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„Antennen“ für Österreich

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Hildebrandts feierlich strenger Monumentalbau am Ballhaus* platz hat sich in den 250 Jahren seiner Existenz kaum verändert. Seine diskreten Mauern verraten nichts von dem Ringen österreichischer Staatsmänner um den Bestand eines Reiches, das wie kein anderes zur friedlichen Ordnung ganz Mitteleuropas berufen war, das nach den Napoleonischen Kriegen gerade auch dem durch dynastische Eigenbrötelei geschichtsunfähig gewordenen deutschen Volk die letzte Chance einer gemeinsamen friedlichen Entwicklung verschaffte.

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Hildebrandts feierlich strenger Monumentalbau am Ballhaus* platz hat sich in den 250 Jahren seiner Existenz kaum verändert. Seine diskreten Mauern verraten nichts von dem Ringen österreichischer Staatsmänner um den Bestand eines Reiches, das wie kein anderes zur friedlichen Ordnung ganz Mitteleuropas berufen war, das nach den Napoleonischen Kriegen gerade auch dem durch dynastische Eigenbrötelei geschichtsunfähig gewordenen deutschen Volk die letzte Chance einer gemeinsamen friedlichen Entwicklung verschaffte.

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Der Abstieg von der Weltfriedensmacht zum Kleinstaat war furchtbar. Die außenpolitischen Aufgaben der im Staatsvertrag fixierten neutralen Republik Österreich sind total verschieden von denen der Vergangenheit. Natürlich geht es trotz oder wegen der Neutralität immer wieder um Bestand und Souveränität. Man lebt ja nicht auf dem Mond, sondern zwischen Weltblöcken und vielen politisch unausgegorenen Nachbarschaften, im Norden, Osten und Süden. Die große Zahl neuer Staaten verlangte neue Verbindungen und diplomatischen Apparat. Eine Frage, die den Politiker beschäftigt, ist jedoch die, ob vom Guten und Bewährten der alten österreichischen Diplomatie nichts vergeudet und die Neuorganisation sowie die Schulung des Nachwuchses der veränderten Weltlage und der finanziellen Potenz Österreichs entspricht. Ohne Tradition und österreichisches Selbstbewußtsein kann eine gute Außenpolitik nicht gemacht werden. Die Überwindung von Leerlauf, Bürokratismus und Fassade wird nur dann erfolgreich sein, wenn der Glaube an die österreichische Lebenskraft das Konzept auch für die Außenpolitik von heilte und morgen schreibt. Das gilt für alle Gebiete des Auswärtigen.

Hier sei eine „Institution“ herausgegriffen, der in der Nachkriegszeit allzu wenig Aufmerksamkeit zugewandt wurde: Die Konsulate und davon speziell das Honorarkonsulat. Was zu dessen für Österreich nachteiliger Vernachlässigung geführt hat, soll hier umrissen werden.

Vorweggenommen seien die Hauptgründe, die bei der Untersuchung sichtbar werden:

• Mangelndes Verständnis für die völlig veränderte Lage, die Aufgaben und Möglichkeiten der Außenpolitik eines neu gegründeten, schwer zu verteidigenden, finanzschwachen Kleinstaates im Herzen Europas.

• Die — durch verschuldete Unterbewertung und mangelnden Einsatz des Honorarkonsulates entstandene — Distanzierung der „Tituläre“ seitens der hohen Diplomatie.

• Das erfolgreiche Streben finanzstarker Persönlichkeiten nach dem aus gesellschaftlichen Gründen begehrten Titel.

• Das Fehlen eines Konzeptes für das Konsulat von heute und morgen, das aus diesem ein nützliches Werkzeug österreichischen Existenz- und Geltungswillens machen könnte und sollte.

Honorarkonsuln sind jene Vertreter der Republik Österreich, die keinen diplomatischen oder politischen Dauerauftrag haben. Gehalt beziehen sie keines. Es gibt Konsuln, die Visa- oder gar Paßbefugnis haben und andere, die sich nur mit dem Titel begnügen. So ergeben sich große Unterschiede in der Arbeitslast und im Personalaufwand, den der Konsul tragen muß. Naturgemäß bedingen das lokale Kolorit des Konsularsitzes erhebliche Unterschiede im Aufwand, und vieles, was der Konsul tut, ist seinem Instinkt, seiner Arbeitsauffassung und last not least seinem Verständnis für Österreich und speziell die Auslandsösterreicher anheimgegeben.

Wenn es richtig wäre, was H. Wildner in seinem Werk „Die

Technik der Diplomatie“ angibt, könnten die dem Honorarkonsul erwachsenden Spesen wenigstens teilweise aus den „anfallenden Gebühren“ gedeckt werden. Das war bisher leider fast nirgends der Fall; vielmehr mußten die Taxen auf einem sehr mühseligen Formularweg nicht an das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, sondern an — das Bundesministerium für Finanzen abgeführt werden. Die Formulare mit dem Geld gaben dem Amtsschimmel in Wien reichlich Futter. Die vorwurfsvolle Anmahnung von zehn Groschen, urgiert aus Wien, war mehr traurig als lustig. Kurzsichtige Naivität aber zieht den Schluß, daß eigentlich so ein Honorarkonsulat eine sehr nützliche Sache ist, die nichts kostet und dem Staat manches einbringt. Man rechnet also mit der oft bewährten Eitelkeit des Homo sapiens und sieht nur so nebenbei die Einstellung der sich offerierenden „Kandidaten“ zu Österreich wie es war und ist. Es fehlt nicht an solchen, die bereit sind, um des begehrten Titels willen hohe Kanzleikosten und „Repräsentation“ zu tragen und zur Entlastung der konsularischen Büros der Gesandtschaften oder Botschaften sowie der Amtskonsuln beizutragen. Am Ämterverkauf im Sinne gewisser kleiner Uberseestaaten, deren „Konsuln“ sogar die Diplomatie ihrer Staaten finanzieren, denkt man in Österreich, Gott sei Dank, nicht. Aber wiegt der relativ kleine Nutzen die großen Nachteile eines so willkürlichen, ja geringschätzigen Einsatzes unserer Konsulate auf? Können österreichische Konsulate nicht besser, planmäßiger besetzt, mit neuzeitlichen Funktionen ausgestat tet und zur wirksamen Vertretung der kulturell und wirtschaftlichen Interessen Verwendung finden? Könnte dadurch nicht auch manches Ministerium entlastet oder gar entrümpelt, manche Botschaft oder Gesandtschaft entlastet werden? Gäbe es nicht neue Wege zur Heranziehung erstklassigen Nachwuchses für die österreichische Diplomatie? Noch mehr: Könnte nicht für eine große Anzahl fähiger österreichischer Akademiker eine Berufschance von hohem Reize eröffnet werden? Wir wollen sehen.

Unsere heutige konsularische Situation könnte am besten durch eine Weltgraphik verdeutlicht werden. Das Bild zeigt die fahrlässige Nichtberücksichtigung von Ländern, zu denen eine Verbindung in stärkerem Maße als in der „gemütlichen“ Vergangenheit absolut notwendig ist. Vergleiche mit kleineren europäischen Staaten (Norwegen, Dänemark, Niederlande und andere) weisen da und dort einen bis vier- ja fünffachen Bestand an Konsulaten auf als „das Herz Europas und der Welt". Zu schweigen von dem verdächtigen „Weitblick" zum Beispiel Rotchinas in Afrika oder Südamerika. Kraß ist das Verhältnis unter anderen in Kanada, Japan, auf den

Philippinen und natürlich in Afrika. Wie lange hat es gedauert, bis das Außenministerium die Republik Irland in ihrer Bedeutung zu erkennen begann!

Statt Ehrenpöstchen — Lebenszellen

Dazwischen sei bemerkt, daß zum Beispiel Norwegen, Griechenland, alle kleiner als wir, den Konsuln nicht nur die Visagebühren belassen, sondern erhebliche Pauschale für den Kanzleiaufwand gewähren. Das ermöglicht naturgemäß eine wirksame Aktivität. Eine aufmerksamere Verteilung der österreichischen Konsulate über die in rasanter Entwicklung begriffene Erde tut dringend not.

Um das Problem anzugehen, muß man es erkennen. Es geht um eine wirksamere gegenwärtige Repräsentanz Österreichs, um seine Ehre, seine Wirtschaft, um seine Attraktivität. Die Zukunft kann man ungestraft nicht ignorieren. Alte Zöpfe — das Gegenteil guter Tradition —

müssen abgeschnitten werden. Statt Ehrenpöstchen müssen pulsierende Lebenszellen in allen Erdteilen entstehen.

Eine weitschauende Planung könnte die Zersplitterung und das Handikap österreichischer Vertretungsaktivitäten in Europa und Übersee beseitigen. Das Neben- und Durcheinander von Repräsentanz und Werbung des Staates, seiner Wirtschaft, seines Fremdenverkehrs (auch der AUA), seiner kulturellen Institutionen, kann und muß besei- tiat werden. Die Kosulate der näch sten Zukunft können und sollen zu Konzentrationspunkten alles dessen werden, was unter vielen Titeln ein viel weniger wirksames Eigenleben führt und an vielen Strängen zieht.

Das heutige „System“ ist teurer und wirkungsloser als man glaubt. Natürlich setzt ein moderner Umbau Einsicht und Verzichte mancher Regierungsstellen, der Bürokratie, gerade auch in den Kammern, voraus.

„Österreichhäuser“

Konsuln werden dann natürlich nicht mehr Postenjäger, Parteigänger, ehrsüchtige Geldmänner und Statisten sein. Dagegen sind junge kontaktfähige Kräfte berufen, die über die nötige juridische, volkswirtschaftliche und soziologische Ausbildung verfügen und an Entwicklungshilfe im weitesten Sinne interessiert sind. Sie können das an Umfang klein gewordene Österreich dem Ausland näherbringen, ihm Freunde gewinnen und im Zusammenwirken von Österreichliebe und Weltaufgeschlossenheit der Allgemeinheit großen Nutzen bringen.

Als „Antennen" Österreichs rund um die Erde können moderne Konsulate dem österreichischen Volk und Staat gute Dienste leisten, und was anfangs an Investition nötig ist, bestens verzinsen und tilgen. Sie würden die Information und Werbekraft unserer Wirtschaft auf ein hohes Niveau bringen, könnten der Verzettelung österreichischer Kunst und allgemeiner „Kulturpropaganda“ Einhalt gebieten, das falsche Bild, das so oft von Österreich in der Welt erscheint, korrigieren. Dem teuren Leerlauf und Nebeneinander so vieler Stellen in Kammern und Ministerien kann ein gut geplantes Konsulatswesen, eingebaut in die österreichische Diplomatie und Wirtschaft, ein Ende machen. Der Anstoß und die gemeinsame Planung ist Sache von parteifreier Politik und Wirtschaft.

Sichtbarer Ausdrude einer modernen und wirksamen österreichischen Repräsentation können an geeigneten Plätzen Österreichhäuser werden, in denen Verkehrs- und Ausstellungswesen, kulturelle Auslandsaktivitäten, Wirtschafts- und Werbung verschiedenster Art Zusammenwirken. Darüber ist auf den jährlichen Tagungen der Auslandsösterreicher — denen an einer Reform der Konsulate viel gelegen ist — schon viel geredet worden. Taten lassen noch auf sich warten!

Daß solche Österreichhäuser nicht allein vom Staat bezahlt werden müßten, könnten die Zentralstellen wissen. Es gibt genug Möglichkeiten, solche Schaufenster unserer Wirtschaft und Kultur auf privatgesellschaftlicher Basis zu errichten und zu unterhalten. (Ein Beispiel könnte angeführt werden, daß man in Wien zwar zwei Millionen Schilling für ein Österreichhaus einer dabei ganz unnötigen Zwischeninstanz billigte, die das Geld für Planerei, Reisen, eine Bohrung und wirkungslose Besprechungen verpulverte. In diesem Falle hätte sich die betreffende Großstadt mit 50 Prozent am nötigen Kapital beteiligt. Geblieben ist ein Österreichplatz, den lange zuvor der betreffende „Titulär“ aus der Taufe gehoben hatte.)

Diese Gedanken wollen ein Ansporn für Überlegungen und — Taten sein. Sollen sie in wohlwollender österreichischer Passivität untergehen? Österreich will leben, nicht vegetieren.

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