Qualitätssuche im Netz

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Online-Journalismus: Das Internet ist eine enorme Herausforderung für die Ethik.

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Online-Journalismus: Das Internet ist eine enorme Herausforderung für die Ethik.

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Es steht im Internet, also stimmt es.".Diese Meinung ist nicht nur bei Internet-Kids verbreitet. Sie wird auch von so manchem Web-Mitarbeiter vertreten, der sich zwar offiziell Journalist nennt, in Wirklichkeit aber längst Marketing-Profi ist.

Das Internet hat eigene Gesetze: Der ahnungslose Nutzer stolpert auf seinem Weg durchs Web durch einen Dschungel von Informationen, deren Aussender er nicht kennt. Seriöse und unseriöse Anbieter verbreiten Seite an Seite ihre Meldungen, neue Börsendienste und Provider schießen wie Pilze aus dem Boden und machen tradierten Medienhäusern kräftig Konkurrenz. Wo der redaktionell bearbeitete Beitrag aufhört und der bezahlte Werbeartikel einer Firma beginnt, ist für einen Laien kaum überprüfbar.

Dieser Mangel an Qualitätssicherung im Online-Journalismus hat 100 Jungjournalisten aus elf Nationen zu einem Appell bewogen, der den Abschluss der VII. Wachauer Journalistentage Anfang Juni in Dürnstein bildete: "Die VII. Wachauer Journalistentage treten für die Etablierung einer freiwilligen Selbstkontrolle redaktioneller Inhalte im Internet ein."

Andreas Aichinger, Mitarbeiter im Branchenmagazin "Der österreichische Journalist", hat die Entstehung dieser "Erklärung von Dürnstein" begleitet. Er versteht die vorgeschlagene Selbstverpflichtung als Denkanstoß, der Qualität im Internet sichern soll - analog dem "Ehrenkodex für die österreichische Presse" in den Printmedien. In diesem Kodex unterwerfen sich Journalisten einer ständigen freiwilligen Selbstkontrolle, die Grundsätze wie beispielsweise Genauigkeit, unabhängige Berichterstattung und Persönlichkeitsschutz umfasst. Sie sind bereit, die Einhaltung des Ehrenkodex vom Österreichischen Presserat überprüfen zu lassen und seine Erkenntnisse zu veröffentlichen - auch wenn sie sich gegen das eigene Medium richtet.

Ein solches Selbstkontrollorgan gibt es im Online-Journalismus bisher nicht. Daher fehlten auch Qualitätsstandards, beklagt Aichinger. "Da wird abgeschrieben und nicht recherchiert. Fakes (Fälschungen) sind kaum nachweisbar, weil sie so schnell wieder ausgebessert werden können." Selbstkontrolle auf freiwilliger Basis könnte laut der Dürnsteiner Erklärung ein Markenzeichen sein, das einerseits dem Internet-Benutzer zugute kommt: Er kann sich auf die Information verlassen. Doch auch die andere Seite profitiert, denn der seriöse Anbieter hat einen Wettbewerbsvorteil.

Welcher Instanz sich die Online-Redaktionen freiwillig unterstellen - das ist laut Aichinger allerdings noch unklar. "Es könnte der Presserat sein oder eine Medienbehörde, vielleicht auch ein ganz neues Gremium." Doch eines ist für ihn sicher: "Der Stellenwert des Online-Journalismus muss sich ändern. Solange Online-Redaktionen immer nur als Unterabteilung eines Printmediums betrachtet werden, ist Qualitätssicherung schwierig."

Eine wesentliche Voraussetzung für die Aufwertung des Online-Journalismus ist eine verstärkte Ausbildung für Online-Journalisten - darauf machen die Unterzeichner der Dürnsteiner Erklärung aufmerksam. Sie treten dafür ein, traditionelle journalistische Tugenden wie beispielsweise sorgfältige Recherche und Ausgewogenheit beizubehalten - entgegen allen Tendenzen, bloße Inhalte zu produzieren.

Doch die Suche nach journalistischen Tugenden, die auch den neuen Medien gerecht werden, ist mühsam. Das zeigte sich bei einer Veranstaltung im Wiener Presseclub Concordia, bei dem zwei Web-Experten miteinander über das Thema "Neue Medien und alte Ethik" diskutierten.

Der Journalist Andreas Kaltenbrunner glaubt an einen "Professionalisierungsschub" wie er in der Vergangenheit auch bei den audiovisuellen Medien eingetreten sei: "Der Markt setzt eine gewisse Ethik durch, weil Qualität gefragt ist." Auch nach Meinung des Medienwissenschaftlers Klaus Meier von der katholischen Universität Eichstätt bleibe die Ethik in ihren Grundpfeilern erhalten. Doch die Verantwortung werde immer mehr auf den Nutzer abgeschoben. "Zwar sind tatsächlich mehr Mündigkeit und Medienkompetenz des Konsumenten gefragt. Gleichzeitig sind Kontrollmechanismen aber unumgänglich."

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