Utopie eines völlig werbefreien ORF
In der jüngsten Ausgabe von „Content – Das Medienmagazin“ wurde auf „Radio Klassik Stephansdom“ übers öffentlich-rechtliche Fernsehen diskutiert. Die Teilnehmer sprachen sich für einen unabhängigen ORF aus, der nicht aus dem Staatsbudget finanziert wird.
In der jüngsten Ausgabe von „Content – Das Medienmagazin“ wurde auf „Radio Klassik Stephansdom“ übers öffentlich-rechtliche Fernsehen diskutiert. Die Teilnehmer sprachen sich für einen unabhängigen ORF aus, der nicht aus dem Staatsbudget finanziert wird.
Öffentlich-rechtliches Fernsehen nach dem Vorbild der BBC gibt es nur in hochentwickelten Demokratien. In Westeuropa, in Kanada, Australien, Neuseeland und in Japan. In den USA existiert zwar das Public Broadcasting Service – allerdings wird diese Rundfunkanstalt nicht von der öffentlichen Hand, sondern ähnlich wie der amerikanische Kunstbetrieb von Mäzenen finanziert.
Öffentlich-rechtliche Sender in Osteuropa wie am Balkan hingegen scheinen dazu zu neigen die jeweilige Regierungsmeinung an das Publikum weiterzugeben. Beinahe so, wie in Russ- land oder anderen eher autoritären Staaten.
Das hat viel mit der Finanzierung der jeweiligen Broadcaster zu tun: Ein Gebührenmodell wie in Österreich, das sich an den technischen Ausspielgeräten orientiert, scheint eher ein Auslaufmodell. Eine Haushaltsabgabe, wie in Deutschland, geprüft und begleitet von einer unabhängigen Kommission, scheint den Entwicklungen eines modernen Medienkonsums eher zu entsprechen. Budgetfinanzierte Lösungen, die eine Finanzierung des staatseigenen Senders im schlimmsten Fall einer jährlich wiederkehrenden Budgetdebatte aussetzen würden, könnten zu großen Abhängigkeiten der Journalisten zu den Regierungen führen. Das gilt unter Experten als eher nicht zeitgemäß.
Neben der Frage der Finanzierung des öffentlich rechtlichen Auftrags steht für die Zukunft des ORF vor allem die klare journalistische Abgrenzung zum Boulevard und zu den oft obskuren Verschwörungstheorien der sozialen Netzwerken auf der Agenda. Dazu kommen Medien, die entweder im mittelbaren Besitz einer Partei, eines Unternehmers oder einer Privatfamilie stehen. Diese Herausgeber verfolgen ihre Eigeninteressen.
Plädoyers für öffentlich-rechtlich
Diese Fragen waren Thema der jüngsten Ausgabe von Content – Das Medienmagazin (s. u.). Udo Bachmair, früherer ORF-Redakteur und Vorsitzender der „Vereinigung für Medienkultur“, und Walter Famler, Leiter der Alten Schmiede und Mitglied des ORF-Publikumsrats, diskutierten unter der Leitung von Golli Marboe. Es müsse verfassungsmäßig festgeschrieben sein, dass ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk nach dem Modell der BBC aus öffentlicher Hand finanziert werde, meinte Famler, und zwar „nach höchsten journalistischen Kriterien – in allen Programmflächen, nicht nur in der Information“. Der ORF erfülle seinen Auftrag in etlichen Bereichen aber nicht: So gebe es zu viel Sportberichterstattung, dafür viel zu wenig Kinderprogramm. Für Famler besteht das Wesentliche der öffentlich-rechtlichen Idee darin, „dass es Orte gibt, die möglichst freigehalten sind von Kommerzialisierung und Verwertung“. Famler: „Ich hätte ja eigentlich die Utopie, dass das Öffentlich-Rechtliche völlig werbefrei ist!“
Bachmair kritisierte die Zunahme prekärer journalistischer Arbeitsverhältnisse: „Diese Entwicklung führt auch im ORF zu einer Ausdünnung der Redaktionen und geht auf Kosten eines kritischen und investigativen Journalismus.“ Der frühere ORF-Redakteur beobachtet die Informationssendungen des Senders kritisch: „Wenn ich mir in den letzten Wochen die ZIB 1 anschaue, dann hat man das Gefühl, nahezu täglich kommt Sebastian Kurz vor. Ob das jetzt journalistisch wirklich begründbar ist, bleibt dahingestellt. Es entsteht der Eindruck der bloßen täglichen Inszenierung einer Regierung, die, wie keine andere in der Zweiten Republik, in Richtung PR agiert.“ Aber angesichts der Boulevardmedien im Land sieht Bachmair den ORF immer noch als „Gegenpol“ dazu. Und er warnt vor Entwicklungen wie in Ungarn, wo sich öffentlich- rechtliche Sender „hin zu einem Staatsfernsehen entwickelt haben“.
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