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Die Notwendigkeit schon lange erkannt

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Der Ruf nach einer Instanz, die den österreichischen Staatsgedanken jenseits der Parteipolitik konzessiv entwickeln, pflegen und propagieren soll, ist mehrfach laut geworden. Die Notwendigkeit wurde kaum bestritten, aber dabei blieb es. Ist es mangelnder Wille? Ist es das Unvermögen, eine richtige Form zu finden? In einem nach parteipolitischen Gesichtspunkten zweigeteilten Staat werden Schwierigkeiten nicht zu vermeiden sein, aber sie müßten sich überwinden lassen. Daß Parteiideologen, denen das Hemd näher ist als der Rock, einem unabhängigen, ihren Zwecken nicht dienstbaren österreichamt wenig Geschmack abgewinnen können, ist verständlich, aber jene Politiker, die für das Staatsganze die Verantwortung tragen, sollten sich der Dringlichkeit und Wichtigkeit einer derartigen Stelle nicht länger verschließen.

Es soll daher der Versuch gemacht werden, kurz den Aufbau, das Ziel und die Agenden einer bundesstaatlichen Dienststelle zu skizzieren, der ausschließlich die Pflege und Entwicklung des österreichischen Staatsgedankens zukommt, dessen, was die Österreicher eint und sie zu einem lebendigen, über die Grenzen hinaus wirksamen und im Konzert der Völker beachteten und geachteten Staatsvolk werden läßt. Dabei wird eine realistische Einschätzung der politischen Gegebenheiten zu berücksichtigen sein.

Bisher Ist, wie man hört, die Einrichtung eines derartigen „Österreichbüros“ vor allem an Schwierigkeiten und Bedenken organisatorischer Art gescheitert Sollte es, was am nächsten läge, dem Unterrichtsminister unterstellt werden? Oder dem Innenminister? Das Verteidigungsministerium könnte im Sinne einer „geistigen Landesverteidigung“ sein Anrecht geltend machen, ebenso der Außenminister bezüglich der Stellung Österreichs in der Welt. Alle diese Lösungen können jedoch letztlich nicht befriedigen, denn sie orientieren sich an der unmittelbaren Ressortzuständigkeit, und damit ist sowohl die Frage der sachlichen Einseitigkeit als auch der parteipolitischen Einflußnahme aufgeworfen. Ein zentraler österreichdienst unter der Verantwortlichkeit des Regierungschefs und seines Stellvertreters könnte aber sehr wohl die verschiedenen Teilaktionen aller Ressorts koordinieren und sie zu einem kräftigen Akkord zusammenfassen. Dies ließe sich administrativ etwa durch ein interministerielles Komitee erreichen, so daß die

Kompetenzen gewahrt bleiben und ungebührliche Einschränkungen vermieden werden könnten. Für alle diese Unternehmungen scheint das Bundeskanzleramt, dem ja auch verfassungsmäßig vor allem Koordinationsaufgaben zukommen, besonders geeignet.

Persönlichkeit an die Spitze!

In einem demokratischen Staatswesen, in einer pluralistischen Gesellschaft können und sollen die Staatsideologie und ihre bewußte Entfaltung nicht das Privileg einer Partei oder einer temporär bedingten Mehrheit sein. Weitgehende Unabhängigkeit und Selbständigkeit sind daher von entscheidender Bedeutung. Es wäre zu überlegen, dieser Stelle — man könnte sie etwa „österreichdienst“ nennen — im Bundeskanzleramt einzurichten und sie ohne Zwischeninstanz direkt dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler gemeinsam zu un.tersjteJlen,. Auch ,in^ einer Koalitionsregierung wären somit die Mitarbeit und Verantwortung aller staatstragenden Kräfte gesichert und zwar durch jene ersten Repräsentanten der Exekutive, denen die Vertretung und Koordination allgemeiner staatspolitischer Aufgaben ohne Einschränkung auf bestimmte Fachgebiete in besonderer Weise zukommt.

Es ergibt sich von selbst, daß eine

entsprechende Budgetierung von der Volksvertretung bewilligt und der Leitung des Österreichdienstes zur Durchführung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden muß. Damit wird ein anderes heikles Thema, nämlich die Frage der Leitung, aufgeworfen. Da der gelernte Österreicher weiß, welches Mißtrauen führenden Beamten oft von

den Politikern entgegengebracht wird, ja daß es eine Reihe hoher Funktionäre gibt, die, in das Triebwerk des Parteienstreites geraten, derzeit nur provisorisch amtieren oder nach wie vor auf eine ihrer Dienststellung entsprechende Rangerhöhung warten, wird zweifellos von allen Seiten guter Wille sehr vonnöten sein, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Die leitenden Beamte^ eines. Ö&terreicb.?; dienstes sollten nämlich nach,Tun-lichkeit weder von 4er rnanctierseits jetzt so geschätzten „Blutgruppe Null“ noch kämpferische Parteimanager sein. Im ersten Falle wird man wahrscheinlich einen bürokratischen Kadaver, einen nutzlosen Abstellraum für die Beamtenreserve schaffen, im zweiten hingegen eine neue Arena für den parteipolitischen Machtkampf eröffnen, womit wir ohnehin reichlich versorgt sind. Anderseits sollte es bei ernstem Be-

mühen möglich sein, Persönlichkeiten zu finden, die die fachlichen und auch die psychologischen Voraussetzungen mitbringen, ein derartiges Amt mit konstruktiven Ideen aufzubauen und es im gesamtösterreichischen Sinn objektiv und loyal zu führen: Staatsrechtler, Pädagogen und Publizisten. Auch müßte von allem Anfang an die Stellung des Leiters zur Vermeidung späterer „Schwierigkeiten“ eindeutig geklärt werden. Weder Regierungsmitglied noch Beamter — der Status eines „Bundeskommissärs“ (wie immer man es auch nennen könnte) zeigt den Weg.

Vielfältige Aufgaben

Welche Aufgaben hätte der österreichdienst zu erfüllen? Wo müßte er mit seiner Initiative einsetzen? Man könnte zwei zentrale Aufgaben in den Mittelpunkt stellen: Erstens, das allgemeine Staatsbewußtsein zu heben; zweitens, den österreichischen Staatsgedanken präzise zu definieren, ihn jeweils zeitgemäß zu interpretieren und ihn in geeigneter Weise zu publizieren. Die beschämenden Ergebnisse jener Tests, die einmal ein bekannter Radiokommentator über staatsbürgerliche Kenntnisse durchgeführt hat sind noch in lebhafter Erinnerung. Auch bei Leuten der sogenannten gebildeten Bevölkerungsschichten zeigten sich geradezu erschreckende Wissenslücken bei allen Fragen über den Aufbau und die Verfassung des Staates, über die Kompetenzen seiner Organe, über die Persönlichkeiten, die ihn leiten. Uber die österreichische Geschichte, insbesondere die Zeitgeschichte, bekam man die seltsamsten Theorien zu hören; Kulturgeschichte war weithin unbekannt.

Wer kennt schon die österreichischen Nobelpreisträger, Österreichs Gelehrte und Erfinder? Diese Befragungen haben plötzlich' die Szene erhellt und uns die gegenwärtige Situation in aller unerfreulichen Realität gezeigt. Es sollte auch den Politikern zu denken geben, in welchem Dunkel allgemeiner Unwissenheit, in welchem Zwielicht der Mißverständnisse und der Interesselosigkeit sie heute agieren. Das österreichische Staatsbewußtsein, nach dem Krieg durch gemeinsame Not und gemeinsamen Kampf mächtig stimuliert beginnt unbemerkt in der Lethargie des Wohlfahrtsstaates und der Konsumgesellschaft zu versinken. Hier zeigen sich die ersten notwendigen Ansatzpunkte für einen österreichdienst.

Es würde den Rahmen dieser Zeilen sprengen, wollte man hier schon ein genaues und detailliertes Programm für einen österreichdienst entwerfen. Einige Hinweise mögen aber die Weite und Vielgestaltigkeit der Aufgaben andeuten:

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