Zerstörtes Haus - © Foto: Pixabay / Johannes Wünsch

Pflänzchen Hoffnung

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Auch wenn Krieg herrscht: Solange es Medien gibt, die unabhängig und alternativ zu informieren versuchen, ist die Friedenshoffnung nicht ganz umsonst.

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Auch wenn Krieg herrscht: Solange es Medien gibt, die unabhängig und alternativ zu informieren versuchen, ist die Friedenshoffnung nicht ganz umsonst.

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Das vergangene Wochenende brachte im Jugoslawienkrieg ein weiteres Ziel der NATO-Angriffe ins Rampenlicht: Die Bomben der Allianz zerstörten Sendeanlagen im ganzen Land sowie in Belgrad das Gebäude des staatlichen Fernsehens. Aidan White, Generalsekretär der Internationalen Journalisten Föderation IJF, der größten Journalistenorganisation der Welt mit mehr als 450.000 Mitgliedern, protestierte: Auch Hunderte Medienleute, die in Gegnerschaft zur medialen Manipulation des Regimes stünden, würden durch das Bombardement gefährdet. "Töten von Journalisten und Medienschaffenden gewinnt weder Kriege noch baut es die Demokratie auf. Es stärkt hingegen Unwissenheit, Zensur und Angst", so White.

Die IJF hatte zuvor schon engagiert gegen alle Versuche des Milosevi'c-Regimes, unliebsame Medien einzuschüchtern, Stellung bezogen: etwa gegen die Schließung des unabhängigen Belgrader Radios B92, das ab 24. März nicht mehr senden durfte, und dessen Internet-und Satellitenzugänge in den ersten Apriltagen von staatlichen Stellen ebenfalls unterbunden wurden. Auch die Ermordung des Chefredakteurs der (seit Oktober 1998 verbotenen) unabhängigen Tageszeitung "Devni Telegraf", Slavko Kuruvija, am 11. April wertete die IJF als alarmierendes Zeichen, wie gefährdet Journalisten in Jugoslawien sind, die eine nicht vom Regime abhängige Sicht zu vermitteln suchen.

Ob die jüngsten NATO-Strategien, Milosevi'c auch durch Zerstörung seiner Medien zu schwächen, oder ob die Proteste der Internationalen Journalisten Föderation, man solle doch die Situation der Journalisten in Jugoslawien nicht noch verschlimmern, Sinn machen: Klar ist, daß die Medien sowohl Teil als auch Ziel des Krieges am Balkan sind.

Information - gemeint: unabhängige - ist ein hohes und gefährdetes Gut. Neben allem anderen, was über Serbien, Kosovo und den Krieg zu sagen ist, bleibt auch das Menschenrecht auf Information auf der Strecke. Für Europäer ist der diesjährige 3. Mai, der Internationale Tag der Pressefreiheit, mit den Bildern des zerbombten Milosevi'c-Fernsehens und deren brutaler Ambivalenz vor Augen, daher alles andere als ein Friedenstag.

Solcher ist der 3. Mai für Menschen anderer Weltgegenden schon gar nicht, denn in mindestens 119 Ländern, so eine Zählung des "Weltverbandes der Zeitungen", ist die Unterdrückung von Medien mehr oder weniger an der Tagesordnung. Für das Jahr 1998 ermittelte das in Wien ansässige International Press Institute weltweit 31 Morde an Journalisten plus 19 ungeklärte Todesfälle in ähnlichem Zusammenhang. 1999, das kann angesichts der Berichte vom Balkan wohl prognostiziert werden, dürften diese Zahlen - vermutlich: stark - steigen.

Medien, die jedenfalls nicht von den Interessen der Herrschenden abhängen, beziehungsweise Wahlmöglichkeiten zwischen Medien verschiedener Richtungen gehören zu den Grundlagen einer freien Gesellschaft. Diese Freiheit ist stark bedroht, zeigen die Fälle und Zahlen aus aller Welt auf.

In Europa, das unversehens, aber auf vielerlei Weise in den Krieg am Balkan verstrickt ist, spitzt sich gerade im Krieg in Jugoslawien nicht nur die Forderung nach Pressefreiheit zu, sondern die damit untrennbar verbundene Frage , welchen Informationen zu trauen ist: Denn nicht nur Slobodan Milosevi'c, sondern auch die NATO verfolgt in dieser Auseinandersetzung das Ziel, das eigene Interesse und die eigene Sicht der Wirklichkeit zu vermitteln und Medien zu instrumentalisieren. In diesem Sinn ist das Recht auf Information nicht für die Betroffenen in Serbien oder im Kosovo mit aller Kraft zu unterstützen; das gleiche Recht ist so auch hierzulande immer in Gefahr - wenn auch in ungleich geringerem Ausmaß.

Trotz aller Widrigkeiten geht es im Falle Jugoslawiens somit auch darum, alle Anstrengungen um nicht gelenkte Information zu unterstützen.

Das, was vom Belgrader Radio B92 übrig ist, kann zur Zeit über eine niederländische Internet-Adresse aufgesucht werden. Daneben liefert - über eine in Paris betreute Homepage - ein unabhängiges Mediennetzwerk im ehemaligen Jugoslawien ("Alternativna Informativna Mrezna" AIM) bis heute Informationen, wobei die Berichte aus Belgrad zur Zeit vom Redaktionsbüro in Podgorica, der Hauptstadt Montenegros, verschickt werden - vermutlich noch solange, als sich die Milosevi'c-Gegner dort an der Regierung halten können.

Zumindest diese beiden Beispiele zeigen, daß "freie" Journalisten nach wie vor versuchen, unter kaum vorstellbaren Bedingungen weiterzutun: Der 3. Mai 1999 ist so kein leeres Datum, sondern ein Tag der Solidarität mit diesen Kämpfern um Medienfreiheit.

Obige Beispiele zeigen auch, daß die technische Revolution hier Fortschritt bringt: Die Globalisierung der (Tele-)Kommunikation ist auch ein Instrument gegen Diktatoren wie Milosevi'c: Alternative Information kann kaum unterbunden werden, das Internet kann vom Ausland her bedient werden. Und auch der Himmel über dem Balkan läßt sich schwer stören, wenn etwa der ORF - wie seit kurzem - durch sein "Radio Nachbar in Not" auf Mittel- und Kurzwelle für Serben und Albaner Nachrichten mit hierzulande üblichem Standard anbietet.

Pressefreiheit, das wird gerade am Balkan sichtbar, ist kein "westlicher" Luxus. Im Gegenteil: Alternative Information und Kommunikation gehören zu jenen Pflänzchen, welche inmitten einer verfahrenen Situation die Friedenshoffnung nicht ganz umsonst erscheinen lassen.

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