Weise Sprüche kontra Medienmacht

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Trotz Polemiken rund ums neue ORF-Gesetz wird eine inhaltliche Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht geführt.

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Trotz Polemiken rund ums neue ORF-Gesetz wird eine inhaltliche Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht geführt.

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Man durfte annehmen, dass die Medienherren Hans Dichand und Gebrüder Fellner gemeinsam keine Mühen scheuen würden, um den ORF vor den Klauen der Sanierer zu retten: "Endkampf um ORF beginnt", ließ Dichand die "Krone" an jenem Tag titeln, als die vier von Staatssekretär Franz Morak bestellten Weisen ihren Bericht zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF und zu den Werbeformen im Sender präsentierten (Auszug aus dem Weisenbericht: Seite 17 dieser furche).

Nachdem die Vier - Gerd Bacher, Fritz Csoklich, Heinrich Keller und Alfred Payrleitner - dann ihre erbetenen Vorschläge der Regierung und der Öffentlichkeit übermittelt hatten, durften die Fellner-Medien über die Weisen-Ergebnisse herfallen: Der ORF würde eine Milliarde verlieren, so zitierte "News" Gerhard Zeiler, Bacher-Nachfolger im ORF und nunmehr RTL-Boss. Und am Montag setzte "Format" nach und sprach maliziös vom "filetierten Staatsfernsehen".

Dieser Tage soll der Entwurf fürs neue ORF-Gesetz kommen. Ob die Weisen - wie von Kanzler Wolfgang Schüssel versprochen - ihre Vorschläge dort wieder finden werden? Skepsis ist angesagt: Es wäre seit langem das erste Mal, dass die Medienpolitiker im Lande sich nicht von den Mächtigen der Branche - im Wortsinn - vorschreiben ließen, was zu tun sei.

Das Papier, das die Weisen vorgelegt haben, enthält weder Sensationen noch gefährdet es den ORF. Es handelt sich dabei einerseits um den Versuch, die - auch von der furche immer wieder erhobene - Forderung nach einem erkennbar öffentlich-rechtlichen Profil des ORF konkreter zu fassen. Zum anderen wollten die vier gestandenen Medienleute die unselige Verquickung der dominierenden Printmedien mit dem elektronisch herrschenden ORF in den Griff bekommen: Medien mit mehr als 30 Prozent Marktanteil sollen im ORF nicht mehr werben dürfen - auch nicht als "Kooperation" getarnt. Daneben schlagen die Weisen vor, der Unterbrecher- und der Schleichwerbung in der Rundfunkanstalt den Garaus zu machen.

Der "Weise" Fritz Csoklich präzisiert: Es sei darum gegangen, die "Rechte", die der ORF und die führenden Printmedien über Jahre arrogiert hätten, mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag ebenso in Einklang zu bringen wie mit dem Gebot, wenigstens ein kleines Stück Medienvielfalt in Österreich zu gewährleisten.

Erstaunt zeigt sich Csoklich vor allem über die Tatsache, dass die Diskussion über den Weisenbericht fast ausschließlich unter dem Aspekt des Geldes geführt wird: Wieviel, so der Tenor vieler Betrachtungen in den Medien, werde der ORF durch die Vorschläge verlieren?

Die Debatte um die Programminhalte verläuft aber einmal mehr eher am Rande. Es stimmt, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender in einem kleinen Land nicht ausschließlich durch Gebühren finanziert werden kann: Der ORF soll soviel Geld verdienen dürfen, wie er braucht, um seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachkommen zu können.

Was aber ist unter diesem Auftrag zu verstehen? Die vier Weisen haben ihre Anhaltspunkte dazu formuliert. Darüber müsste eigentlich gesprochen werden - und viel weniger darüber, ob der ORF sein Geld auch mit Sonderwerbeformen lukrieren kann.

Fritz Csoklich reklamiert für seine und der anderen Weisen Arbeit, dass sie den Versuch unternommen hätten, erstmals Qualitätsstandards für öffentlich-rechtlichen Journalismus für ein ORF-Gesetz zu formulieren. Dies sei bei den bisherigen Rundfunkgesetzen nicht erfolgt. Csoklich weiß aber auch, dass eine genaue Definition, was öffentlich-rechtlich ist, kaum möglich scheint. Er meint aber, dass die Weisen mit ihren Vorschlägen wenigstens anzutippen versucht haben, was darunter zu verstehen sei.

Ergebnisse: rasch In der aktuellen ORF-Diskussion läuft weniges gut: Fatal ist etwa, dass der Rat der vier Weisen nicht die Grundlage der Auseinandersetzung darstellt, sondern möglichst in schnelle Ergebnisse - sprich: das neue ORF-Gesetz - münden soll.

* Das "Speed-Kills"-Konzept der Regierung hat jedenfalls auch hier Vorrang vor der ordentlichen Positionsfindung: Schon am 1. August, so der Koalitionsfahrplan, soll das neue ORF-Gesetz in Kraft treten.

* Auch die um ihren ORF-Einfluss bangenden Printmedien haben kaum ein wirkliches Interesse an längerfristiger Analyse - wenn nur die "schlimme" Idee eines Werbeverbotes für große Printmedien im ORF entschärft wird.

* Der ORF selbst trägt ebenfalls wenig bei: Meist, so die Beobachtung bei vielen Gelegenheiten in den letzten Jahren, definiert der ORF selbst, was öffentlich-rechtliche Qualität ist. Qualitätsvorgaben und -kontrollen von außen sind nicht gefragt.

* Und dass die Parteien an der Prolongierung der Diskussion über ihre zwielichtige Rolle beim ORF wenig interessiert sind, dürfte ebenfalls klar sein.

Der Weisenbericht würde genug Anhaltspunkte für eine ernsthafte ORF-Diskussion bieten. Einer der derzeitigen ORF-Kontrollore, der von den Kirchen ins Kuratorium entsandte Caritas-Präsident Franz Küberl, meint, er würde vieles, was die Weisen über den öffentlich-rechtlichen Auftrag angeführt haben, unterschreiben. Nach Ansicht Küberls fehlt bei diesen Überlegungen aber manches. So würde er zu den Kriterien der Weisen hinzufügen, dass Qualität auch "interessant und pfiffig" dargestellt werden solle. Gerade der Versuch, auch Informationen unterhaltsam zu vermitteln, wäre eine Herausforderung für den ORF.

Dennoch: Angesichts der medialen und politischen Verhältnisse steht in den nächsten Wochen, wie immer das ORF-Gesetz im Detail aussehen wird, eine polemische und kurze, aber kaum die sachlich notwendige ORF-Debatte ins Haus.

Die Weisen haben zwar gesprochen. Doch anstatt sich mit ihnen und ihren Vorschlägen auseinanderzusetzen, wurden sie mit Ausdrücken wie "Leihopa" und ähnlichen Anspielungen auf ihr Alter abqualifiziert. Dem ORF wird das geschilderte Szenario ungeführter Auseinandersetzung in keiner Weise nützen.

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