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Novelle vor Totalreform

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Der Bundesminister für Justiz, Christian Broda, befindet sich auf dem Weg der Besserung. Der Beginn der Detailberatungen über ein neues Medienrecht im Justizausschuß des Nationalrates wurde mit Rücksicht auf die Erkrankung des Ministers jedoch bis Anfang November verschoben. Der ursprüngliche Zeitplan, das neue Medienrecht bereits mit 1. Jänner 1979 in Kraft zu setzen, kann sicher nicht mehr eingehalten werden. Fraglich ist überhaupt, ob dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann, und das nicht nur aus Termingründen.

Es ist hier sicher nicht möglich, im Detail den gesamten Entwurf zu behandeln, es sei nur darauf verwiesen, daß einige Bestimmungen zweifellos positiv zu wertende Neuerungen darstellen, die vor allem von der journalistischen Praxis her seit langem gefordert werden. Andererseits enthält der Entwurf noch so viel Unausgego-renes und Umstrittenes, daß eine Verabschiedung in dieser Form nicht wünschenswert ist.

Da stellt sich zunächst einmal die Frage, ob der vorliegende Entwurf zu Recht „neues Medienrecht“ heißt. Seit 1975 haben vor allem die elektronischen Medien eine rasante Entwicklung durchgemacht, die im Entwurf nicht berücksicht ist. Als Hauptpunkt sei hier nur die Entwicklung auf dem Kabelsektor genannt, zu der der Wiener Bürgermeister Leopold Gratz anläßlich der Inbe-

„Gratz hat nicht mehr und nicht weniger getan, als die bisher von SPÖ-Seite verfoch-tene Monopolstellung des ORF in Frage zu stellen.“

triebnahme der ersten Wiener Anschlüsse an das geplante Kabelnetz einen bemerkenswerten Beitrag geleistet hat.

Gratz hat nicht mehr und nicht weniger getan, als die bisher von SPÖ-Seite verfochtene Monopolstellung des ORF in Frage zu stellen, indem er darauf verwies, daß die nun nach Wien eingespielten deutschen Fernsehprogramme nicht denselben Auflagen unterliegen wie der ORF und man wohl daher fragen müsse, ob man dem österreichischen elektronischen Medium weiterhin solche Auflagen (wie Ausgewogenheit usw.) geben dürfe.

Damit ist ein wesentlicher neuer Anstoß zur Diskussion um inhaltliche Regelungen für Kabelfernsehen gegeben worden, die wohl am besten im Zusammenhang mit einem neuen Medienrecht zu regeln sein werden.

Aber auch bei jenen Fragen, die vor drei Jahren bereits heftig in Diskussion waren, ist ein allgemein akzeptabler Konsens nicht erzielt worden. Der Entwurf spiegelt allerdings in einem Bereich gleichsam als Momentaufnahme den Stand der Auseinandersetzung wider, die um die Fragenkreise „Freiheit der journalistischen Berufsausübung“ und „Redaktionsstatuten“ geführt wurde. Es ist verständlich, daß die Journalistengewerkschaft die Erweiterung des Freiheitsraumes des einzelnen Journalisten auf ihre Fahnen geschrieben hat. Es ging dabei einerseits um die Möglichkeit des Journalisten, die Mitarbeit verweigern zu können, wenn die Behandlung eines Themas seiner Uberzeugung widerspricht, andererseits um eine Bindung des Verlages an neuzuschaffende Redaktionsräte, etwa in Personal- und Linienfragen.

Bei der jetzt vorliegenden Formulierung, die die Züge eines Kompromisses* trägt, fragen sich manche Herausgeber, ob Bestimmungen dieser Art nicht eine erhebliche Erschwerung des redaktionellen Ablaufes mit sich bringen und andererseits den einzelnen Journalisten Rechte einräumen, die im Konflikt-

fall eine konzentrierte Blattführung unmöglich machen können.

Gerade in den letzten Wochen ist allerdings eine andere Bestimmung des Entwurfes noch viel mehr ins Schußfeld der Kritik geraten, nämlich der Fragenkreis des Schutzes des höchstpersönlichen Lebensbereiches. Es liegt in der Natur der Sache, daß dem Bestreben des Journalisten, Neuigkeiten zu bringen und Hintergründe aufzudecken, das Bestreben betroffener Einzelpersonen gegenübersteht, für sie unangenehme Umstände geheimzuhalten. Der Mediengesetzentwurf stellt sich auf den Standpunkt eines extremen Persönlichkeitsschutzes und schränkt im Zweifel das Informationsrecht des Mediums ein:

„Wird in einem Medienwerk ... ohne Zustimmung des Betroffenen entweder dessen Privatoder Familienleben in einer Weise behandelt, die geeignet ist, dessen Ansehen zu mindern, oder eine Tatsache dieses Bereiches offenbart, die der Betroffene gegenüber Personen außerhalb seines engeren Lebensbereiches geheimhält und die auch üblicherweise die davon betroffenen Personen nicht bekannt gemacht wissen wollen, so hat der Betroffene... einen Anspruch auf eine Geldbuße bis zu S 100.000,-“

Und weiter: „Ein Anspruch besteht nicht, wenn ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Mit-teüung... besteht, es sei denn, daß die Veröffentlichung das Privat- oder Familienleben betrifft.“

Es wird sofort deutlich, daß solche Bestimmungen angesichts der Diskussion am Grundstücksskandale, Politikereinkommen und Vermögensverhältnisse von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, eine hohe Aktualität haben, ja als ein Maulkorb für die Presse empfunden werden müssen. Hier soll sicher nicht einer Boulevardisierung oder Kriminalisierung des Journalismus das Wort geredet werden.

Aber die Gefahr ist doch sehr groß, daß bei Bestehen solcher Bestimmungen die wichtige Kontrollfunktion der Medien einfach im Strafweg abgewürgt werden kann. Dies beweist auch die sehr heftige Reaktion der Journalistengewerkschaft, die sich erst in einer vor wenigen Tagen

„Eine neuerliche Absetzung des Themas zur Gänze wäre nicht wünschenswert.“

abgegebenen Erklärung für eine Neufassung dieser Bestimmungen eingesetzt hat.

Stellt man nun die Tatsache der erfreulichen Neuerungen im vorliegenden Entwurf der anderen Tatsache gegenüber, daß doch einige wesentliche Punkte sehr umstritten sind, so erhebt sich die Frage, wie es mit diesem Gesetz weitergehen soll. Eine neuerliche Absetzung des Themas zur Gänze wäre nicht wünschenswert Zu vieles im praktischen journalistischen Leben bedarf der Neuregelung. Ein Durchpeitschen der oben beschriebenen sehr umstrittenen Fragen bzw. der Beschluß über einen Torso im Bereich der neuen Medien ist aber auch nicht gut und wird vom Ministerium, so wird beteuert, auch nicht angestrebt.

So bietet sich wohl nur ein vernünftiger Weg an: Herauslösung jener Bestimmungen, die unumstritten sind oder bloß redaktioneller Bearbeitung bedürfen, und Beschlußfassung hierüber in Form einer Novelle zum Pressegesetz. Weitere Beratung mit den betroffenen Gruppierungen über jene Punkte, die noch nicht geklärt sind, sollen die Vorlage eines dann wirklich neuen und umfassenden Medienrechtes zu einem späteren Zeitpunkt in der nächsten Legislaturperiode ermöglichen.

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