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„Nöte ernst nehmen“

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Eine neue Zeitschrift. Was kann heute Anlaß sein, eine neue Zweimonatsschrift ins Leben zu rufen? Für die Autoren unter den Gründern vielleicht: sich ein Medium zu schaffen, um Gedachtes, Gesagtes, Geschriebenes abzustoßen, die Öffentlichkeit damit vertraut zu machen? Für die potentiellen Leser, soweit sie Mitbegründer des Blattes sind: ein Instrument zu erhalten, das sie in ihrer Meinung bestärkt, indem es bezogene Positionen bestätigt?

Solche Absichten reichen heute nicht mehr aus, um die Gründung einer Zeitschrift mit dem Titel: Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ zu rechtfertigen. Mehr wird gefordert. Es kann, wenn es einen hinreichenden Grund für die Gründung einer Internationalen katholischen Zeitschrift heute gibt, nur die durch die allgemeine Entwicklung und den Zustand der Manschen erzwungene Einsicht sein, daß das Wort, das zu sagen und zu hören ist, in der gegenwärtigen Stunde ein notwendiges, ein Not-Wendendes zu sein hat.

Warum?

Wir wissen, daß die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins viele Menschen bewegt. Eine menschlich und religiös überzeugende Antwort darauf muß versucht werden. Wir stellen fest, daß das reiche, oft verwirrende Angebot des nachkonzi-liaren Katholizismus die Not vieler überzeugter Christen nicht behoben, sondern verschärft hat. Eine kritische Sichtung dieses Angebots muß daher gewagt werden. Wir erleben in der kirchlichen Gemeinschaft eine zunehmende Bildung von Fronten, eine Polarisierung nicht nur der Meinungen, sondern auch der Glou-benssichten und -haltungen, die den uns alle tragenden Grund des Glaubens gefährdet. Wir sind nicht bereit, diese Entwicklung als einen unabwendbaren Vorgang hinzunehmen.

Das alles sind Absichtserklärungen, wir wissen es. Die Öffentlichkeit hat ein Recht, mehr zu erfahren. Vor allem eine Antwort auf die Frage: Wie wollt ihr die Nöte wenden?

Zunächst dadurch, daß wir sie, wie die besten Zeitschriften bisher, ernst nehmen, sie nicht bagatellisieren oder vom Tisch wischen; sie vielmehr erkennbar aussprechen und unsere Antwort zu geben suchen, nicht nur spezialistisch, informativ, sondern vor allem die existentielle Situation der vielen ansprechend, auf sie hinzielend und ihnen dadurch helfend. Und Hilfen werden wir zu geben versuchen, nicht anders als die besten Zeitschriften bisher auch, einer Pastoral, die heute leisten soll, was sie nicht leisten kann, weil Personen und Institutionen nicht ausreichen, die sich der mühevollen, aber unerläßlichen Aufgabe unterziehen, die neuen und alten Einsichten des theologischen Denkens dem Seelsorger verständlich und verläßlich näherzubringen, damit der Graben zwischen dem theologischen Denken und dem pastoralen Handeln nicht immer breiter wird.

Freilich: der heute weitgehenden Polarisierung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften wird dadurch, daß wir die genannten Aufgaben zu verwirklichen suchen, kein Einhalt geboten. Auch das ist uns klar. Wenn wir die Erscheinung der Konfrontation in den krichlichen Gemeinschaften nach und nach abbauen wollen, bedarf es dazu eines neuen Ansatzes. Mit der Fixierung einer ,£.inie“, der Kursfestlegung „Mitte“ oder „Links“ oder „Rechts“ ist ein solcher Ansatz nicht zu gewinnen. Er kann nur „oberhalb“ des großen Feldes liegen, in welchem sich die Fronten heute begegnen.

Indem wir uns für dieses „Oberhalb“ entscheiden — und das heißt beileibe nicht fernab von Aktualität sein —, verzichten wir — für den Anfang jedenfalls — auf den Beifall derer, die mitten im Feld der

Januar/Februar 1972

Konfrontation stehen und da verharren.

Damit dieses Ziel überhaupt erreichbar wird, sind einige Voraussetzungen von uns zu akzeptieren. Sie heißen Katholizität, Internationalität und neue Trägerschaft. Sie bestimmen die Struktur unserer Zeitschrift.

Katholizität meint das Universale“ im Sinne der Tradition der Kirche; darüber hinaus „das Ganze umfassend“ global und regional, oberhalb partikularer Denomination und in und mit ihr lebend; „die ganze Wahrheit“ umfassend, also auch jene Wahrheiten, die nicht im Bezugsfeld des theologischen Denkens stehen. Die internationale katholische Zeitschrift „Communio“ wird daher keine theologische Zeitschrift im engeren Sinne sein, doch wird jedes von ihr aufgegriffene Thema religiös-theologische Relevanz haben. Unter dem Gesetz der „ganzen Wahrheit“ stehend, werden wir immer bereit sein, jeder ernsthaften Stimme, die sich zu einer theologisch relevanten Frage von Bedeutung zu Wort meldet, in unseren Heften Raum zu geben.

Internationalität. Die Erfahrung, so meinen wir, hat gelehrt, daß Ziele wie die vorgenannten mit dem Typ von Zeitschrift, wie er bis in die Gegenwart vorherrschend war — bei allen Verdiensten, die vielen dieser Blätter unbestritten zukommen —, heute nur annähernd erreichbar sind. Das erste Ziel dieser Zeitschrift, die Konfrontation innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft zu überwinden, wahrscheinlich überhaupt nicht. Es bedarf dazu der Mitarbeit und des Engagements vieler, über nationcle Grenzen und Sprachräume hinaus.

Zugleich aber sehen wir die Gefahren, die mit einer Präsentation von Denken und Handeln in einem derart weitgespannten Rahmen für die Lebensfähigkeit der Zeitschrift verbunden sind. Wir meinen die Statik des Angebots, den Verlust an Aktualität und damit an wirklichen Adressaten. Ohne diese aber wären wir — auch bei ansehnlicher Auflage — tot, unsere Arbeit bliebe vergeblich. Daher unser Versuch, mit unseren Freunden in Frankreich, Italien, Spanien, Holland, den beiden Amerika und dem Osten Europas Zeitschriftentypen zu entwickeln, die auch für regionale Perspektiven Raum lassen.

Neue Trägerschaft. Wir sind schließlich davon überzeugt, daß das überkommene Strukturmuster unserer Zeitschriften: Verleger, Herausgeber, Redaktion und ein weitgehend anonym bleibendes Leserpublikum, nicht geeignet ist. das Ziel zu erreichen, das wir ansteuern. Wir wollen daher einerseits die immer latent vorhandenen Spannungen, wie sie mit dem Ztuangsuerbund unterschiedlicher Interessen (Verleger, Herausgeber, Redaktion) gegeben sind, reduzieren und anderseits den „Leser“ aktivieren durch Formen wie Gruppen und Zirkel, in denen er mit uns solidarisch denken und handeln kann.

Daher die Gründung des Verlages Communio und des Vereins Communio. „Verein“ ist die unzulängliche Bezeichnung für das, was in Wirklichkeit „unsere Gruppen“ werden sollen. Diese sollen das Blatt tragen, auch finanziell. Der Verlag Communio wird die Aufgabe haben, für die wirtschaftliche Existenz der Zeitschrift zu sorgen und durch unternehmerische Initiativen deren Unabhängigkeit zu sichern.

Das ist der Horizont, den wir der internationalen katholischen Zeitschrift „Communio“ gegeben haben.

Wir wissen, daß er weitgespannt ist. Wir wissen auch, daß wir, an ihm gemessen, versagen können.

Daß dies nicht geschehe, darum bitten wir unsere Freunde und Leser.

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