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Begrabene Feindschaft?

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Über das Verhältnis der beiden Großparteien zur Kirche wurde schon viel diskutiert und geschrieben. Kaum erörtert wurde jedoch bisher das Verhältnis der FPÖ zur Kirche. Friedhelm Frischenschlager, Assistent für Politologie an der Salzburger Universität und FPÖ-A bgeordneter zum Nationalrat, versucht eine Bestandsaufnahme und kommt zum Schluß, daß es, positiv wie negativ, durchaus nicht beim „steril-problemlosen Nebeneinander" bleiben muß.

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Über das Verhältnis der beiden Großparteien zur Kirche wurde schon viel diskutiert und geschrieben. Kaum erörtert wurde jedoch bisher das Verhältnis der FPÖ zur Kirche. Friedhelm Frischenschlager, Assistent für Politologie an der Salzburger Universität und FPÖ-A bgeordneter zum Nationalrat, versucht eine Bestandsaufnahme und kommt zum Schluß, daß es, positiv wie negativ, durchaus nicht beim „steril-problemlosen Nebeneinander" bleiben muß.

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Wird ein FPÖ-Politiker auf das Verhältnis seiner Partei zu den Kirchen, insbesondere zur katholischen, angesprochen, kommt wie selbstverständlich als Antwort: Abgesehen von gelegentlichen Meinungsunterschieden bei konkreten politischen Fragen, wie z. B. beim Scheidungsrecht, bestünden keine grundlegenden Probleme; der Antiklerikalismus sei tot, die Kirche trete der FPÖ nicht in die Seilen, überdies gäbe es eine vielleicht zu wenig geübte, aber immerhin beiderseitige Gesprächsbereitschaft.

Man liegt sich also nicht (mehr) in den Haaren. Geblieben ist, was man mit höflich-reservierter Distanz umschreiben könnte.

Wer nicht nahe genug beieinandersteht, reibt sich nicht - und umgekehrt, siehe das Verhältnis Kirche - ÖVP.

Dieser Zustand soll nun gar nicht negativ gesehen werden. Weder wird die Kirche just über die FPÖ ihre Vorstellungen umzusetzen versuchen, noch wird die FPÖ sich in den gelegentlich aufbrechenden Konkurrenzkampf um die Position der „eigentlich christlichen" Partei einlassen, auch nicht die Strategie des „gemeinsamen Stück Weges" einschlagen.

Aber dieses steril-problemlose Nebeneinander kann durchaus - schon mittelfristig - völlig in „Unordnung" geraten. Drei denkbare Berührungsebenen seien hier angesprochen: • Liberalismus und Kirche: Eine begrabene Feindschaft?

Die FPÖ fühlt sich zunehmend dem Liberalismus verpflichtet und ihre programmatische Entwicklung in diese Richtung wird konsequent verfolgt. Dieser Weg wird in der österreichischen

Verhältnis Kirche - FPÖ birgt der Weg zum Liberalismus einige Brisanz. Die Kirche steht einem wertneutralen, rein piuralistisch-prozeduralen Liberalismus naturgemäß ablehnend gegenüber, wie der Liberalismus stets kirchlichnormativen Grenzüberschreitungen im

politischen Öffentlichkeit zwar manchmal skeptisch in Frage gestellt, aber meist positiv beurteilt.

Für die Kirche mag da eine ganz andere Beurteilung Platz greifen. Anzeichen gibt es hiefür: So zieht Weihbischof Helmut Krätzl (in: Kirche und ÖVP, herausgegeben von der Katholischen Sozialakademie) aus den Sozial-cnzykliken Populorum Progressio (1967) und Octogesima Adveniens (1971) folgende für hier aktuelle Schlußfolgerungen: „Man braucht nur etwa an die scharfe Kritik des Liberalismus denken, die Verurteilung eines extrem Profit- und Gewinnstrebens, das Eintreten fur eine Begrenzung des Privateigentums im Hinblick auf die Gemeinschaft …".

Diese Konfrontationsmöglichkeit mag für die ÖVP - soweit sie es mit der Auch-Inanspruchnahme des Liberalismus ernst meint - noch brennender sein, wie Krätzl zeigt: Will die ÖVP „offen für Andersdenkende sein", so stellt sich die Frage, ob sie „aus diesem Grund gleichsam eine Äquidistanz zu christlichen und zu liberalen Positionen" einnehmen möchte.

Doch darüber brauche ich mir hier nicht den Kopf zu zerbrechen. Für das

Staatsgefüge mit größtem Argwohn begegnet.

Nun huldigt das „Gesellschaftspolitische Manifest" 1973, die wesentlichste programmatische Grundlage der FPÖ, bei weitem keinem Wertneutralismus. Im Gegenteil. Aber aus vielen Programmdiskussionen weiß ich, daß, insbesondere der christlichen Soziallehre Verpflichtete Punkte des Manifests wie die starke Betonung des Leistungsgedankens oder die Distanz zum Gleichheitsprinzip kritisieren.

Diese,und ähnliche Kontraste mögen keine allzugroßen Reibungsflächen abgeben. Wie kontrovers sich das Verhältnis Liberalismus - Kirche entwik-kein kann, zeigt aber die Debatte um die sogenannten „Kirchen-Thesen", Beschlüsse der deutschen FDP 1974, mit ihrer Tendenz der strikten Trennung von Kirche und Staat, unter ande-

rem hinsichtlich der Forderung nach Rückzug des staatlichen Armes beim Kirchenaustritt, beim Kirchenbeitrag, beim Verzicht auf religiöse Symbole in öffentlichen Institutionen, bei der Wahlmöglichkeit zwischen Religionsund Religionskundeunterricht in der Schule und vieles mehr.

Analoge Tendenzen oder Diskussionen gibt es in der FPÖ kaum. Doch im Lichte einer zunehmenden Hinwendung zum Liberalismus wäre durchaus denkbar, daß auch in der FPÖ derartige Bestrebungen auftauchen, die ja zum Teil auf liberale Traditionen in der österreichischen Geschichte zurückgreifen können.

Allein diese Punkte würden eine vertiefte Gesprächspraxis erfordern. Eine Aktualisierung derartiger Reibungsflächen hängt natürlich auch vom Verhältnis der Kirche zu den politischen Parteien insgesamt ab.

• Äquidistanz oder politischer Katholizismus?

In regelmäßigen Abständen wird einmal von der ÖVP, dann wieder von der SPÖ das Äquididistanzproblem Kirche - politische Parteien aktualisiert (siehe letzter NationalratskampO-

Aber, was hier herausgestrichen sein

Dialogbereitschafl gegenüber den politischen Parteien.

In diesem Punkt hat sich die Kirche stark verändert. Als Institution mit Werte-Primat bleibt die Forderung nach „Äquidistanz" unmöglich und sinnlos. Zu verlangen ist institutionelle Abstundhultung zu den politischen Kräften.

In der Kirche selbst sehe ich keine große Bereitschaft zu derartigen Konzeptionen. Das erspart Spannungen parteipolitischer Art. In Wert- und Grund^tzfragcn aber soll und kann’ durchaus ein Spannungsverhältnis bestehen, zum Nutzen der staatlichen Gemeinschaft. Damit komme ich zum letzten Problemkreis: • Die Grundwerte-Diskussion: Basis für Kontroverse oder Konsens?

Die These von der Verunsicherung über die Grundwerte unseres Zusammenlebens und die Zukunft der politischen Wege sind schon zur allgemeinen Phrase geworden. Gewohnte Pfade in der Wirtschafts-, Sozial-, Umwelt-, Energie- und internationalen Politik entbehren zunehmend klarer Richtungsangaben und sind mit Fragezeichen gepflastert. Diese Verunsicherung hat Denkende in allen Kirchen, Parteien und Verbänden erfaßt.

Mein Schlüsselerlebnis in diesem Zusammenhang war die Antiatom-kampagne, die ja bis dahin unvorstellbare Querfeldeinkooperationen an den Tag brachte. Block-, Lager- und Parteiendenken erlitten im Interesse eines gemeinsamen Anliegens arge Sprünge. Diese Erfahrungen halte ich für eine der wesentlichsten Neuerungen der österreichischen politischen Praxis.

Die Auseinandersetzung „wie geht es weiter", also die Grundwertfrage, bleibt niemandem erspart. Weder die Kirche noch die Parteien haben fertige Rezepte oder sprechen mit einer Zunge; Man denke nur an die (von mir oft geteilten) Haltungen der Katholischen Sozialakademie.

Hier sehe ich die größten Notwendigkeiten für Auseinandersetzungen zwischen der Kirche und z. B. meiner Partei: Weil Inhalte. Anliegen zur Klärung heranstehen und nicht institutio-nen-Eigeninteressen.

Mein verehrter akademischer Lehrer, Norbert Leser, dem ich aufgrund seiner tiefen Katholizität und gleichzeitigen Verbundenheit zur Sozialdemokratie eine differenzierte Schau des Verhältnisses Kirche-Politik verdanke, stellte vor Jahren folgende Frage:

„Ist eine Beziehung zwischen zwei Partnern allgemein dann besonders wertvoll, wenn beide auf weiten Strek-ken konform gehen, oder nicht gerade dann, wenn sich Spannungen ergeben, die beide Teile zum Überdenken ihrer Positionen motivieren?"

Für die FPÖ würde ich letzteres unterstreichen und wünschen. Hinzufügen würde ich, daß wir alle, in unseren Organisationen und zwischen den Institutionen viele offene Grundsatzfragen haben.

Schon deshalb braucht es den Dialog.

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