Die Freiheit beginnt im Kopf

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Am 3. Mai wird weltweit der "Tag der Pressefreiheit" begangen. Das vorliegende furche-Dossier analysiert aus verschiedenen Blickwinkeln, dass es um die Medienfreiheit nach wie vor nicht zum Besten steht: * Die Pflicht der Mediennutzer (oben). * Medienlage global (Seite 14). * Interview mit dem Medienfreiheitsbeauftragten Freimut Duve (Seite 16). * Wie Medienfreiheit in Österreich desavouiert wird (Seite 17).

Die Schere beginnt im Kopf. Solch geflügeltes Wort begleitet die schreibende Zunft und ihren Kampf ums freie Wort seit jeher: Zensur, die von den jeweiligen Mächtigen angeordnete und durchgesetzte Kontrolle von Information und Meinungsäußerung, vollzieht sich heutzutage primär nicht mehr dadurch, dass Journalisten ihre Texte irgendwelchen Obrigkeiten vorlegen müssen. Auch die massive -psychische wie physische - Einschüchterung von Medienleuten, wie sie in Weltgegenden mit autoritären Systemen durchaus an der Tagesordnung ist (vgl. die Analyse "Pressefreiheit global" auf Seite 14), stellt nur einen Aspekt der Situation dar; jedenfalls darf man hierzulande mit Recht darauf hinweisen, dass die Pressefreiheit, eine der politischen Hauptforderungen der bürgerlichen Revolutionen des 19. Jahrhunderts, in den demokratischen Ländern längst eine verfassungsmäßig garantierte Wirklichkeit ist.

Dennoch herrscht kaum ein Zweifel darüber, dass die Pressefreiheit ein zartes Pflänzchen ist und lange noch nicht zum Alltagsgut der Menschheit gehört, dass also ein "Tag der Pressefreiheit", wie er alljährlich am 3. Mai begangen wird, um auf die Mediensituation in der Welt hinzuweisen, mehr als berechtigt ist.

Zum einen ist evident: Wo instabile politische Verhältnisse herrschen, leben Journalisten, deren kritischer Blick umso notwendiger wäre, immer noch gefährlich. Doch zum andern ist auch anderswo die Freiheit der Medien in vielerlei Hinsicht bedroht: Die Zensur kann sehr subtil verkleidet und kaum bemerkt daherkommen: als vorauseilender Schreibgehorsam (die Zensorschere befindet sich bereits im Kopf der Schreibenden ...), als "strukturelle Zensur", wie Freimut Duve administrative Behinderungen freier Berichterstattung bezeichnet (vgl. das Interview mit dem Medienfreiheitsbeauftragten der OSZE auf Seite 16), oder als Maßnahmen zum "Schutz des Staates" vor Bedrohungen wie Terroranschlägen - eine neue Qualität in der Verengung von Pressefreiheit, die seit dem Anbruch des Bin-Laden-Zeitalters um sich greift.

Doch auch die umgekehrte Beschreibung stimmt: Nicht nur die Zensur beginnt im Kopf, sondern gleichermaßen die Medienfreiheit: Freie Meinungsäußerung und Information via Medien ist erst dann ein Recht, wenn dieses zuerst gedacht, dann gefordert und schließlich wahrgenommen wird - und zwar von allen Akteuren der Gesellschaft.

* Vom Staat sind dazu die Rahmenbedingungen zu erwarten: Demokratische Gesellschaften kann es ohne freie Medien nicht geben. Doch diese benötigen faire Voraussetzungen: Medien müssen unter vernünftigen wirtschaftlichen Bedingungen überleben können; dazu sind Instrumente gegen Marktbeherrschung und zur Erhaltung der Vielfalt an Medien notwendig. Auch die Förderung von Medienqualität kann hier eine wichtige Aufgabe sein - von der Unterstützung von Auslandsberichterstattung bis zur Hilfestellung für die Ausbildung von Journalisten. Wenn sich der Staat um diese Rahmenbedingungen wenig kümmert oder sich davon zurückzieht, beschädigt er die Medienfreiheit: Ein Blick auf österreichische Verhältnisse zeigt, dass hier Gefahr im Verzug ist.

* Von den Medienbetreibern ist der Balanceakt zwischen Publikum und Kunden gefragt: Information und Meinung gelten heute als Ware, die verkauft werden muss. Einerseits sollen möglichst viele Leser-Hörer-Seher-Surfer erreicht werden, andererseits wollen Werbekunden angelockt sein. Ein typisches Zeichen der Entwicklung: Viele Medien nehmen aus dem Anzeigengeschäft mehr ein als aus dem Verkauf an die Medienkonsumenten. Welche Konsequenzen diese - wirtschaftlichen - Abhängigkeiten zeitigen können, liegt auf der Hand. Und so wie anderswo die klassischen Unternehmerpersönlichkeiten, die nicht nur die Regeln des Börsenspiels im Blick haben, abnehmen, so schwinden die persönlich engagierten Verleger zu Gunsten von großen Medienunternehmenskonglomeraten. Auch von dieser Entwicklung her kommt die Pressefreiheit unter Druck.

* Von den Medienmachern ist zu fordern, sich nicht als Erfüllungsgehilfen der Marketing-Interessen ihrer Medienunternehmen korrumpieren zu lassen. Dazu kommen ethische Anforderungen an das journalistische Handwerk, die wegen des Konkurrenzkampfes um Marktpositionen leider nicht mehr sakrosankt sind. Nur ein Beispiel: Die Abschätzung der Negativfolgen von Berichterstattung hat im Zeitalter von Personalisierung und Boulevard geringeren Stellenwert; auch die Privatsphäre von Menschen ist ein hohes Gut, das nicht immer von dem Gut der Medienfreiheit unterzuordnen ist. Dass der Persönlichkeitsschutz umgekehrt von den modernen Zensoren ins Treffen geführt wird, um die Pressefreiheit zu unterminieren, zeigt eines der Spannungsfelder auf, in denen sich die Medienmacher heute behaupten müssen.

* Den Medienkonsumenten kommt in dieser Lage eine Schlüsselrolle bei der Verteidigung der Freiheit zu. Letztlich hängt es von deren Fähigkeit zur kritischen Wahrnehmung ab, ob die Medien zur Meinungsfreiheit oder zum Meinungsdiktat beitragen. Von mündigen Konsumenten darf ein ebensolches gesundes Misstrauen gegenüber den Medien erwartet werden wie gegenüber den Heilsversprechungen der Politik. Solch kritische Wahrnehmung drückt sich etwa darin aus, sich nicht ausschließlich auf ein Medium zu verlassen oder gegensätzliche Bewertungen in unterschiedlichen Medien bewusst zu studieren. Schließlich gehört auch das Wissen um die Funktionsweise von Medien zu den Voraussetzungen dafür, dass man den Unwägbarkeiten und Auswüchsen gegenwärtiger Berichterstattung nicht auf den Leim geht.

Freie Information ist also nicht nur eine Bringschuld der Medien oder eine Forderung an die Politik. Die Mediennutzer sind gleichermaßen in die Pflicht zu nehmen. Anders gesagt: Der Pressefreiheit wird erst dann wirklich zum Durchbruch verholfen, wenn sie sich in den Köpfen der Konsumenten nachhaltig festgesetzt hat.

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