Die Pressefreiheit beginnt im Kopf

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Selbstzweifel oder deren kleinere Schwester, die Selbstreflexion, gehört nicht zu den ausgeprägten Formen journalistischer Darstellung. Zugegeben, es ist auch nicht ganz einfach, zwischen der Larmoyanz über die herrschenden Verhältnisse und einer Nabelschau das richtige Maß zu finden.

Aber wenn die Medienbranche alljährlich rund um den 3. Mai, dem internationalen Tag der Pressefreiheit, den Fokus auf den Zustand dieses Menschenrechts weltweit richtet (bekanntlich liegt der ziemlich im Argen), ist auch die Lage hierorts unter die Lupe zu nehmen.

Dabei fällt auf, dass zurzeit das eine oder andere Leitmedium in Deutschland sich um die Pressefreiheit in der eigenen Gesellschaft sorgt. Die Zeit etwa widmete etwa vor zwei Wochen ihr Magazin dem Thema "Was wir Journalisten anrichten“ und ging dabei unter anderem der Frage nach, warum kaum ein Journalist die Finanzkrise kommen sah.

Und die Berliner tageszeitung publizierte Anfang April unter dem Titel "Ich kauf mir eine Zeitung“ eine brisante Undercover-Recherche: Der Reporter des Blattes gab sich als PR-Berater aus und wurde bei den Anzeigenabteilungen renommierter Blätter vorstellig, um redaktionelle Inhalte, oft getarnt als "redaktionelles Umfeld“, also eine freundliche Berichterstattung rund um bezahlte Anzeigen, zu kaufen. Der Undercover-Mann fand jedenfalls selbst an der Spitze der hehren Publizistik in Deutschland zumindest Grenzüberschreitungen in Richtung Käuflichkeit.

Die Abhängigkeit der Journalisten

Jakob Augstein, Verleger der linksliberalen Wochenschrift der Freitag, meinte vor einiger Zeit in einem Kommentar gar, wer sich heute um die Unabhängigkeit der Presse sorge, müsse sich vor allem mit der Abhängigkeit der Journalisten befassen, "und zwar mit der selbst gewählten“. Es sei gefährlich, wenn sich die Mächtigen und die Medien zu nahe kommen, lautet Augsteins Resümee: "So war das mit dem Journalismus nicht gedacht.“

Auch wenn in Österreich Undercover-Recherchen wie die oben beschriebene nicht bekannt sind, so darf wohl geschlossen werden, dass sich die deutsche Diskussion taxfrei auch auf die heimischen Verhältnisse übertragen lässt.

Wahrscheinlich treten bei näherem Hinschauen die Fragen sogar schärfer zutage, denn in Österreich ist das korporatistische System (Stichwort "Sozialpartnerschaft“) ja noch längst intakt, und das schafft Berührungspunkte und Begehrlichkeiten. Auch die Abhängigkeiten von Politik und Medien (eine durchaus wechselseitige Sache!) bleiben vom ORF bis zur Kronen Zeitung evident. Und die Qualitätsmedien im Lande sollten sich von dieser Debatte aber keinesfalls ausnehmen.

Hierzulande dauerte es beinah zehn Jahre, bis wieder eine freiwillige Selbstkontrolle der Medien in Gang kam: Der seit wenigen Monaten amtierende neue Presserat ist ein Fortschritt (und man sollte dies auch als solchen benennen). Aber das enthebt die Branche abseits von groben Regelverletzungen nicht der Selbstreflexion: Die Pressefreiheit beginnt im Kopf des Journalisten, im Bewusstsein auch seiner Abhängigkeiten und der Entwicklung von Strategien, diese möglichst minimal zu halten.

Das Bewusstsein der Konsumenten

Dieser Anspruch ist einzufordern - und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass das Bewusstsein um die Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft wie ein kommunizierendes Gefäß auch ein Bewusstsein aufseiten der Medienkonsumenten benötigt: Information, Aufdeckung und Kontrolle durch die Medien sind ein kostbares Gut, das eine Gesellschaft um ihrer selbst willen sicherstellen und fördern sollte. Funktionierende Medien sind aufwendig, Recherche ist nicht gratis zu haben und Kontrolle kann nur funktionieren, wenn genügend Ressourcen dafür bereitstehen: Doch gerade an diesen Voraussetzungen mangelt es mehr und mehr.

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