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Endlich neues Presserecht?

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Im Justizministerium wird derzeit intensiv an einer Neufassung des österreichischen Presserechts gearbeitet: Eine längst überfällige Materie, von der man jedoch schon jetzt annehmen kann, daß es bis zur parlamentarischen Endfertigung noch einige Zeit dauern wird.

Am 23. Juni 1966 faßte der Nationalrat eine Entschließung, wonach die Bundesregierung noch 1966 den Entwurf eines Gesetzes vorlegen solle. Im Herbst 1966 übersandte der neue Justizminister Dr. Klecatsky den „erreichten Stand der Presserechtsreform“ den Vertretern der im Pressewesen tätigen Berufe. Diese Zusammenstellung basierte praktisch auf der von Justizminister Dr. Broda eingereichten Regierungsvorlage, die im Nationalrat von einem Unterausschuß des Justizausschusses 1961 beraten wurde. Alle heißen Probleme, die 1961 nicht gelöst wurden, konnten aber auch 1966 nicht erledigt werden. Die Folge: Das noch immer geltende Bundesgesetz stammt aus dem Jahre 1922, und es ist auch in der Alleinregierung fraglich, ob der neue Anlauf von Prof. Klecatsky Erfolg haben wird.

Das Presserecht freilich sollte eine zeitgemäße Anpassung sowohl an den sozial-ökonomischen Standard darstellen als auch der technischen Vielfalt der modernen Massenmedien entsprechen. So stellt der Lehrbeauftragte am zeitungswissenschaftlichen Institut der Universität Wien, Mar- tinides, fest, daß im Zeitalter des Absolutismus das Presserecht praktisch polizeilichen Charakter hatte und daher das Presserecht zu den strafrechtlichen Nebengesetzen rutschte, Das Staatsgrundgesetz 1867 formulierte die Pressefreiheit als Recht auf freie Meinungsäußerung für jedermann. Diese Bestimmung allein ist für die konkrete Ordnung auf dem Feld der Massenmedien unbrauchbar, wiewohl England und die USA als klassische Länder der Demokratie kein eigenes Presserecht besitzen; sie begnügen sich mit der Sicherung der Pressefreiheit durch die Verfassung. In Österreich ist diese Lösung undenkbar. Darum ist es ein Wunsch geblieben, was der ehemalige Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“, Friedrich Austerlitz, forderte: „Das beste Pressegesetz ist kein Pressegesetz.“

Springender Punkt der sich entzündenden Diskussion ist die Frage nach der verfassungsmäßigen Verankerung der Pressefreiheit im Rahmen des Gesetzes. Der von Broda und später von Klecatsky ausgesandte Entwurf erhebt den § 1 des Pressegesetzes zur Verfassungsbestimmung. Aber das genügt den meisten Kritikern des Entwurfes nicht. Der Herausgeber des „Kurier" rügt, daß es nur eines Striches bedarf, um die Verfassungsbestimmung wieder, wie schon einmal, ihres vorrangigen Charakters zu entkleiden. Polsterer sagt: „Es darf den Zeitungen nicht übelgenommen werden, daß sie mit größter Skepsis diesen Fragenkomplex betrachten.“ Und Juristen wie der Ordinarius für Verfassungsrecht, Prof. Günther Winkler, fordern, die Presse als primäre und wesentliche demokratische Einrichtung anzuerkennen.

Auf der anderen Seite gibt es viele Skeptiker, die nicht recht glauben wollen, daß etwa die Boulevardpresse tatsächlich öffentliche Aufgaben erfüllt und geradezu zu einem öffentlichen Leitbild gestempelt werden soll. Wieweit die Kritik an der immer stärker werdenden Boulevardpresse geht, läßt sich auch aus der jüngsten Resolution prominen ter Kulturschaffender an den Presserat zu den Vorfällen vor dem Tod des Staatsoperndirektors Dr. Hilbert erkennen.

Dazu kommt, daß die Bestimmungen des Pressegesetzes nicht für Druckwerke gelten sollen, deren Erscheinungsort nicht im Inland liegt. Dazu meint Dr. Polsterer in einem Brief an Minister Dr. Klecatsky: „Dies ist völlig unverständlich, da beispielsweise deutsche Illustrierte in Österreich also viele Dinge tun könnten, die österreichischen Zeitungen verwehrt sind.“ Allerdings war es bisher auf Grund der bestehenden Rechtslage möglich, die sich durch extrem niederes Niveau auszeichnende „Neue-Revue“ mehrere Male in Österreich im Verkauf zu beschränken.

Man muß jedoch das neue Pressegesetz nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer sich ständig ändernden wirtschaftlichen Szenerie sehen. Das allgemeine Zeitungssterben, dessen auslösendes Moment in der Reduktion von Anzeigengeschäft und Leserschaft zu sehen ist, deckt die eigentlichen Gefahren der Pressefreiheit auf. Nur wer wirtschaftlich in der Lage ist, eine Zeitung zu halten, kann die im Gesetzentwurf als öffentliche Aufgaben formulierten Pflichten auf sich nehmen. Entspricht aber der Zeitungsmarkt in Österreich tatsächlich der demokratischen Wirklichkeit? Hat auch jede Bevölkerungsgruppe unseres Landes eine adäquate Repräsentanz am Pressemarkt? Und wer schützt die Leserschaft vor den Absprachen der Journalisten mehrerer, ja vielleicht aller Zeitungen? In ihrer Stellungnahme zur Aussendung des Justizministeriums hatte seinerzeit die Journalistengewerkschaft die gesetzliche Verankerung der freiwilligen Selbstkontrolle für zweckmäßig gehalten. Der Präsident der Journalistengewerkschaft, DDr. G. Nenning, meint, daß eine freiwillige Selbstkontrolle keine Einschränkung der Pressefreiheit dianstellt Anderseits sollte im Gesetz festgelegt werden, daß besonders Steuererleichterungen und sonstige Förderungsmaßnahmen der Presse zulässig sein sollten. Dazu Uniiv.-Prof. Dr. Marcic: „Der Staat ist verpflichtet, alles zu unternehmen, was die Pressefreiheit fördert und zum Gedeihen bringt.“

Die Abwanderung der werbungstreibenden Wirtschaft von den Inse- ratenspalten der Zeitungen zu Rundfunk und Fernsehen aber ist in keiner Weise vom Pressegesetz betroffen. Und wie man hört, soll auch der derzeit erarbeitete Entwurf des Justizministeriums Rundfunk und Fernsehen nicht berühren. Das Rundfunkgesetz 1966 überträgt dem Rundfunk wohl eine Reihe von Aufgaben, insbesondere die „objektive Information der Allgemeinheit... sowie die Wiedergabe von Stellungnahmen und sachlicher Kritik am öffentlichen ... Leben unter Berücksichtigung wichtiger Aussagen der öffentlichen Meinung“.

Aber Sanktionen bei Nichteinhaltung sind nicht vorgesehen (mit Ausnahme der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften) — und dem Rundfunk ist es unbenommen, als Monopolunternehmen theoretisch auch falsche Aussagen zu machen. Er kann heute in keiner Weise zur Wiedergabe eines Widerrufs, ja nicht einmal einer Berichtigung gezwungen werden. So tritt die Situation ein, daß sich etwa in der Sendung „Der Watschenmann“ die beliebte Praterfigur berichtigt und sich selbst eine Ohrfeige gibt, aber das nur freiwillig...

Anderseits genießt der Rundfunk auch keinen verfassungsgemäßen Schutz, wiewohl er immer mehr Aufgaben der Zeitungspresse übernimmt.

An eine Novellierung des Rundfunkgesetzes 1966 im Rahmen der bisherigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist nicht zu denken. Um so notwendiger erscheint es, daß Rundfunk und Fernsehen in ein neues Pressegesetz eingebaut werden und die beiden wichtigen Massenmedien nicht außerhalb der allgemeinen gültigen Rechtsnormen jener Institutionen stehen, denen man eine öffentliche Aufgabe in der modernen Demokratie zumißt. Die dabei auftretenden technischen Probleme müßten auch legistisch zu lösen sein.

Die Forderung nach einer Einbeziehung von Rundfunk und Fernsehen in das neue Pressegesetz wird auch von allen legitimen Vertretern der Presse gefordert. Der Zeitungsherausgeberverband verlangt insbesondere die Klärung der Verantwortlichkeit für Rundfunk- oder Fernsehsendungen sowie die Möglichkeit der Gegendarstellung. Die Journalistengewerkschaft wieder betont den Widerspruch zum Grundsatz der Rechtsgleichheit, wenn man Ordnungs- und Strafvorschriften der Presse auferlegt, von denen Rundfunk und Fernsehen frei sind.

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