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120 Jahre - Der Weg ist begonnen

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Zwölf Jahrzehnte „Styria“, 85 Jahre „Kleine Zeitung“ -Gründung und Auftrag haben Bestand. Buch und Zeitung sollen auch Hoffnungsträger an der Jahrtausendwende sein: als „Biotop“ für Freiheit, Glück und Wahrheit.

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Zwölf Jahrzehnte „Styria“, 85 Jahre „Kleine Zeitung“ -Gründung und Auftrag haben Bestand. Buch und Zeitung sollen auch Hoffnungsträger an der Jahrtausendwende sein: als „Biotop“ für Freiheit, Glück und Wahrheit.

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120 Jahre alt ist die Institu -I &mJ tion und zugleich mehr noch die Kommunität „Katholischer Preßverein“ in der steirischen Diözese, die den Betrieben des Druck- und Verlagshauses „Sty-ria“ für ihren Weg durch die Zeiten dreierlei gegeben hat und fortwirkend in unsere Zeit hinein gibt: den

inneren Auftrag, den realen Ursprung und die rechtliche Grundlage.Zwölf Jahrzehnte hindurch hatte ein Wirken festen Bestand - in einem Zeitraum, in dem weltgeschichtlich - geistig und gesellschaftlich - kein Stein auf dem anderen blieb.

Alexander Solschenizyn spricht von einem Jahrhundert der Tyrannen, der Verräter, der Gefangenen und der Märtyrer; der Denker, Philosoph unserer Tage, Hermann

Lübbe schrieb von serienhaften „politischen Groß verbrechen“ in diesem Zeitraum. Und doch, dem bedenkenden Prüfen zeigt sich gleichzeitig auch das leidenschaftliche menschliche Streben nach Freiheit und Menschenwürde.

Eine Gründung und ein Auftrag hatte und hat Bestand. Wohl brachte die politische Gewalt von 1938 bis 1945 Abbruch, Zerstörung und Enteignung, aber gerade auch deshalb dürfen wir heute sagen, daß das Werk auf keinen Trümmern seiner eigenen Vergangenheit zu stehen braucht. Der Auftrag der ersten Stunde, durch Buch und

Zeitung, durch Information und Wissensvermittlung das Gute für das weltliche Leben und Zusammenleben - für Gemeinschaft und Fortschritt - zu vermitteln. Und mitzuwirken, daß die Botschaft Gottes an die Menschen ins Zeitge-

spräch komme. Dieser Auftrag ist gültig und aktuell geblieben.

120 Jahre „Styria“ - der Weg ist begonnen. Dieses Wort war plötzlich da. Es meint nichts anderes, als daß unser Leben, das betrieblichprofessionelle Leben vor allem,

zwar Bilder, „Erfahrungsvorbilder“ aus der eigenen Geschichtlichkeit braucht, daß aber die Dynamik des Lebens immer wieder ein Beginnen verlangt. Buch und Zeitung stellen uns Tag für Tag vor einen immer wieder zu beginnenden Weg; nicht minder die betriebliche und tech-nische( Gestaltung des Hauses. So verlangt dieser Jubiläumsanlaß die redliche, ernstgenommene Bereitschaft zur Selbstüberprüfung, um für heute und morgen Neuorientierungen gewinnen zu können.

Unübersehbar ist die „Freiheitsgeschichte“, die die Menschheit durchlaufen und durchlitten hat und die gerade gegenwärtig in Osteuropa wieder einmal ihre unüberwindliche humane Dimension erweist. Das politische Geschehen, dessen Zeitzeugen wir sind, beweist es deutlich, daß die Stunde der Wahrheit, der großen Wende für alle gottlosen marxistischen Herrschaftsgebäude genauso wie für die gottfernen liberalistischen „Genußsysteme“ gekommen ist.

In dem, was man vordergründig, oft nur rein symptomatisch, die „nachchristliche Gesellschaft“ nennt, brauchen gerade wir, in einem Medienunternehmen, neue Befunde und neue Positionen.

Freiheit hat ihren besonderen

.....da ist die Freiheit“

Ausdruck, ihre geistig-kulturellgesellschaftliche Brisanz und ihre hochtechnisierte Realexistenz in der modernen Informations- oder Mediengesellschaft gefunden. Es geht um die sinnvolle, lebensstärr kende „Freiheitsnutzung“ für Publizist und Empfänger.

Gerade ein Haus, das aus christlichem Antrieb die „Lebensmittel“ für den geistigen Bedarf des Menschen - Buch und Zeitung - erzeugt, hat den Freiheitsanspruch in der „f amily of man“ voll zu bejahen - besonders die Freiheit der Meinungen. Diese ist überall auf der Welt ein hohes Gut, sie ist jedoch ohne die bindende Verantwortung ein Danaergeschenk.

Medienfreiheit und Medienverantwortung, diese Herausforderung des menschlichen Freiheitsverlangens ist voll aufzunehmen. Denn Chancen und Gefahren, Aufbruch und Bedrohung, Hoffnung und Verzweiflung und Lebenssinnlosigkeit liegen immer nahe beisammen.

Die Menschen als Adressaten unserer literalen wie medialen Botschaften verlangen viel von unserem Tun: die offene, verläßliche Information, das „Rohstoffwissen“ für die eigene Entscheidung und Meinungsbildung, die Kritik, aber auch innere Bestärkung, die Überwindung aktueller Ängste, -Sinnerleben und sicherlich auch zuverlässigen Trost. Charles Peguy schrieb einmal nieder: Lassen wir nicht zu „die Erschöpfung der Hoffnung, der ersten aller Kräfte“!

Buch und Zeitung - sie seien aus unserer Provenienz Hoffnungsträger an der Jahrtausendwende. Eine medien-professionelle Arbeit, neu durchdacht, wird uns abverlangt sein, die Annäherungshilfen an die Wahrheit und Wirklichkeit zu geben imstande ist, wie sie im 2. Korintherbrief (3,17) festgeschrieben sind: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist die Freiheit“. Aus Gründung und Auftrag resultiert, daß wir es heute billiger nicht halten dürfen.

Eingeschlossen in die 120-Jahr-Feier der „Styria“ ist auch das „kleine Jubiläum“ 85 Jahre „Kleine Zeitung“. Sie hat als unabhängige Tageszeitung mit ihrer erfolgreich hohen Reichweite größte Öffentlichkeitswirksamkeit. So ist die Frage unab weislich: Wie positio-

niert sich eine unabhängige Zeitung aus einem katholischen Verlagshaus heute im Medienkonzert?

Zunächst wird sich eine Tageszeitung der ganzen Öffentlichkeit verpflichtet wissen müssen. Eine positive Einstellung zum weltanschaulichen und politischen Pluralismus eröffnet erst die zeitnotwendige Gesprächslage im großen Suchen unserer Gegenwart. Gewissermaßen sind im Kommunikationsdienst weiters sowohl die Bedingung als auch die Haltung einer universalen Solidarität aufzubringen, in der Mitsorge an der Not wie der Entwicklung dieser Welt, gegen das Ausspielen verschiedener Engagements. Das mediale Angebot christlicher Botschaft und Bewertungen muß höchst sensibel in dieser unübersichtlichen Zeit geübt werden. Die Spannung zwischen Medienfreiheit und Medienverantwortung trifft immer voll den Medienmacher.

Auch Freiheit und Emanzipationsstreben ergeben heute oft ein widersprüchliches Zeitbild. Anton Stres, Ordinarius für Philosophie an der Universität in Laibach, umschreibt den dafür relevanten Verantwortungscharakter ganz unmittelbar, wenn er meint, daß so manches in der modernen Emanzipation „die Verbindung zwischen Wahrheit, Glück und Freiheit“ zerschneide. Und er erklärt, daß „die unerläßliche Bedingung des wahren Glücks, wie der wahren Freiheit“ nicht zuletzt in der Wahr-

heit des Transzendenten für den Menschen liegt. Ein faszinierender Gedanke, daß das Glück auch Ewigkeitsbezug hat.Aber Freiheit, Glück und Wahrheit brauchen ein gepflegtes „Biotop“ in den Medien, zumal in unseren Medien.

Mehr Iis man es oft wahrhaben will, sind die Massenmedien heute für die Gesprächs- und Konfliktkultur in der Gesellschaft wie in der Kirche maßgebend. In den Turbulenzen und Tumulten unserer Tage sind hier wie dort die rechthaberischen Übertreibungen in den verschiedenen Richtungen kontraproduktiv. Sie schlagen den Menschen die Türen vor der Nase zu: vor der Kirche, vor dem Staat, vor der Gemeinschaft. Desengagement und Resignation des einzelnen sind oft das Ergebnis. Die Sprache, der

„Geistleib“ des Menschen, wie sie Wilhelm von Humboldt bezeichnete, ist in Ordnung zu halten - aus Liebe zum Fortschritt, aus Liebe zum Menschen.

Unabhängigkeit schließt aus, daß man irgend jemandes „Public Re-lations“-Stimme ist. Solches wäre Entfremdung und gefährliche Verkürzung eines zeitgemäßen Öffentlichkeitsverständnisses. Eine Tageszeitung, Zeitungen überhaupt, die von Katholiken verlegt und geschrieben werden, können darum auch kein „Kirchenorgan“ sein, sie sind voll und ganz in der Welt und für die Welt. Die Öffentlichkeit darf aber erwarten, daß ihre Träger der Kirche und ihrer Botschaft zugetan sind.

Nicht triumphierend feiern wir dieses Jubiläum, sondern nachdenklich, weil die Zukunft drängend immer wieder den Neubeginn fordert: gläubig, kreativ und konstruktiv im Geistigen und offensiv im Unternehmerischen. Alles aber sei ein Dienst für die fragenden, die suchenden, die lesenden Menschen der Jahrtausendwende.

Ein Wort der Besinnung und der Zuversicht zum Schluß: Das frühe Christentum des zweiten Jahrhunderts hat einen wertvollen literarischen Schatz hervorgebracht, von einem anonymen Autor verfaßt: den Brief an Diognet, einen Nichtchri-sten. Darin heißt es über die Christen: „Sie halten die Welt zusammen.“

Mißverstehen wir diese Worte

nicht. Demütig, dienstbereit sind sie gemeint. Dann liest man die Verpflichtung heraus: um die Welt zusammen zu halten, müssen die Christen in ihrem eigenen Leben zeigen, daß sie zusammengehalten werden. Und wörtlich wird in diesem frühen „medialen“ Produkt über die Sendung der Christen ausgesagt: „Die Aufgabe, die Gott ihnen gegeben hat, ist so nobel, daß es ihnen nicht erlaubt ist, zu desertieren.“

Der Weg der „Styria“ hat vor 120 Jahren begonnen. In dieser alten und immer neuen Zuversicht des Glaubens ist er immer neu zu.beginnen.

Auszug aus der Rede von „Styria “-Generaldirektor Hanns Sassmann beim Festakt am 3. November in Graz. Den Festvortrag von Univ-Prof. Eugen Biser dokumentiert die FURCHE in einer der nächsten Ausgaben.

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