Kriegsberichterstatter - © Foto: Gettyimages / AleksandarNakic

Gefahr für Leib und Leben

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Das vergangene Jahrzehnt war eine „Dekade des Todes für Journalisten“, meint David Dadge, Direktor des Internationalen Presse Institutes IPI in Wien. Ein Gespräch zur Welt-Medienlage.

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Das vergangene Jahrzehnt war eine „Dekade des Todes für Journalisten“, meint David Dadge, Direktor des Internationalen Presse Institutes IPI in Wien. Ein Gespräch zur Welt-Medienlage.

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Am 3. Mai wurde der Tag der Pressefreiheit begangen. Auch wenn die Pressefreiheit zu den Menschenrechten gehört, ist die Weltlage keineswegs rosig. In vielen Gegenden ist es gar lebensgefährlich, Journalist/in zu sein.

Die Furche: Das Internationale Presse Institut IPI bezeichnet das letzte Jahrzehnt als „Dekade des Todes für Journalisten“.
David Dadge: Zwischen 2000 und 2009 wurden weltweit 742 Journalisten getötet – eine unglaubliche Zahl. 171 Journalisten starben allein im Irak. 94 Journalisten wurden auf den Philippinen getötet, 58 in Kolumbien – auch hier geht es jeweils um Konflikte im Land. Diese Zahlen sind sehr hoch – obwohl man doch glaubte, dass die Menschenrechte weltweit mehr beachtet würden.

Die Furche: Ein Anzeichen dafür, dass die gewalttätigen Konflikte weltweit zunehmen?
Dadge: Das ist schwer zu beurteilen. Im Gegensatz zu früheren Konflikten sind die Journalisten aber keine neutralen Beobachter mehr. Journalisten wurden im Irak gezielt ausgewählt durch Terrorgruppen wie Al Kaida, weil diese durch deren Ermordung besondere Aufmerksamkeit erreichen wollten. Und in viele Konflikten werden Journalisten hineingezogen, in dem sie etwa als Angehörige des Westens mit ihren eigenen Ansichten wahrgenommen werden.

Die Furche: Aber Journalisten haben sich doch selber die Hände schmutzig gemacht als „embedded journalists“ im Tross verschiedener Konfliktparteien.
Dadge:
Es gab in den letzten 30 Jahren viele Versuche von Regierungen, Journalisten dazu zu bringen, so zu berichten, wie sie es gerne hätten.Man kann das schon beim Falklandkrieg 1982 sehen: Dort durften nur britische Journalisten mit der Armee hinfahren und es war sehr schwer, unabhängig zu berichten. Ähnlich ging es im ersten Golfkrieg, wo die Journalisten gar nicht mehr zu den Orten den Geschehens kamen, sondern vom Militär mit Informationen gefüttert wurden. Im zweiten Golfkrieg und bei den Konflikten in Afghanistan hat sich der Zugang der Militärs verfeinert. Anderseits stellt der „embedded journalism“ auch eine Chance dar. Als TV-Produzent oder Chefredakteur zu Hause kann man auch darauf zurückgreifen. Es ist eine Frage des Kontextes und bedarf eines ausgeprägten Fingerspitzengefühls, herauszufiltern, wenn ein Reporter meint, positiv zu berichten zu müssen über die, die ihn in einer schwierigen Situation schützen. Ein guter Chefredakteur wird solch eine beeinflusste Sichtweise ausschließen und ein ausgewogenes, gut kontextualisiertes Bild davon zu erhalten suchen, was vor sich geht.

Die Furche: Journalisten sind aber nicht immer in Lebensgefahr. Es gibt Gefährdungen der Pressefreiheit auch in Demokratien …
Dadge: … aber auch dort gibt es Gefahr für Leib und Leben: In Mexiko starben in den letzten zehn Jahren 40 Journalisten, in Russland waren es 35. Da handelt es sich nicht um klassische Kriege, sondern um Drogenkartelle in Mexiko und die Korruption, die daraus erwächst. Journalisten, die darüber berichten, sind in Gefahr. In Russland stellt der Übergang vom Kommunismus die große Herausforderung dar. Es ist auch eine Frage, was in diesen Gesellschaften mit der Öffentlichkeit geschieht. Dort gibt es Menschen, die nicht wollen, dass bestimmte Informationen ans Licht kommen – und die dafür sogar Mord in Kauf nehmen oder in Auftrag geben. Und wenn man das zusammenbringt mit einer sehr schlechten Infrastruktur wie in Russland, einem schlechten Rechtssystem, wo die Richter und Staatsanwälte unterbezahlt sind, dann kommen sogar Mörder davon.

Die Furche: Dennoch in Westeuropa müssen Journalisten kaum um ihr Leben fürchten …
Dadge: … da gibt es andere Themen unter anderem – Stichwort: der dänische Karikaturenstreit – wie man sich mit den Muslimen untereinandersetzt. Und dann der ganze Sicherheitskomplex vom 9/11 an mit der Diskussion, ob die Sicherheitsgesetze nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen. Und es bleiben weitere Themen wie die Diskussion um die Verleumdungsgesetze.

Die Furche: Kann eine Organisation wie das IPI Journalisten schützen?
Dadge: Aufgabe einer Organisation, die sich für Pressefreiheit einsetzt, ist, sehr laut aufzuschreien, wenn es zu Verletzungen derselben kommt. Die Verletzer der Pressefreiheit müssen sich bewusst sein, dass eine Organisation wie das IPI die Alarmglocke sehr schnell schrillen lässt. Es ist nicht immer möglich, dass in einem Land selber aktiv zu sein und einen einzelnen Journalisten zu unterstützen, aber wir sind gut darin, die internationale Gemeinschaft zu motivieren, besonders auf ein bestimmtes Land oder einen bestimmten Fall zu schauen.

Die Furche: Wo sehen Sie mehr Fortschritte – bei der Pressefreiheit oder bei anderen Menschenrechten?
Dadge: Ich habe ein gutes Argument, warum Presse- und Meinungsfreiheit so wichtig sind: Wir alle brauchen Informationen, um – wo auch auf der Welt – Entscheidungen treffen zu können. Und die werden wesentlich von Journalisten verbreitet. Dabei geht es um „guten“ Content – die Fakten werden gecheckt, es gibt ein Beschwerdesystem, wenn die Information falsch ist usw. Diese Informationen erlauben es dann, Verständnis dafür zu bekommen, was in der Welt passiert – welche Auswahl man bei Wahlen hat, was man gegen Korruption tut, all das wird von Medien verbreitet. Informationsfreiheit gehört von daher zu den vitalsten Menschenrechten, sie untermauert viele andere Rechte. Man kann nicht über Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sprechen, ohne um die Wichtigkeit der Meinungsfreiheit zu wissen.

Die Furche: Im letzten Jahrzehnt gab es große Veränderungen: Die Neuen Medien ermöglichen eine Menge an Information, es gibt dabei aber weniger Professionalität beim Verbreiten derselben. Die Journalisten sind nun nur mehr eine kleine Gruppe von Leuten, die Informationen verbreiten.
Dadge:
In einigen Ländern sind die Neuen Medien die einzige Weise, Informationen zu verbreiten – etwa im Iran: Dort übernehmen die Bürger selber mit ihren Handy-Kameras, mittels Twitter, SMS oder E-Mail einiges an Berichterstattung anstelle der Medien. Wie beim „embedded journalism“ gilt: Ein guter Produzent, ein guter Redakteur wird die Ausgewogenheit und den Kontext solcher Geschichten gewährleisten – und diese neuen Werkzeuge nutzen. Eine weitere Herausforderung ist die Zunahme der Möglichkeiten, Meinungen zu äußern. Auch auf News-Webseiten können die Leser darauf reagieren, was die Journalisten geschrieben haben. Das ist wichtig und ein gutes Feedback. Aber hier wird auch eine Umgebung kreiert, wo Einzelne meinen, ihre Sicht der Dinge sei genauso wichtig wie die anderer. Vielleicht bewegen wir uns in Richtung eines Meinungszeitalters und weg von einer Ära, wo glaubwürdige Tatsachen die öffentlichen Debatten bestimmt haben. Das ist eine wirkliche Gefahr. Es wäre wichtig, dass die Medien darauf reagieren, und ihre vitale Rolle für eine Gesellschaft sicherstellen – dass sie die Fakten liefern und es dem einzelnen ermöglichen, diese Tatschen zu diskutieren. Die Medien müsse sich auf die Füße stellen und sagen: Wir könne die Fakten – und auch Meinungen – beisteuern, die für diese Debatte wichtig sind. Wenn die Medien beginnen, sich aus dieser Aufgabe zurückzuziehen, dann haben wir eine Gesellschaft, die auf Meinungen fußt und nicht auf Fakten.

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