Käfig S2 - © Illustration: iStock/Stefan_Alfonso (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

175 Jahre Pressefreiheit: Im Käfig globaler Kommunikation

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Medienfreiheit meint heute – anders als 1848 – nicht bloß Abwesenheit von staatlicher Zensur. Es geht vielmehr darum, die Diskursräume offen zu halten und die dafür nötige Information bereitzustellen. Ein Essay.

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Medienfreiheit meint heute – anders als 1848 – nicht bloß Abwesenheit von staatlicher Zensur. Es geht vielmehr darum, die Diskursräume offen zu halten und die dafür nötige Information bereitzustellen. Ein Essay.

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Der Erfolg war kurz und dennoch nachhaltig: Mit der Märzrevolution 1848 begann auch in Österreich die Geschichte der Pressefreiheit: Die Abschaffung der „Censur“ war eine der zentralen Forderungen der Revolutionäre vor 175 Jahren gewesen – und sie wurde von Kaiser Ferdinand I. auch aufgehoben. Allerdings kassierte sie sein junger Nachfolger Franz Joseph I. 1849/51 gleich wieder ein.

Nach mehreren Anläufen gelang im Staatsgrundgesetz von 1867 die Verankerung der Pressefreiheit, die jedoch insbesondere in Krisenzeiten durch staatliche Maßnahmen wieder eingeschränkt werden konnte. Mit der Gründung der Ersten Republik beschloss die Nationalversammlung vom am 30. Oktober 1918: „Jede Zensur […] ist als dem Grundrecht der Staatsbürger widersprechend als rechtsungültig aufgehoben.“

Pressefreiheit ist, das mögen diese wenigen Hinweise andeuten, eng mit der Entwicklung freier Gesellschaften verbunden. Hierzulande wurde sie mit dem Ständestaat 1933 wieder zu Grabe getragen, in der NS-Herrschaft zwischen 1938 und 1945 konnte erst recht keine Rede davon sein.

Auch nach dem Krieg – am 1. Oktober 1945 proklamierten die Besatzungsmächte die Pressefreiheit – war es ein mühevoller Weg dorthin, Medienwissenschafter Fritz Hausjell hat dies 2021 in der FURCHE nachgezeichnet. Eckdaten dazu sind: 1964 Volksbegehren für einen (partei)unabhängigen Rundfunk (übrigens das einzige Volksbegehren das in Österreich je zu einem Gesetz geführt hat), Einrichtung einer Presseförderung 1975, Entkriminalisierung des Medienbereichs im Mediengesetz 1980. Dazu kam die Ermöglichung von Privatradio ab 1993 und Privat-TV ab 1998.

Langsames Österreich

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern war Österreich um Jahre später „dran“, dennoch erreichte Österreich im ab 2002 veröffentlichten „Pressefreiheitsindex“ von „Reporter ohne Grenzen“ (www.rog.at) auch international vordere Plätze – 2010 rangierte das Land sogar auf Rang sieben des Rankings. Seither fiel Österreich jedoch wieder zurück, im Vorjahr gab es sogar einen Absturz um 14 Plätze: 2022 lag Österreich im „Pressefrei­heitsindex“ nur mehr auf Platz 31.

Der internationale Index von „Reporter ohne Grenzen“, der zum 3. Mai aktualisiert wird, ist aber auch aufschlussreich, weil er zeigt, dass Medienfreiheit – global gesehen – nach wie vor nur ein „Minderheitenprogramm“ darstellt. Von den 2022 untersuchten 180 Staaten zeigten gerade einmal acht eine „gute“ und 40 eine „zufriedenstellende“ Lage in Bezug auf Medienfreiheit. Zusammen mit dem historischen Befund, der oben kursorisch für Österreich angesprochen wurde, wird somit klar: In der Mehrheit der Gesellschaften gibt es keine oder nur ungenügende Freiheit der Medien. Insbesondere dort, wo auch die politische Freiheit eingeschränkt ist bzw. wird, bleibt die Medienfreiheit als eine der ersten auf der Strecke. Was vor 175 Jahren auf der Agenda der Freiheitsbewegungen stand, ist anno 2023 mitnichten verschwunden.

Wobei der Ausgangspunkt von 1848, nämlich die Abschaffung staatlicher Zensur in autoritären und totalitären politischen Systemen (auch die stellen bekanntlich global die Mehrheit dar), immer noch ein großes Thema bleibt. Die Gängelung von Medien im kriegführenden Russland etwa führt wachen Zeitgenoss(inn)en einmal mehr vor Augen, wie schnell hier Pflänzchen der Freiheit zertreten werden können.

Die Cyber-Revolution

Daneben haben sich – nicht zuletzt ob der technologischen und ökonomischen Entwicklungen – Gefährdungen der Medienfreiheit auch in demokratischen Ländern breitgemacht. Die digitalen Transformationen, die global die Gesellschaften und deren Medienverhalten im Sturm verändern, haben zum einen grundsätzlich individuelle Informationsmöglichkeiten wie nie zuvor geschaffen. Gleichzeitig hat das Phänomen von Fake News, also der Verbreitung falscher Information, in einem ungeahnten Ausmaß zugenommen, und die staatskriminelle wie cyberkriminelle Desinformation feiert fröhliche Urständ.

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