Mit Augen von außen

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"Verhängnisvolle Entwicklung": So charakterisiert Engelbert Washietl, Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus", das Fehlen eines Presserates in Österreich (S. 22). Doch wie funktioniert Selbstkontrolle der Medien anderswo in Europa? (S. 23, 24) Hierzulande sind die Fronten, die nach dem Ende des Presserates vor mehr als zwei Jahren entstanden sind, jedenfalls noch nicht aufgeweicht (S. 22, 23). Weiters: Bei elektronischen Medien hat sich die Werbung zum Streit- und Kontrollfall entwickelt (S. 24). Redaktion: Otto Friedrich Ja, auch Medien brauchen Kontrolle: Diese Feststellung mag lapidar klingen. Ihre Verwirklichung ist dennoch alles andere als leicht zu bewerkstelligen.

Medien sind die "vierte Gewalt" im Staate: So charakterisieren sie manche Theoretiker. Und ebenso gern sehen sich viele Medienschaffende selbst. Das heißt, das alte gesellschaftstragende Wechselspiel von Legislative, Exekutive und Rechtsprechung reicht heutzutage längst nicht mehr aus: Medien als informierendes wie aufdeckendes Geschäft öffentlicher Kommunikation sind unerlässlich fürs Funktionieren moderner Gesellschaften.

Gleichzeitig stellen die Medien in der gegenwärtigen ("Medien"-) Gesellschaft selbst einen Machtfaktor, einen entscheidenden Player dar - das heißt, Medien müssen ein Schlagwort, das sie sich gern auf die Fahnen heften, dass nämlich Macht Kontrolle braucht, auch auf sich selbst anwenden: Ja, auch Medien brauchen Kontrolle.

Diese Feststellung mag lapidar klingen, ihre Verwirklichung ist dennoch alles andere als leicht zu bewerkstelligen.

Natürlich haben demokratische Gesellschaften, in denen die Pressefreiheit ein verbrieftes Recht darstellt, Spielregeln entwickelt, denen auch die Medien unterliegen: Medien stehen nicht außerhalb der Gesetze, und es wird immer Diskussionen darüber geben, wo die Grenzen der Freiheit der Medien liegen. Dieser Tage war etwa von einem Mediengesetz-Entwurf des heimischen Justizministeriums zu lesen, in dem die Entschädigungssätze für Verletzungen der Privatsphäre durch Medien empfindlich angehoben werden: Beispielsweise soll bei Verleumdung, so der Entwurf, die Maximalentschädigung 50.000 Euro (bislang: 36.337 Euro) betragen.

Andererseits können die Medien durch staatliche oder gesetzliche Kontrolle nur in Teilbereichen erfasst werden - jedenfalls dann, wenn sie weiterhin "freie" Medien sein wollen: Die Diskussion - nicht nur in den USA - über Einschränkungen der Pressefreiheit im Gefolge des 11. September 2001 zeigte deutlich, dass unter dem Titel "nationales Interesse" oder "Krieg' gegen den Terror" die gesellschaftliche Grundfunktion von Medien eingeschränkt und gefährdet wird.

Hier angedeutete Beispiele zeigen, dass eine adäquate Kontrolle der Medien alles andere als einfach ist. Ein (bewährtes) Modell in diesem Zusammenhang ist die freiwillige Selbstkontrolle - etwa durch Presseräte für die Printmedien, die in vielen Ländern über journalistische Mindeststandards wachen.

Was aber, wenn - wie in Österreich - ein solches Selbstkontrollorgan nicht mehr existiert? Hierzulande gibt es zwar einen "Ehrenkodex für die österreichische Presse", der genannte journalistische Mindeststandards definiert (etwa das Bekenntnis "zu einem der Wahrheitsfindung und Korrektheit verpflichteten Gebrauch der Pressefreiheit"), aber zur Zeit existiert keine Instanz, die die Einhaltung dieser Standards auch überprüft.

Gesetze allein bringen also in Bezug auf die Kontrolle der Medien keine umfassenden Lösungen. Aber das bloße Hoffen auf die Selbsteinsicht der Branche in freiwillige Kontrolle bleibt - siehe Österreich - ebenfalls unbefriedigend, auch wenn solche Selbstkontrolle - wieder im Sinn der Freiheit und Unabhängigkeit - ureigenstes Interesse der Medien sein müsste.

Das eine tun und das andere nicht lassen: Über staatlich-gesetzliche Rahmenbedingungen ließe sich sehr wohl manches auch an (Selbst-)Kontrollmechanismen befördern. Denn zusätzlich steht die globale Ökonomisierung des Mediensektors - Information ist eine gewinnbringende Ware - dem Anliegen entgegen. Anders gesagt: Klare Spielregeln, die etwa eine Medienkonzentration hintanhalten, fördern auch die Kontrolle. Je mehr Medien miteinander und mit großen wirtschaftlichen Playern verflochten sind, desto weniger kritische Distanz ist von diesen Medien zu erwarten.

Noch ein Satz aus dem Ehrenkodex für die österreichische Presse: "Wirtschaftliche Interessen des Verlages dürfen redaktionelle Inhalte nicht in einer Weise beeinflussen, die Fehlinformationen oder Unterdrückung wesentlicher Informationen zur Folge haben könnte." Um das zu erreichen, sind eben Spielregeln, die Medienvielfalt garantieren, nötig: Diese Vielfalt ist Voraussetzung für die Kontrolle.

Schließlich haben die Medienkonsumenten eine nicht gering zu schätzende Kontrollmacht. Dabei ist nicht das Schielen nach den Quoten, die im heutigen Medienalltag oft genug bestimmend sind, gemeint. Sondern Kontrolle der Medien heißt hier, den Leser/Hörer/Zuschauer/Surfer mit in die Pflicht zu nehmen. Anders gesagt: Wer etwa seine Informationen nicht aus mehreren Quellen, von unterschiedlichen Medien bezieht, diese vergleicht und kritisch prüft, der vernachlässigt diesen "Kontrollauftrag" - und entzieht sich somit seiner Staats- und Weltbürgerpflicht. Aber wie soll der Konsument dagegen ankommen, dass Information weltweit über wenige Global Players unter den Medien läuft, das also die "Welt"-Informationen oft aus den Quellen ganz weniger globaler Agenturen stammen? Diese Tatsachen gilt es bewusst zu machen: Auch das wäre ein Schritt zu solch "Medienmündigkeit" im skizzierten Sinn.

Pure Utopie? Vielleicht. Medien wären dennoch gut beraten, ihr Publikum zu genau diesen Haltungen zu animieren: Neben staatlich-gesetzlicher Kontrolle und Selbstkontrolle hieße das für jedes Medium, die eigenen Konsumenten zu kritischer Distanz zu ermuntern - und sich auf diese Weise der Kontrolle durch Augen von außen zu stellen.

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