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Mediengesetz auf umstrittener Kriechspur

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Möglichst noch heuer, spätestens aber nach einer halbjährigen Verhandlungsphase, soll nach Ansicht der Regierungspartei das neue Mediengesetz im Parlament beschlossen werden. Die parlamentarischen Beratungen sind schon angelaufen. Von einem Konsens ist man noch weit entfernt. Wie die Betroffenen in den Medien die Probleme sehen, darüberführte Elisabeth Horvath mit Franz Ivan, dem neuen Generalsekretär des Zeitungsherausgeberverbandes, und Günther Nenning, dem Präsidenten der Journalistengewerkschaft, ein Gespräch.

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Möglichst noch heuer, spätestens aber nach einer halbjährigen Verhandlungsphase, soll nach Ansicht der Regierungspartei das neue Mediengesetz im Parlament beschlossen werden. Die parlamentarischen Beratungen sind schon angelaufen. Von einem Konsens ist man noch weit entfernt. Wie die Betroffenen in den Medien die Probleme sehen, darüberführte Elisabeth Horvath mit Franz Ivan, dem neuen Generalsekretär des Zeitungsherausgeberverbandes, und Günther Nenning, dem Präsidenten der Journalistengewerkschaft, ein Gespräch.

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FURCHE: Im neuen Entwurf zum Mediengesetz ist die umstrittene „Politikerklausel“ des §14 (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches) entschärft worden. Sind Sie damit zufrieden?

IVAN: Unserer Auffassung nach muß endlich der Versuch unternommen werden, den Begriff „höchstpersönlicher Lebensbereich“ näher zu definieren. Geldbußen bis zu 100.000 Schilling scheinen uns doch etwas zu hoch angesetzt. Notabene, wo eine wiederholte Verhängung der Buße im Gesetz nicht ausgeschlossen ist. '

NENNING: Ich glaube, daß die neue Vorlage um ganze Ecken besser, glaube aber nicht, daß sie ausreichend ist. Wir haben in der Journalistengewerkschaft einen Text gebastelt und auch den ÖGB dahintergebracht. Was nicht leicht war.

Die gesamte Problematik der Intimsphäre ist in unserem Sinne ausgeräumt. In den Erläuterungen sind jedenfalls die wirtschaftlichen Verhältnisse aus geklammert. Übrig bleibt, daß wir mit den Strafsätzen noch nicht zufrieden sind und daß manche Formulierungen im jetzigen § 11 (ehemals § 14) noch verbesse rungswürdig scheinen. Wir hätten gerne, daß im Gesetz etwas steht, was unsere Kollegen verstehen, und daß es so formuliert ist, daß Richter uns keinen Streich spielen können.

FURCHE: Wo sehen Sie im Gesetz sozialistisch-ideologische Ansätze?

IVAN: Seitens der Verleger wird eine derartige Tendenz in allen Paragraphen und auch den Erläuternden Bemerkungen gesehen. Nicht eine Vielfalt von Zeitungen wird gewünscht, sondern Pluralismus in der einzelnen Zeitung. Im Sinne einer Medienfreiheit sollte es nach unserer Auffassung viele Zeitungen unterschiedlichster, allerdings deklarierter politischer Richtung geben. In vielen Paragraphen des Gesetzes scheint der Versuch zu stecken, das einzelne Zeitungsprodukt auch plu- riförm zu machen. Hier stellt sich überhaupt die gesamte Frage der journalistischen Freiheit: Will man tatsächlich, daß in jeder Zeitung un- terschiedlichst weltanschaulich orientierte Journalisten ihre Meinung sagen können, ohne vom Herausgeber und Verleger in ein Konzept eingebaut zu werden?

FURCHE: Eine Zwischenfrage: Warum sind Sie gegen den Pluralismus innerhalb eines Blattes, also gegen die innere Meinungsfreiheit?

IVAN: Ich glaube, daß man dem Konsumenten einen Dienst erweist, wenn das Gesamtprodukt klar definiert ist. Der Leser erwartet, daß er im Rahmen einer Linie informiert wird, Geschehnisse entsprechend kommentiert bekommt. Pluralismus in den Medien ist ein Reizwort. Ich hörte lieber Pluralismus der Medien, Medienvielfalt. Wir sehen ja an der ORF-Programmdiskussion, wie schwer es ist, Meinungsvielfalt in einem Medium zu erzeugen. Wenn man die innere Meinungsfreiheit weiter denkt, ist man ziemlich bald bei der einen Zeitung für Österreich. Darin sind dann alle Meinungen vertreten. Wie es nur eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt gibt, gäbe es dann auch lediglich eine öffentlich-rechtliche Zeitung.

NENNING: Ich sehe nichts Sozialistisches im Mediengesetz, weil der Entwurf von einer realistischen bis resignierenden Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeht. Vor Jahren schon sind wir ausgezogen, um gesetzliche Maßnahmen gegen die Konzentration der Presse zu erreichen. Bei allen - Schwarzen, Blauen und Roten - sind wir auf ein mildes Lächeln gestoßen, mit derhandfesten Begründung, der weltweite ökonomische Konzentrationsprozeß sei nicht aufzuhalten. Als zweitbeste Lösung ist uns eingefallen: Man muß wenigstens den Freiheitsraum der Medienmitarbeiter möglichst fixieren. Das ist der Ursprung der Idee der inneren Pressefreiheit. Das Entscheidende an diesem Gesetz ist der Versuch, die kritische Berichterstattung zu sichern. Nach dem Grundsatz: lieber zu viel Kritik als zu wenig. Bis zum Exzeß. Und der ist gelungen.

FURCHE: Schwächen ein Redaktionsstatut und die Bestimmungen zum journalistischen Gesinnungs- . schütz gleichzeitig die Herausgeber beziehungsweise Eigentümer?

IVAN: Wir sprechen uns vehement für den größtmöglichen Meinungsschutz innerhalb der Blattlinie aus. Seitens des Eigentümers muß man aber verlangen, daß er die Blattlinie vorgeben kann. Uber den Quasi- Zwang zum Redaktionsstatut könnten sich via Beschlüsse im Redaktionsausschuß einschneidende Konsequenzen für die Blattlinie ergeben. Wir begrüßen die Bestimmungen zum Schutz der journalistischen Tätigkeit, die dem Redakteur zu Recht große Rechte einräumt. Aber man darf nicht so tun, als ob die Zeitung die Summe der Meinungen der in der Zeitung Tätigen darstelle. Dahinter gibt es auch einen Eigentümer und Herausgeber!

FURCHE: Also doch eine Schwächung der Eigentümer und Herausgeber?

IVAN: Es könnte dadurch eine Schwächung dieser Funktionen entstehen. Ob diese gewollt ist oder nicht, ist Auslegungssache. Vor allem haben wir aber schwerste Bedenken aus Gründen der enormen Verbüro- kratisierung. Die ökonomische und rationelle Abwicklung im Entstehungsprozeß würde außerordentlich erschwert und behindert werden.

Ich habe den Eindruck, daß mancherorts vermutet wird, die Redakteure seien Hampelmänner der im Hintergrund agierenden nebulösen Zeitungsscheichs, die nur das schreiben dürfen, was der große Hintermann erlaubt und bezahlt. Das ist unserer Auffassung nach eine große Unterstellung, die in der Praxis einfach nicht zutrifft.

NENNING: Wenn der Herausgeber sich für obergescheit hält, daß er besser weiß als seine Journalisten, was im Blatt stehen soll, bringt der Entwurf für ihn eine Schwächung seiner Position. Nach dem Gesetz bestimmt der Herausgeber die Blattlinie. Zufällig - oder unglückseligerweise - ist er fast immer ident mit dem ökonomischen Betreiber des Unternehmens. Durch die innere Pressefreiheit wird ganz bestimmt der Einfluß des Herausgebers dann nicht geschwächt, wenn sich der Freiheitsraum der Journalisten innerhalb der Bandbreite der Blattlinie abspielt. Ich kann natürlich in der „Arbeiter-Zeitung“ nicht sagen, es lebe die Pressefreiheit, pfui, ich darf keinen Leitartikel schreiben, daß der Busek besser ist als der Kreisky.

FURCHE: Für jedes Bundesland wären besondere Mediengerichte zu installieren, Mediendelikte sollen durch Einzelrichter entschieden werden. Könnte sich hier das Justizministerium nicht neue Einflußquellen schaffen wollen?

IVAN: In Rechtsstreitigkeiten kann jeder Beteiligte nur über sachgerechte und sachkundige Gerichte froh sein. Insoweit wird man die Praxis verfolgen müssen. Ich will einmal annehmen, daß sachkundige und informierte Leute mit der Materie betraut werden. Ich sehe da keinen Fallstrick.

NENNING: Das ist uns überhaupt noch nicht aufgefallen. Die Presse wollte immer schon eine Gerichtsbarkeit mit möglichster Sachkunde von richterlicher Seite und Mitwirkung von Schöffen beziehungsweise Geschworenen auf demokratische Weise. Bis mir nicht jemand sagt, das und jenes ist zweifelhaft, nehme ich an, das ist harmlos.

FURCHE: Im Entwurf fehlen konkrete Aussagen zu den elektronischen Medien.

IVAN: Das stört uns ganz besonders. Denn die Entwicklung zeigt, daß man nicht mehr scharf trennen kann: hier Printmedien, hier elektronische Medien. Regelungen für Ka- belfemsehen, Bildschirmzeitung und Video scheinen bewußt ausgeklammert worden zu sein. Es kann nicht Sinn eines Gesetzes sein, später ein Gesetz zu schaffen, das den Istzustand im nachhinein beschreibt. Wir glauben, daß Aussagen über die Richtung der Entwicklung der neuen Medien angezogen sein müßten. Hier gibt es enorme Interessen kommerzieller, aber auch journalistischer Natur. Ich vermute, man scheut sich, offenzulegen, wie sich die derzeitige Regierungspartei die Besitz- und Verfügungsverhältnisse der zukünftigen elektronischen Medien vorstellt.

FURCHE: Sie meinen, daß das Ministerium bewußt diesen Fragenkomplex ausgeklammert hat?

IVAN: Die Tatsache, daß man nichts zum Kabelfernsehen sagt, kann ja nicht bedeuten, daß man das Problem nicht kennt. Es kann nur heißen, daß man offensichtlich via Gesetzesentwurf nicht sagen will, wie man sich das künftig vorstellt: Ob überhaupt die neuen Medien der Medienfreiheit unterliegen sollen oder ob man daran denkt, für das Kabelfernsehen ein öffentlich-rechtliches Verhältnis ä la ORF zu konstruieren. Die Problematik reduziert sich auf die lapidare Frage: Läßt man die erfahrenen Medienmacher der Printmedien auch in den Bereich der zukunftsorientierten elektronischen Medien oder will man sie nach wie vor draußen halten?

NENNING: Das ist eine schöne Forderung, sie aber konkret zu machen, ist wahnsinnig schwer. Wollte man ein Mediengesetz in voller Schönheit, müßte man es so entwerfen und jede Bestimmung darauf untersuchen, ob der Bezug auch zu den neuen elektronischen Medien gegeben ist.

FURCHE: Im Themenkatalog der Joumalistengewerkschaft zum Medienrecht wird die Einbeziehung aller Medien als Mindestvoraussetzung für eine Zustimmung gefordert.

NENNING: Im Grund ist es richtig, die anderen Medien miteinzubeziehen. Es ist deshalb nicht gelungen, weil das Mediengesetz auf der Kriechspur fährt und das Rundfunkgesetz auf der Überholspur.

FURCHE: Der Vorwurf von anderer Seite: Bewußtes Schweigen, damit die Regierungspartei nicht vorzeitig ihre diesbezüglichen Pläne publik machen muß.

NENNING: Was soll man da ins Gesetz schreiben? Es wäre sicher interessant und erwägenswert, daß theoretisch jeder Staatsbürger eine Radiostation betreiben kann. Wenn unser Verfassungsgerichtshof wie der bundesdeutsche wäre, der immer aufs Naturrecht rekurriert, müßte man sagen: Wenn Pluralismus als Verfassungsbestimmung verankert ist, so kann dies von heute bis ins Jahr 2500 kaum etwas anderės bedeuten als ein Nebeneinander von möglichst vielen Medien.

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