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Digital In Arbeit

Es gibt Gründe, schwarz zu sehen

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Wenigstens der Kaffeesatz, aus dem jetzt alle lesen, ist noch schwarz. Analyse gerät wieder zur bekannten Mischung von Besserwisserei und Resignation. Wenn wir aber schon einmal dabei sind, dem sogenannten Fußvolk, das ja am meisten verloren hat, wenig erbauliche Nachschuß-lorbeeren zu streuen, ist es nur recht und billig, hier ungefragt den Abbau von Illusionen ein bißchen zu beschleunigen.

Basisarbeit steht für das Bemühen, große Politik an den kleinen Mann zu bringen. Allenfalls gemildert durch die Idee der Servicepartei, wird hier eine überholte Leistung forciert: Die Leute leiden ja heutzutage nicht an Informationsmangel, vielmehr fehlt es, nicht ganz unverständlich, an ausreichender Bereite schaft, Politik aufzunehmen, zu verarbeiten und weiterzuleiten. Im besten Fall läßt man sich unterhalten. Parteien Sind heute schlechte Massenmedien. _ . ' ' •

Management by opinion, Parteibeschäftigung nach demoskopischen Resultaten also, ergibt ein zu dürftig bestelltes Feld und zu wenig „Linie“, weil man Politik nicht mit dem Echo, sondern mit dem Ruf machen sollte.

Organisationspluralismus, wie man schönfärberisch den Tatbestand einer rigoros gegliederten Partei nennen könnte, ist nicht notwendig ruinös: Daraus könnte und sollte sich auf allen Ebenen eine Vielfalt von Dialogen breitmachen und Gemeinsamkeiten zutage fördern, wirksam aufschließen. Bünde führen also keineswegs zwangsläufig zur Ge-sprächsblockade\

Lediglich an der Spitze miteinander zu arbeiten, darunter jedoch den von den Mitgliedern ersehnten, von Anhängern kaum mehr erhofften Versuchen, Brücken zu bauen und Plattformen einzuziehen, vornehmlich zu mißtrauen, ist eine sichere Methode, die Partei auf Spitzen zu reduzieren. Partnerschaft als innerparteiliches Privileg auf ein Führungsprinzip eingrenzen zu wollen, gehört zu den besonders'perversen Leiden.

Personenkult ist ein realistischer, weil publikumsgerechter Versuch, Politik für die Leute einfach zu machen - es kann nicht bestritten werden, daß die Darstellung von Parteien durch Personen, die damit eine ungefähre Idee „verkörpern“, den Konsumentenbedürfnissen entgegenkommt. Nur ist Personenkult hält immer Glückssache. Fremdkörper sind immer in Gefahr, abgestoßen zu werden: Gerade als solche erkennbare Intellektuelle werden nur selten angenommen, weil sich eben der Durchschnittskonsument nicht intel-. lektuell sieht.

Man muß trotzdem eine erzieherische Repräsentation sozusagen riskieren. Auch hier wiederum wäre es freilich ungeheuer wichtig, daß man nicht in der Spitze, mit der das Volk ohnedies nur zu Wahlzeiten in Berührung kommt, steckenbleibt, sondern zumindest auch die Funktionäre der zweiten Linie „mitpoliert“ ... Es gibt „Vorwahl“-Mechanismen, die dafür sorgen, daß sich die mittleren Funktionäre immer wieder wechselseitig selbst in diverse Positionen wählen -

kein Wunder, daß sie sonst fast niemand mehr wählen will...

PPP: „Programm, Personen, Praxis“ gelten nicht gerade wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge als die Kriterien, nach denen der kundige Staatsbürger Parteien angeblich beurteilt. In manchen Volksparteikreisen ist P wie Plakate wichtiger. Was auch Wenigdenker bereden können, wird oft und keineswegs unverständlich (wie beim Fußball) zum beherrschenden Thema: Wie man besser wirbt, drängt gegenüber den Fragen nach dem Was und Wofür in den Vordergrund.

Blumen, Frühling, Ranger und schier unaufhörlich gespielte Skandalgeschichten, hört man jetzt überall, das.war nix, so geht's nicht. Natürlich haben sie recht, nachher immer. Und man kann Inder Tat fast alles geschickter machen.

Obwohl es unsachlich wäre, wollte man Kritik nur dann zulassen, wenn der Kritiker etwas Besseres weiß, muß man hier schon Alternatives erfragen, Profilierteres anfordern ...: -An dieser Stelle angelangt, schlägt das Bedenken der Nachwehen notwendig in Inhaltsfragen um.

Theoriedefizite sind zu orten. Nur solche Ideen haben Ausstrahlungskraft, die man hat. Die man erworben hat, gelernt hat. Die man umsetzen kann. Mit einer politischen Heilslehre bittschön können Christdemokraten nie aufwarten. Aber man kann deshalb auch nicht wertbezogenes Denken durch saures Moralisieren ersetzen wollen: Es gibt sowas wie apolitische Politik, die sich nicht selten im Anspruch ausdrückt, die edle Idylle konfliktfreier Güte herbeizu-raunzen.

Wenn es stimmt, daß der Teufel im Detail sitzt, dann muß man ihn dort selbst vertreiben. Die Zeit der großen Konzepte ist vorbei - Theorie ist, wenn man sich^nehr im Alltag denkt (und dieses Mehr auch gezielt handelnd umsetzen will): Reformen muß man sich erlernen, Theorie ist harte Arbeit ohne Sicherheit. Gewiß kann man Einfälle nicht einfach anschaffen, gewiß kann man geistige Fortschritte nicht herbeidiktieren. Man kann aber ein eher hirnfreundliches Klima für die Gutgesinnten schaffen, vor allem überall „im Kleinen“.

Programmarbeit heißt: Erfolge erzielen statt Forderungen erfinden. Viele Politiker pflegen unsere Phantasie meist dann anzurufen, wenn ihnen sozusagen der Stoff ausgeht. Nur wenige wollen eigentlich und genau genommen, daß wir selbst auch etwas tun. Als Folge gibt es weiterhin zu wenig Politik.

Das „5. P.“ (nicht nur) der Volkspartei sind Punktationen, vorwiegend abgestandene Kataloge, die Forderungen an die jeweils anderen enthalten. Was die Volkspartei aber in erster Linie braucht, wäre eine Sammlung der Aufgaben, die wir an uns selbst stellen und aus eigenem verwirklichen können (und wollen). Damit keine bloße Beschäftigungstherapie für Unzufriedene daraus wird, muß man dazu sagen, daß Delegation von Verantwortung an initiative, nahestehende „Aktivbürger“ auch ohne beharrliche Politikerpräsenz vollziehbar ist.

Jedenfalls ist, soll nicht länger der „Frust“ umgehen, das parteiliche Vorschlagswesen ebenso rasch auszubauen und zu öffnen, wie es dringend notwendig ist, von der sturen, hierarchischen Ablauforganisation, die noch immer (entfernte) Ähnlichkeit mit der Bürgererfassung im Dritten Reich hat, endlich wegzurücken. Je weniger Amts-(Amtskirchen-)cha-rakter die Partei hat, desto mehr traut sich der ja eh noch recht untertänige Bürger und ideologische Normalverbraucher ...

Die offene Partei war bislang fast immer nur im Gespräch, wenn man irgendwelchen verlorenen Söhnen auf der Spur zu sein glaubte. Daß die eigenen Mitglieder und anerkannten Anhänger das größte Hoffnungsgebiet sind, kapieren vor allem jene mittleren Parteioffiziellen, denen man noch öfter begegnen kann, in den seltensten Fällen. Mehr Mut zum Mitglied. Weniger Angst vor den und dem Neuen. Was nämlich haben wir schon zu verlieren?

Wenn wir getrost unterstellen, daß, christdemokratische Politik an sich, keineswegs überholt ist, und wenn wir weiter sehr wohl davon ausgehen dürfen, daß der Strukturwandel üt! der Bevölkerung (und in der Produkt tion) einer Partei der Mitte eigentlich nicht schaden dürfte, muß es ein inneres Problem sein, das uns nicht mithalten läßt, sondern ausbremst.

Trotz allem bisher Gesagten ist innere Demokratie nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist die stark reduzierte Wahrnehmungsfähigkeit der Volkspartei angesichts des unbestreitbaren „Wertewandels“ in unserer Gesellschaft: Die Volkspartei war (zu) lange Zeit eine Partei nur der Gegner, sie hatte auch Zustrom, weil sie in erster Linie „anti“ war: Schwarz ist, was nicht rot und nicht braun-blau ist. Die Volkspartei blieb zu lange „Ismen“-fixiert.

Ethos is slipping: Wir haben in den Wolken über bürgerliche Werte weitergepredigt, von denen sich die Mehrheit, schweigend, wie sie nun einmal ist, längst abgesetzt hat. Mangels an Sensibilität vor allem für die „Sprachfehler“ der Gesellschaft, blieben wir eine Partei des unange-paßten Pathos. Nicht daß man Prinzipien über Bord werfen sollte; die Sache ist die: wir müssen mit den Lebenden leben (Montaigne).

P. S.: Es gibt auch „Windfall-Pro-fit“ in der Flaute: Das Kaiserwetter für B. K. hat sich zweifelsohne aus einer ideologischen Stagnation heraus stabilisiert. Gewiß bleibt die Mentalität auch hierzulande nicht stationär. Hoffentlich ist das VP-Schiff schon wieder aus dem Trockendock, wenn der Wind, mit dem der Geist weht, wiederkehrt.'..

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