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Vom Presse- zum Medienrecht

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Die Frage nach der Bedeutung der Pressegesetzgebung ist bei den Reformen des österreichischen Presserechts in seiner langen Geschichte immer wieder aufs neue gestellt worden. Ihre Beantwortung hängt vom Standort ab, den man im Verhältnis zur Funktion der publizistischen Medien in der Gesellschaft einnimmt. In den heute schon historischen Reformen des österreichischen Presserechts richtete sich der Freiheitsanspruch der Presse ausschließlich gegen die Träger der Staatsgewalt. Die Regierenden wiederum sahen in der Presse eine gegen sie gerichtete Waffe, die es möglichst zu entschärfen galt. Von diesem Ansatz her ergibt sich der vielzitierte Satz Friedrich Austerlitz'. Friedrich Austerlitz, dem wir die Gesetzwerdung des heute noch geltenden Pressegesetzes vom 7. April 1922 danken, schrieb im Jahr 1902: „Im Grunde genommen gibt es nur ein wirklich freiheitliches Preßgesetz: keines. Nur dort ist die Freiheit ganz und unver-kümmert, wo sie durch keine Schranke begrenzt, durch keine Grenze beschränkt ist.“

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Die Frage nach der Bedeutung der Pressegesetzgebung ist bei den Reformen des österreichischen Presserechts in seiner langen Geschichte immer wieder aufs neue gestellt worden. Ihre Beantwortung hängt vom Standort ab, den man im Verhältnis zur Funktion der publizistischen Medien in der Gesellschaft einnimmt. In den heute schon historischen Reformen des österreichischen Presserechts richtete sich der Freiheitsanspruch der Presse ausschließlich gegen die Träger der Staatsgewalt. Die Regierenden wiederum sahen in der Presse eine gegen sie gerichtete Waffe, die es möglichst zu entschärfen galt. Von diesem Ansatz her ergibt sich der vielzitierte Satz Friedrich Austerlitz'. Friedrich Austerlitz, dem wir die Gesetzwerdung des heute noch geltenden Pressegesetzes vom 7. April 1922 danken, schrieb im Jahr 1902: „Im Grunde genommen gibt es nur ein wirklich freiheitliches Preßgesetz: keines. Nur dort ist die Freiheit ganz und unver-kümmert, wo sie durch keine Schranke begrenzt, durch keine Grenze beschränkt ist.“

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Von einem solchen Ideal einer Pressegesetzgebung, das allerdings auch Austerlitz nie als realistisches durchsetzbares Ziel betrachtete, blieb auch das Pressegesetz vom 7. April 1922 weit entfernt, und gleiches wird auf das künftige Mediengesetz zutreffen. Dies nicht bloß deshalb, weil eine solche ideale Pressegesetzgebung eine Presse voraussetzt, die die ihr gewährte Freiheit niemals mißbraucht. Die Schranke ist viel grundsätzlicherer Natur. Die Pressefreiheit kann keine schrankenlose sein, wie auch der Informationsanspruch des einzelnen und der ^Allgemeinheit kein unbeschränkter sein kann: weil sie gegenüber dem Schutzbedürfnis des einzelnen Menschen keinen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen können. Beide Grundwerte unserer gesellschaftlichen Ordnung können nur zu einem Ausgleich gebracht werden unter Berücksichtigung ihrer Beziehung zu den Menschenrechten und zur Menschenwürde.

Nicht die schrankenlose Freiheit der Medien herzustellen, kann das Ziel der Pressegesetzgebung sein, sondern einen Ausgleich zu erzielen, der — wie es Oskar Pollak in der „Arbeiter Zeitung“ vom 9. März 1946 schrieb — „die volle demokratische Freiheit des gedruckten Wortes zu vereinen vermag mit dem Schutz der Öffentlichkeit und des einzelnen vor deren Mißbrauch“. Medienfreiheit und -Unfreiheit in der demokratischen Gesellschaft sind nicht absolute Größen, sondern Unterschiede des Grades. Diese sind allerdings von großer Bedeutung für das Funktionieren der demokratischen Einrichtungen, aber auch für das ganze geistige Klima in der Gesellschaft. Die Aufgabe des Presse- und Mediengesetzes in unserer Zeit ist es, für einen solchen Ausgleich zu sorgen und staatliche Beschränkungen im Bereich der publizistischen Medien zu beseitigen, die das Ausmaß dessen überschreiten, was nach unserer Grundrechtsordnung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Damit wird ein Presse- und Mediengesetz nicht nur den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention gerecht, sondern entspricht auch dem richtig verstandenen Geist der Medienfreiheit und den Erfordernissen ihrer praktischen Ausübung.

Friedrich Austerlitz schrieb in seinem bereits zitierten Werk über „Preßfreiheit und Preßrecht“ auch: „Ein Pressegesetz hat keinen anderen Zweck, als die Pressefreiheit einzuschränken.“ Bezogen auf das

Rechtsbewußtsein seiner Zeit, hatte er wohl recht. Auf die Aufgabe eines Mediengesetzes, wie wir sie heute sehen, trifft dies hingegen nicht mehr zu. Es mag eine Wertungsfrage sein, ob Bestimmungen über den Schutz des Redaktionsgeheimnisses und die Zulassung des Beweises der Erfüllung journalistischer Sorgfaltspflicht, wie sie der Mediengesetzentwurf vorsieht, noch als Schranken oder schon als freiheitsbegründend anzusehen sind. Schon bei der Bestandsgarantie für eine vielfältige und unabhängige Presse unter Anerkennung der öffentlichen Aufgabe ist der freiheitliche Charakter eindeutig.

Aber auch hier ist tiefer anzusetzen. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die die Reform des Presserechtes erforderlich machen, liegen nicht nur bei der Entwicklung der Kommunikationstechniken. Der

Schritt vom Presse- zum Medienrecht, so praktisch bedeutsam er ist, macht noch nicht das Gewicht der Gesamterneuerung dieses Rechtsbereiches aus. Geändert haben sich vor allem die Anschauungen in unserer Gesellschaft von den Aufgaben der Kommunikationsträger, ihrem Verhältnis zum einzelnen Menschen als dem Objekt des sehr verstärkten Informationsbedürfnisses. Man spricht von Meinungsäußerungsvielfalt und von den Gefahren einer Pressekonzentration. Vor allem auch aus den Reihen der im Pressewesen Tätigen wird der Ruf nach aktiver Pressepolitik des Staates laut, der die Aufgabe habe, die Vielfalt des Pressewesens und der Meinungsäußerung auch durch positive Maßnahmen zu sichern.

Die freie Gesellschaft kann nicht bestehen ohne ihr Lebenselement: Kontrolle durch öffentliche Meinung. In ihrem Interesse sind die Möglichkeiten des Sichinformierens und der Meinungsäußerung zu sichern und zu fördern. Je mehr Möglichkeiten der Meinungsäußerung und des Sichinformierens bestehen, desto wirksamer wird die gesellschaftliche Kontrollfunktion erfüllt. Presseförderung und verfassungsrechtlicher Programmauftrag für die Rundfunkunternehmen, der die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt gewährleisteji soll, sind Schritte in diese Richtung; und ebenso die gesetzliche Garantie des journalistischen Meinungsschutzes und die Regelung des Zustandekommens von Redaktionsstatuten im Mediengesetzentwurf.

Die Schaffung moderner Rechtsvorschriften im Bereich der modernen Massenmedien soll in gleicher Weise der Sicherung der Informationsfreiheit wie der Wahrung des Schutzes der persönlichen Sphäre des Menschen und Bürgers in der demokratischen' Gesellschaft dienen. In diesem Sinn baut der Entwurf für das Mediengesetz darauf auf, daß die freie journalistische Berufsausübung auf den Grundlagen der Respektierung der äußeren Medienfreiheit in der Gesellschaft und der inneren Medienfreiheit in den Medienunternehmen voll gesichert werde. Überlebte Rechtsvorschriften, die den freien Bürger eines freien “Gemeinwesens in seiner privaten Sphäre und in seinen Persönlichkeitsrechten bevormunden und beeinträchtigen, sollen ebenso beseitigt werden wie die in der Praxis überholten gesetzlichen Beschränkungen freier journalistischer Berichterstattung, soferne sie nicht in die Privatsphäre des Bürgers unzumutbar eingreifen.

Mit der Vorlage des Mediengesetzentwurfes ist der vorparlamentari-sche Willensbildungsprozeß abgeschlossen. Wir haben mit allen Beteiligten das Gespräch gesucht und in vielen Arbeitskreissitzungen und Besprechungen zu einer gemeinsamen Sprache gefunden. Wir stehen am Beginn einer Gesetzgebungsperiode und haben guten Grund, anzunehmen, daß diesmal die Gesetzwerdung des Presse- und Mediengesetzes der Zweiten Republik gelingen wird. Es werden sich dann im

Presse- und Medienwesen die Erfahrungen bestätigen, die wir mit dem neuen Strafgesetzbuch gemacht haben, dessen Grundgedanken in das allgemeine gesellschaftliche Bewußtsein integriert wurden. Die Gesetzgebung im sozialen Wandel ist eben immer beides: Endpunkt gesellschaftlicher Entwicklung und gleichzeitig Ausgangspunkt neuer gesellschaftlicher Entwicklung. Damit liegt die Bedeutung der Pressegesetzgebung unserer Zeit vor allem auch in ihrem Beitrag zum geistigen Klima und zur geistigen Atmosphäre in unserer Gesellschaft, nämlich, diese freier zu gestalten. Es soll eine Freiheit sein, die auf dem Verantwortungsbewußtsein und der Bereitschaft zur Selbstdisziplin und Selbstverantwortung der Bürger auch in dem für die moderne Gesellschaft so wichtigen Bereich des Medienrechts aufbaut.

Es soll ein Beitrag zu mehr Toleranz und Rücksichtnahme auf den Mitmenschen sein, ohne die die Demokratie nicht bestehen kann.

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