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Sparen - ein Weg zur Freiheit

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Unter Freiheit verstehen wir in physischer, in politischer und nicht zuletzt auch in wirtschaftlicher Beziehung die dem einzelnen eingeräumte Befugnis, sein Leben nach Gutdünken gestalten zu dürfen. Seit den Anfängen des organisierten Gemeinschaftslebens ist dieses Menschheitsideal naturgemäß nie uneingeschränkt verwirklicht. Die Interessen der Individuen sind ja recht gegensätzlich. Die Rücksichtnahme auf die Mitmenschen setzt also dem einzelnen Schranken. Wo und wie diese zu setzen sind, ist eine Frage der Gesellschaftsordnung. Theoretisch ist die persönliche Freizügigkeit um so mehr beschnitten, je totaler die Instanzen des Gemeinwesens ihre Ordnungsfunktion ausüben. Im Extrem kann die Freiheit praktisch überhaupt verlorengehen.

Wir dünken uns über Anfechtungen in Richtung des totalen Kommandostaates erhaben, weil wir doch selbstverständlich die Freiheit als unabdingbaren Ausdruck der huma- nitas betrachten. Diese lobenswerte Einstellung steht durchaus nicht immer in vollem Einklang mit der Wirklichkeit des eigenen Verhaltens. Wir neigen nämlich dazu, für unsere persönlichen Interessen ein Höchstmaß an Schutz und Garantie seitens des Gemeinwesens zu erhalten: ohne zu bedenken, daß dies, auf die Gesamtheit ausgedehnt, nur durch entsprechend einschneidende Eingriffe von oben her ermöglicht werden kann. Zumal zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit nach außen eine Zusammenfassung der Kräfte durch eine übergeordnete Autorität oft geradezu eine Notwendigkeit ist, bewegen wir uns, weit mehr als wir es wahrhaben wollen, in Richtung des Zentralverwaltüngsstaates.

Das kommt im wesentlichen daher, daß mit dem Vollzug der Sozialreform die Pflicht, für die Sicherung und für ein ausreichendes Niveau der wirtschaftlichen Lebensführung jedes einzelnen zu sorgen, in den Mittelpunkt der Staatsaufgaben überhaupt gerückt ist. Sozial- und Wirtschaftspolitik, voneinander über weite Strecken überhaupt nicht mehr zu trennen, beherrschen das politische Geschehen. Die staatliche Vorsorge geht manchmal so weit, daß der Entfaltung der eigenen Anstrengung der Impuls genommen wird. Denken wir nur an die Bestimmungen einerseits über die Frührente und anderseits über das Ruhen des Anspruches bei anderweitiger Arbeitstätigkeit.

Auch der Sozialstaat kann nicht aus nichts etwas hervorbringen. Er kann lediglich Substanz und Einkommen „umverteilen“, und zwar theoretisch bis zur vollen Nivellierung. Er kann das schon zur Selbstverständlichkeit gewordene Wunschbild eines ständig, ja möglichst stetig wachsenden Lebensstandards auch nur mit Hilfe der naturgegebenen Faktoren der Produktion, also nach Maßgabe von Arbeitskraft und Kapital, verwirklichen.

Daß Kapital nur durch Sparen entsteht, ist kein von den Sparkassen ersonnener Werbeslogan, sondern eine logische, man könnte auch sagen eine naturgesetzliche Gegebenheit. Sparen wiederum ist nichts anderes als eine Spielart der Einkommensverwendung, es ist Späterkonsum oder Anderskonsum. Seine volkswirtschaftliche Wirkung besteht darin, daß die Ersparnisse während des Konsumaufschubes vom Unternehmer direkt oder im Wege des Kapitalmarktes, also im wesentlichen des Kreditapparates, dem Erzeugungsvorgang zugeführt werden.

Inwieweit dies wirklich geschieht, hängt millionenfach von den einzelnen Konsumentscheidungen ab. Ein simples Beispiel davon: Es ist für den wirtschaftlichen Fortschritt nicht ein und dasselbe, ob der Ge genwert von acht Schilling in Form eines Viertel Weins durch die Kehle oder in Form einiger Kilowattstunden elektrischer Energie durch die Kraftzentrale einer Fabrik fließt. Natürlich dient beides unserer materiellen Bedarfsdeckung. Aber es dient ihr nicht mit demselben Stufenwert.

Dauerhafter Wohlstand drückt sich privat- und volkswirtschaftlich nicht in möglichst hohem Verbrauchsniveau, sondern nur in wachsender Vermögenssubstanz aus. Vermögen in Form von dauerhaften Gebrauchsgütem und wohl auch Geldreserven macht das in der Verfassung gewährleistete Recht des

Eigentums überhaupt erst sinnvoll. Es gibt Bewegungsmöglichkeit ohne ständiges Angewiesensein auf fremde Hilfe. Vermögen in privater Hand ist, und zwar sowohl für Produzenten als auch für Konsumenten, das Gegengewicht zur anderen Alternative einer zentral kommandierten Zuteilungswirtschaft. Sparen als die unausweichliche Voraussetzung für die Vermögensbildung ist daher der einzig zielführende Weg zu Unabhängigkeit und persönlicher Freiheit im Bereich der materiellen Existenz.

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