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Die WAZ ist aus dem Sack

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Über den „Erfolg“ der „Kurier“-Männer darf er sich freuen: Hans Dichand hat durch die WAZ-Beteili-gung am „Kurier“ sein „Krone“-Problem billigst gelöst.

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Über den „Erfolg“ der „Kurier“-Männer darf er sich freuen: Hans Dichand hat durch die WAZ-Beteili-gung am „Kurier“ sein „Krone“-Problem billigst gelöst.

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Der größte „österreichische“ Verleger ist ab nun ein deutscher Familienbetrieb. Und über Nacht wurde die „Kleine Zeitung“ zur größten Tageszeitung in ausschließlich österreichischem Besitz.

Nachdem sich das Verlagsmammut „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) im Novon HANNES SCHOPF

vember 1987 mit 45 Prozent in die „Kronen-Zeitung“ eingekauft hat, um Hans Dichand von Kurt Falk zu befreien, freite jetzt die „Kurier“-Gesellschaft — aus Angst vor Kurt Falk - den WAZ-Mann. Im Dreiecksverhältnis haben sich die Partner der 1974 noch gescheiterten „Elefantenhochzeit“ wiedergefunden.

In merkantiler Prüderie teilen sie sich den Tisch vor dem Bett.

Wobei das Beschwichtigungsargument gegen die Aufregung rund um die weltweit beispiellose Verlags- und Auflagenkonzentration aus der Retorte kommt: Als Ausbund unserer EG-Reife soll gelten, was in der Bundesrepublik Deutschland — als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft — verboten ist. Die deutsche Kartellgesetzgebung verhindert näm- . lieh eine weitere Expansion des WAZ-Riesen.

Das Österreich-Engagement der .Pressekrake“ - wie die WAZ-Gruppe in Deutschland genannt wird — ist daher als Ausweg logisch. Ihre Interessen finden in Hans Dichand, sogar im elektronischen Bereich, eine ideale Ergänzung. Der „Krone“-Mann ist Österreichrepräsentant des Privatfernsehens RTL plus, an dem die WAZ direkt mit zehn Prozent beteiligt ist.

Und die „WAZ-Krone“ ist an einer neuen Druckerei interessiert. Darüber verfügt der „Kurier“ in Wien, freilich ohne entsprechende Auslastung, dafür mit entsprechenden Verlusten.

Die WAZ-Beteiligung am „Ku-rier“-Konzern ist jetzt für Hans

Dichand die billigste Lösung seines „Krone“-Problems. Daher haben die deutschen Partner, über ihre Beteiligung von 600 Mü-lionen Schilling hinaus, mit 200 Mülionen den „Kurier“ von Druk-kerei-Verbindlichkeiten befreit.

Das Aufatmen in der „Kurier“-Vorstandsetage ist vernehmbar. Und die Freude, den Konkurrenten von gestern als Kumpan zu haben, groß. Die Kooperation bei Druck und Vertrieb wird unzählige Millionen sparen. Jahr für Jahr. Werbemillionen, mit denen man sich gegenseitig bekriegt hat, sind plötzlich gegen die gemeinsame Konkurrenz verfügbar, der man auch mit einer West-Druckerei näherrücken will. Der bisherige Wettbewerb der beiden größten Tageszeitungen des Landes gerät zum Wett-Bewerb: Wetten, daß der neue Medienmoloch nach bewährtem WAZ-Konzept zum Angriff bläst?

Die WAZ-Gruppe ist in solchen Dingen erfahren. Sie hat alles, was sie konnte, niederkonkurriert. Die Voraussetzungen sind auch bei uns vorhanden. Das Krone-Kurier-WAZ-Kartell kann etwa steigende Papier-, Druck-, Vertriebs- und Personalkosten abfangen, kann damit den Verkaufspreis niedrig halten, bis der Konkurrenz der Atem ausgeht.

Der Moloch kann den Anzeigenmarkt absprechen und damit Mitbewerbern Wasser abgraben.

Vor diesem Hintergrund sind die vertraglichen Garantien, daß die Redaktionen ihre Unabhängigkeit bewahren, ein schwacher Trost. Denn über die wirtschaftlichen Absprachen hinaus zeichnet sich eine „Rqjichsteilung“ ab. Wenn sich der „WAZ-Kurier“ nunmehr als „unabhängige bürgerliche Massenzeitung“ definiert, nimmt er von der Totalkonkurrenz zur „Krone“ Abschied und deutet eine „Entboulevardi-sierung“ mit eindeutiger Stoßrichtung an: Kampf gegen die marktführenden Tageszeitungen in den Bundesländern und die „Presse“. Weniger aggressiv vertraglich formuliert heißt das, „die regionale Verankerung des Kurier auszuweiten“. Nur Einfalt kann da die Medienvielfalt nicht bedroht sehen.

Das ist mit das Ergebnis einer Medienpolitik, die sich im Gelegenheitsgeplänkel über das ORF-Monopol erschöpft hat. Die Hilflosigkeit manifestiert sich in der Erklärung von Finanzminister Ferdinand Lacina, daß — wenn

nicht anders möglich - eine entsprechende öffentliche Unterstützung zur Erhaltung einer vielfältigen Medienlandschaft sorgen müsse. Konsequent wurde zuletzt i die Presseförderung zusammengestrichen.

Werden künftig die österreichischen Steuerzahler WAZ-Gewin-ne auch noch subventionieren? Der Vorschlag, Zeitungen mit erheblicher ausländischer Beteiligung von der österreichischen Presseförderung auszuschließen, läuft auf eine Kraftprobe hinaus: Was trauen sich Politiker gegen „Krone“ und „Kurier“ zu unternehmen?

Variante eins: Sie fürchten sich und unternehmen nichts.

Variante zwei: Sie fürchten sich und blasen die Presseförderung überhaupt ab.

Variante drei: Sie nehmen den Zorn des Medienmolochs auf sich und den Kampf auf.

Im Augenblick ist jede der drei Möglichkeiten drinnen. Die Kapitulation vor der wirtschaftlichen und publizistischen Macht ebenso wie die Kampfansage. Uberwiegt die Angst, wird auch die Forderung nach einer Kartellgesetzgebung, die den Medien-Koloß zur Entflechtung zwingt, rasch wieder verstummen.

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