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Kartellrecht als Barriere

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WAZ tun? Wie steuern andere Länder gegen die Medienkonzentration? Welche Modelle regeln beispielsweise in Frankreich oder Deutschland Wettbewerb und Markt?

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WAZ tun? Wie steuern andere Länder gegen die Medienkonzentration? Welche Modelle regeln beispielsweise in Frankreich oder Deutschland Wettbewerb und Markt?

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Der Schock über die jüngsten Entwicklungen am österreichischen Tageszeitungsmarkt — geprägt durch den Einkauf der bundesdeutschen WAZ-Gruppe in „Krone“ und „Kurier“ und den bevorstehenden Zusammenschluß beider Blätter in Produktion und Vertrieb — sitzt tief. Der Gedanke, daß 57 Prozent der österreichischen Tageszeitungsauflage von Zeitungsmanagern aus dem Ruhrgebiet maßgeblich (mit)gesteuert wird, ist ja wirklich nicht sehr erhebend.

Die Frage ist, ob auf gesetzlichem Weg überhaupt etwas getan werden kann, um weitere Verflechtungen hintanzuhalten und der Konzentration im österreichischen Blätterwald entgegenzuwirken. Mit den starken regionalen Zeitungsmonopolen beziehungsweise Oligopolen stellt Österreich keine Ausnahmeerscheinung im internationalen Vergleich dar. Zeitungs-Regio-nalmonopole sind auch für die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und die USA typisch, werden dort allerdings durch eine breitere Palette an überregionalen Blättern gemildert. Was die österreichische Situation so prekär macht, ist die hohe Auflagenkonzentration auf nationaler Ebene.

Unsere bundesdeutschen Nachbarn haben sich schon Anfang der siebziger Jahre entschlossen, der weiteren Konzentration/Verflechtung im Pressebereich gesetzlich entgegenzusteuern. Presseunternehmen unterliegen in der Bundesrepublik einer verschärften kartellrechtlichen Fusionskontrolle, in deren Rahmen das Bundeskartellamt die Befugnis hat, Zusammenschlüsse von Unternehmen—auch Minderheitsbeteiligungen an anderen Unternehmen werden davon erfaßt — zu untersagen, „wenn zu erwarten ist, daß durch den Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird“, es sei denn, es gelänge den betroffenen Unternehmen der Nachweis, daß durch den strittigen Zusammenschluß auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, welche die Nachteile der Marktbeherrschung aufwiegen.

Bei der Feststellung der Marktbeherrschung wird jeweils auf die speziellen Pressemärkte (überregionale Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Sonntagszeitungen, Regionalzeitungen) abgestellt und untersucht, ob der Zusammenschluß auf diesem Teilmarkt eine Marktbeherrschung erzeugt oder fördert. Das Bundeskartellamt geht davon aus, daß vom Leserstandpunkt aus die Wochenzeitung auch durch überregionale Tageszeitungen nicht substituierbar ist. Das hat zur Folge, daß etwa auf dem Wochenzeitungssektor ein Zusammenschluß oder eine kapitalmäßige Verflechtung zwischen bestehenden Blättern praktisch ausgeschlossen ist.

So hat das Bundeskartellamt vor einigen Jahren - mit Zustimmung des Bundesgerichtshofs -die Beteiligung der Verlagsgruppe Gruner & Jahr (Bertelsmann) an der „Zeit“ abgelehnt, weil Gruner & Jahr zugleich eine Minderheitsbeteiligung am „Spiegel“ gehalten hatte. Der „Zeit“-Verleger Gerd Bucerius mußte sein Lebenswerk auf andere Weise sichern.

Ein ähnliches Schicksal widerfuhr kürzlich den Eigentümern des „Donau-Kurier“ in Ingolstadt im Einzugsbereich von München, die den Fortbestand ihres (an sich lebensfähigen) Blattes durch Hereinnahme des Süddeutschen Verlages, der die „Süddeutsche Zeitung“ in München herausgibt, sichern wollten. Die „SZ“ war bereits Minderheitsbeteiligter und wollte ihren Anteil auf über 50 Prozent anheben. Der Plan scheiterte am Einspruch des Kartellamtes, das davon ausging, daß die „SZ“ im Falle einer Ubernah-meuntersagung sich aus dem „Donaukurier“ zurückziehen und mit einer eigenen Regionalausgabe für Ingolstadt wieder in echten Wettbewerb mit diesem Blatt treten würde.

Auch der Versuch des verstorbenen Axel Springer, den Fortbestand seiner Gruppe durch Beteiligung des Burda-Verlages zu sichern, scheiterte am Einspruch des Kartellamtes.

Ein anderes Modell der Medien-konzentrations-Kontrolle praktizieren die Franzosen: Die Presserechtsgesetze 1986 schaffen ein spezielles Medienkonzentrationsrecht. Die Möglichkeit des Erwerbs von Tageszeitungen wird in der Weise beschränkt, daß die Übernahme einer Tageszeitung ungültig ist, wenn dadurch der Ubernehmende die direkte oder indirekte Kontrolle über mehr als 30 Prozent der verbreiteten Tageszeitungsauflage auf nationaler Ebene erlangt.

Die Franzosen sorgen auch gegen eine Überfremdung ihrer Verlagsunternehmen vor: Ausländer dürfen an einem Unternehmen, das eine französischsprachige Publikation herausgibt, nicht mehr als 20 Prozent des Gesellschaftskapitals oder der Stimmrechte erwerben. Ob eine solche Ausländerklausel mit dem EG-Vertrag vereinbar ist, wird aber auch von französischen Juristen bezweifelt.

Welche Schlußfolgerungen sind zu ziehen?

1. Die Wirksamkeit einer generellen Fusionskontrolle im Pressebereich nach deutschem Muster ist — zumal auf einem so kleinen Markt wie dem österreichischen — äußerst problematisch. Sie kann den Verdrängungswettbewerb und das Entstehen von regionalen Monopolen nicht verhindern, ebenso wie der Gesetzgeber dem Wachstum der Konzerne aus sich heraus nichts entgegensetzen kann. Eine gezielte Presseförderung könnte mehr bewirken als reine Verbote.

2. Um gewisse gesetzliche Schranken wird man aber auch in Österreich nicht herumkommen.

Eine weitere Verflechtung auf dem österreichischen Tageszeitungsmarkt, also zwischen nationalen und regionalen Tageszeitungen, wäre als demokratiegefährlich anzusehen. Entsprechende gesetzliche Schritte sollten rasch überlegt werden.

3. Eine gesetzliche Barriere gegen Auslandsbeteiligungen am Medienmarkt nach französischem Vorbild erscheint wenig zielführend. Es sollte aber überlegt werden, ob österreichische Presseprodukte, die im überwiegenden ausländischen Besitz sind, auch an allen Vergünstigungen der Presseförderung im weitesten Sinn - etwa dem begünstigten Zeitungstarif—teilnehmen sollen.

4. Eine Diskussion über Verlagskonzentration sollte auch die elektronischen Medien im Blickwinkel haben. Es wäre vorzusor-gen, daß hier nicht auf stillschweigendem Wege bestehende Meinungsmonopole verstärkt und die Tendenzen, zu mehr Vielfalt durch die elektronischen Medien frühzeitig verbaut werden.

Der Autor ist Medienrechtsexperte in Wien.

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