Öffentlich-rechtliche Demontage, Teil zwei?

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Der gebührengestützte öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF muß das gesamte Programmkonzept umfassen.

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Der gebührengestützte öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF muß das gesamte Programmkonzept umfassen.

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ORF-Generalintendant Gerhard Zeiler hat erklärt, zur privaten Konkurrenz in Deutschland zu wechseln. Es mag durchaus sein, daß die mangelnde Reformbereitschaft der Koalitionsparteien dem Generalintendanten diesen Schritt erleichtert hat. Allerdings war wahrscheinlich bei einem Angebot, der Chef des größten Privatfernsehsenders im deutschsprachigen Raum zu werden, die Unterstützung der Bundesregierung nicht mehr notwendig.

Nichtsdestotrotz kann den Regierungsparteien der Vorwurf nicht erspart bleiben, durch ihre medienpolitische Untätigkeit massiv zur Demontage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich beizutragen. So sind bis heute aus kleinkarierten parteitaktischen Überlegungen längst notwendige Reformen am Rundfunkgesetz gescheitert. Und den Vorwürfen, die vom scheidenden Generalintendanten Zeiler erhoben wurden, kann nur zugestimmt werden. Denn ihm muß positiv angerechnet werden, daß er versucht hat, die verkrusteten Strukturen des ORF-Unternehmens aufzubrechen und dabei auch einige Erfolge erzielen konnte. Für das Fortbestehen des ORF werden aber weitere Reformschritte notwendig sein, die vom Gesetzgeber zu beschließen sind (vgl. Furche 7/98, Seite 2, 3).

Gerhard Zeiler und seine Befürworter übersehen aber offensichtlich, daß Meinungs- und Medienvielfalt als Voraussetzung einer freien Meinungsäußerung nicht nach marktwirtschaftlichen Kriterien verwirklicht werden können. Vielmehr zeigt die derzeitige Entwicklung in Österreich, daß das Recht auf freie Meinungsäußerung mehr und mehr durch private Medienkonzerne und deren Konzentrationsbestrebungen gefährdet wird. Die rein marktwirtschaftliche Orientierung dieser privaten Medienanstalten hat dazu geführt, daß die Informationen zwar an Oberflächlichkeit zunehmen, an Gehalt aber zunehmend dünner werden. Im Sinne der Quotenjagd geht es ja um das kleinste gemeinsame Vielfache und nicht um eine größtmögliche Qualität. Leider hat sich auch der ORF dieser Strategie angeschlossen. Es kann aber nicht Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein, mit privaten in den Wettbewerb um dieses kleinste gemeinsame Vielfache zu treten. Informieren ist eine politische und kulturelle, keine ökonomische Aufgabe.

Das Funktionieren einer Demokratie setzt das Prinzip der Freiheit der öffentlichen politischen Kommunikation voraus, da die Mitwirkung des einzelnen Bürgers an der staatlichen Willensbildung in einem liberalen und demokratischen Staat unabdingbar ist. Die Programmqualität einer Rundfunkanstalt kann auch daran gemessen werden, inwieweit sich gesellschaftliche Gruppen öffentlich artikulieren können, in welchem Maß partikuläre Kommunikationsbedürfnisse von der öffentlichen Diskussion ausgeschlossen sind (ethnische, soziale, kulturelle und andere Minderheiten) und inwieweit die Schweigemauer zu tabuisierten Themen durchbrochen werden kann.

Das Programmentgelt ermöglicht den ORF und verpflichtet ihn zu umfassender, objektiver ("fairer") und verantwortungsvoller Berichterstattung - unabhängig von Lobbies, Financiers und persönlichen Präferenzen/Interessen von Herausgebern. Die klassische Einteilung in Hie-Information und Kultur und Da-Unterhaltung ist nicht haltbar. Auch Unterhaltung beinhaltet Information, und - wichtiger noch - gerade Unterhaltung trägt und spiegelt Weltbilder und Haltungen. Auch hier ist der ORF gefordert, ein anständiges Programm zu bieten.

Die Umsetzung dieser Aufgaben ist dabei unter größtmöglicher wirtschaftlicher Effizienz vorzunehmen. Das heißt, alle Tätigkeiten des ORF (bis in die unterste Schublade) sollten inhaltlich durch die Programmgrundsätze geprägt sein, während die Ausführung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Die Verwirklichung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzt voraus, daß das Prinzip der wirtschaftlichen Unternehmensführung den Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks untergeordnet sein muß.

Der Autor ist Mitarbeiter des Grünen Klubs im Parlament und als solcher für den Medienbereich zuständig.

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