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Parteikirche — Kirchenpartei?

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In der aktuellen Diskussion der Kirche wird immer mehr eine Meinung sichtbar, der nicht rasch und energisch genug widersprochen werden kann. Es ist dies die Behauptung - oder besser gesagt, der Vorwurf -, die österreichische Volkspartei stehe im Widerstreit der Meinungen auf Seiten der sogenannten „konservativen“ Kräfte des Katholizismus.

Daß ein solcher Eindruck entsteht, kommt freilich nicht von ungefähr. So glaubte doch neulich ein „Club 2“-Diskutant, der mit prominentem Beruf und Funktion in der ÖVP vorgestellt wurde, er habe darüber zu befinden, wie katholisch die FURCHE und Hubert Feichtlbauer noch seien. Schon vorher fragte ein Fernsehsprecher Bischof Egon Kapellan,

ob (wieder) ein Bündnis der Kirche mit der ÖVP drohe. Daß einzelne Spitzenpolitiker dieser Partei bei der Personalpolitik des Papstes „mitmischten“, wird sowieso schon lange kolportiert.

Eine solche Einbeziehung der Volkspartei in den katholischen Disput fehlte gerade noch zu all dem Jammer, den man derzeit zu ertragen hat. Sozusagen in einem Aufwaschen hätte man derart die große Teilung unserer kleinen Welt. Hier die CVer, dort die Freimaurer, hier die Ewiggestrigen, dort die Progressiven, hier die konservativen Schwarzen, dort die Aufgeschlossenen …

Ein Zerrbild — aber es scheint wohlgefällig betrachtet und geschickt ins Spiel gebracht zu werden. Leuten, welche die Kirche weder mögen noch ihr wirklich zugehören, kann ein derartiges Auseinanderdividieren nur recht sein. Sie stehen, wie sie uns versichern, ja jedenfalls auf der richtigen, der liberalen Seite.

Wer die ÖVP und ihre Grundsätze kennt, kann sich da freilich nur wundern. Nichts ist etwa leichter, als nachzuweisen, daß sich im geltenden Salzburger Programm der Volkspartei geradezu ein weltliches Spiegelbild jenes Vatikanums findet, das der Kirche neue Wege wies. Einige zentrale Begriffe seien in Erinnerung gerufen: Offenheit für alle, die sich „zu einem humanistischen Menschenbild bekennen“ (2,5), Solidarismus, Partnerschaft, Partizipation — alles Prinzipien, die in der Weiterführung der Gedanken das Bekenntnis zum „selbständigen Menschen“ hervorbrachten. Jeder wird eindringlich aufgefordert, sich an einer dynamischen Weiterentwicklung der Demokratie aktiv zu beteiligen.

Wäre da nicht sogar naheliegend, daß ein Ernstnehmen der ÖVP-Grundsätze zu einem „progressiven“ Standpunkt auch in der Kirche führen müßte? Natürlich ist ein solcher Schluß ebenso unzulässig, wie der gegenteilige.

Eine politische Partei darf heute weder Partei der noch in der Kirche sein. Sie muß vielmehr verschiedene Standpunkte in Glaubensfragen akzeptieren. Auch ist sie eine Einrichtung der staatlichen Demokratie, deren Regeln -wie wir immer wieder belehrt werden — auf die Gemeinschaft der Gläubigen nicht anwendbar sind.

Was freilich nicht heißen darf, daß jenes, was im Staat als richtig für das Zusammenleben erkannt wurde, keinesfalls für das Volk Gottes gelte. Dieses ist ja nicht losgelöst von der Gesellschaft zu sehen, es wandelt mit im Fortschreiten der Menschheit. Uber geoffenbarte Glaubenswahrheiten kann man sicher nicht abstimmen. Darüber aber, wie diese auf konkrete Zeiten und deren Probleme anzuwenden sind, gab es seit den Tagen der Apostel stets „demokratische“ Diskussionen und auch ein Votieren — nicht zuletzt auf den Konzilien oder bei der Wahl des Oberhauptes der Gläubigen. Autorität und autoritär sind auch in der Kirche wohl zu unterscheiden.

Es gibt Tugenden des Gemeinschaftslebens, die überall gelten müssen — sei es im weltlichen, sei es im kirchlichen Bereich. Mut etwa, der jene Hoffnung einschließt, zu welcher wir Christen aufgerufen sind. Vertrauen weiters, das vom Wirken des Heiligen Geistes in uns allen weiß und Partnerschaft als Ausdruck christlicher Brüderlichkeit erkennt.

Politische Weltanschauungen und Religionen haben sehr unterschiedliche, aber doch auch gemeinsame Ziele. Oft teilen sie das gleiche Schicksal: Ihre Wahrheitssuche ist von tragischen’Irrtümern und Konflikten begleitet.

Die Zeit, wo man sich gegenseitig zum Zeugen und Helfer aufrief, ist Gott sei Dank vorbei. Schon gar nicht dürfte heute geschehen, daß sich politische Gruppierungen in kirchlichen Auseinandersetzungen auf eine Seite schlagen. Jeder, der als Katholik im öffentlichen Leben steht, wird nach seinem Gewissen zu prüfen haben, was er für richtig befindet. Er sollte sich dabei aber jedenfalls — hier wie dort — um Glaubwürdigkeit im Lichte der gleichen Grundwerte bemühen. Diese sind nämlich letzten Endes unteilbar.

Der Autor ist Volksanwalt.

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