderheiten schließt der Bericht mit der Analyse des pastoralen Wirkens der Kirche in der Gesellschaft und stellt fest, daß Qualität und Quantität der Wirksamkeit der Kirche in der politischen Realität gar nicht so sehr von Institutionen und Organisationen abhänge. Entscheidend seien spirituelle Impulse, kreative Potentiale, Sensibilität für das Notwendige und Wichtige. „Es sollte aber versucht werden, die Voraussetzungen dafür zu verbessern, daß solche Gaben so gut wie möglich zur Wirkung kommen.”

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