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Konkurrenz zum Mord

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Solange in deutschen Zeitungen ein Prozent des Textraumes für die Wissenschaft, aber vier Prozent für den Fortsetzungsroman eingeräumt werden, kann die Wissenschaft in der Öffentlichkeit nicht das Echo finden, das sie entsprechend ihrer Bedeutung für die Gesellschaft braucht. Mit diesem Vergleich umriß der Ohefredakteur des Deutschen Forschungsdienstes die Lage in der Bundesrepublik — und gerade dort konnte sich die Wissenschaft in den vergangenen Jahren wachsender Aufmerksamkeit in den Massenmedien erfreuen. Inzwischen aber haben Weltraumfahrt und Atomforschung ihren Sensationscharakter verloren, ist man von spektakulären Herztransplantationen wieder abgekommen — bewahrheitet sich auch hier wieder die alte Feststellung „good news are no news“?

Nachrichten aus dem Bereich der Wissenschaft sind normalerweise „good news“ — sie sollen ja zeigen, was der Wissenschafter arbeitet, um seinem gesellschaftlichen Auftrag zu genügen. Sie sollen deutlich machen, wie die Fortschritte in der Medizin, der Technik, den Naturwissenschaften, aber nicht weniger auch in den Geisteswissenschaften mithelfen können, unser Leben besser zu gestalten. Sie sind unentbehrlich, wenn die Massenmedien mithelfen sollen, dem verunsicherten Menschen einen Wegweiser aus dem Labyrinth der verwissenschaftlichten Welt zu bieten.

Aber sie stehen im Konkurrenzkampf gegen den Lustmord in der Lokalchronik, gegen den Parteitag auf der politischen Seite — bleibt für sie neben allem andern überhaupt noch Platz übrig? Altenmüllers Diskussionsbeitrag während des Salzburger Gesprächs der Wissenschaftsjournalisten aus ganz Westeuropa sprach nur die allgemeine Ansicht aus, daß noch viel zu wenig für die Wissenschaft in den Medien geschehe, vor allem im Pressebereich.

Welche Funktion soll der Wissenschafts Journalist überhaupt haben? Als Mittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit hat er zunächst Berichterstatter zu sein, erläuterte Hugo Obergottsberger, Vorsitzender des österreichischen Clubs der Wissenschaftsjournalisten und Hauptverantwortlicher für den klaglosen Ablauf der Tagung. Er muß aber auch interpretieren können, was die Ergebnisse der Wissenschaften für die Menschen bedeuten — und er muß als Kontrollor auftreten, um rechtzeitig auf gefährliche Entwicklungen aufmerksam zu machen.

Das verlangt den ungehinderten Zugang zu den Quellen der wissenschaftlichen Information — Voraussetzungen dazu wären die Aufgeschlossenheit der Wissenschafter für die Notwendigkeit, Information zu geben (eine Forderung, die sich gerade in Österreich schon weitgehend durchgesetzt hat), die Aufbereitung des Materials durch hochschuleigene Pressestellen, aber auch die Fähigkeit des Journalisten, aus der Fachliteratur Informationen für den Normalverbraucher herauszuholen.

Das verlangt aber auch den solide allgemedngebildeten, sicher im journalistischen Handwerk, trainierten und immer wieder speziell weitergebildeten Journalisten — eine Forderung, die sich ebenso an die Universitäten richtete, entsprechende Ausbildungsgänge anzubieten, wie an die Berufsorganisationen und Fachverbände, in ihrem Bereich für Fortbildungsmöglichkeiten zu sorgen. Nicht zuletzt kam hier die Forderung nach Bildungsurlaub aufs Tapet.

Vor allem aber richtete sich der Appell der Kollegen an die eigene Branche, an die Verleger, Herausgeber, Ohefredakteure, an die Programmdirektoren und Intendanten, der Wissenschaft einzuräumen, was für die Wirtschaft, die Kunst, den Sport selbstverständlich ist. Wenn Tageszeitungen der Theater-, Musik- und Ausstellungskritik die tägliche Kulturseite vorbehalten, die Wissenschaft aber ins Feuilleton- verbannen oder sie mit dem Platz abspeisen, der eben gerade nicht von Sensationen gefüllt werden kann, dann zeugt das von einem falschen Kulturverständnis. Wenn — wie Skrotzky ausführte — das Weltraumprogramm der französischen Regierung von den Massenblättern ignoriert wird, weil die Ohefredakteure meinten, es sei für die Leser uninteressant — obwohl es die Steuerzahler Milliarden kosten wird —, dann deutet das darauf hin, daß sich die Verantwortlichen der Blätter eine falsche Vorstellung von den wahren Interessen des Publikums machen. Eine Umfrage des Emnid-Insti'tuts der Bundesrepublik brachte einen Interessenanteil für die Wissenschaft von 18 Prozent — soviel des Textraumes eingeräumt zu erhalten, wäre für die Wissenschaftsjournalisten schon ein Wunschtraum.

Die Diskussion zeigte aber auch, daß Österreich gar nicht so schlecht abschneidet, vergleicht man es mit den Nachbarstaaten. Der ORF bietet im Durchschnitt täglich eine Viertelstunde im Fernsehen, mehr als eine Stunde im Hörfunk, was aus dem Bereich der Wissenschaft zu vermelden ist, in Nachrichten, Reportagen, Interviews, Vorträgen, von den drei Minuten Wissenschaftsnachrichten in FS 2 bis zu den hochqualifizierten Montag-Abend-Sendungen des Salzburger Nachtstudios.

Österreich verfügt aber auch über eine spezialisierte Nachrichtenagentur, den „Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung“, seit neun Jahren zum unentbehrlichen Informationsvermit'tler aus Schule und Universität geworden, der dort aushilft, wo die Universitäten nicht die nötigen Pressestellen besitzen und die Zeitungen nicht die Spezialisten für Forschung und Lehre. Die ausländischen Gäste beobachteten diese Konstruktion mit großem Interesse — es scheint gar nicht ausgeschlossen, daß der „ibf“ trotz typisch österreichischen Voraussetzungen zum Modell für ähnliche Versuche in anderen Ländern werden könnte. Auch das wäre ein Erfolg der Salzburger Tagung.

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