Weg mit dem Speck!?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Krise am deutschen Zeitungsmarkt wird auch 2003 weitergehen.

Kurz vor Weihnachten gab es lange Gesichter: Das deutsche Kartellamt untersagte dem Stuttgarter Holtzbrinck-Verlag die Übernahme der vormals zu Gruner + Jahr (Bertelsmann) gehörigen Berliner Zeitung. Daraus entstünde eine marktbeherrschende Stellung am Zeitungsmarkt der deutschen Hauptstadt, argumentierten die Kartellwächter. Holtzbrinck, in Berlin bereits mit dem Tagesspiegel aktiv, hofft nun auf eine Ministererlaubnis.

Dieser vorläufige Schlusspunkt steht am Ende eines höchst turbulenten Jahres im deutschen Blätterwald. Denn nach den "fetten Jahren" 1999 und 2000, in denen sich die Zeitungsbranche dank des New-Economy-Booms eine goldene Nase verdiente, ist seit 2001/02 Schluss mit lustig. Der Anzeigenmarkt brach massiv ein, besonders stark betroffen waren überregionale Tageszeitungen wie die Frankfurter Allgemeine (FAZ) oder die Süddeutsche Zeitung. Dort liegt das Minus bei den Stellenanzeigen sogar bei fast 50 Prozent. Die Folge: Allein die Süddeutsche wird bis Ende 2004 rund 20 Prozent ihrer 5.000 Mitarbeiter abbauen.

Der Flop: Redaktionsfusion

"Man hat in den fetten Jahren viel Speck angesetzt", meint Dirk Rumberg, Unternehmenssprecher des Süddeutschen Verlages. Ein Weg, die Krise zu bewältigen, seien Kooperationen. So hat die Süddeutsche kürzlich erst eine Zusammenlegung der Stellenanzeigen mit der Frankfurter Rundschau begonnen. "Es muss Kooperationen in Bereichen geben, die der Leser nicht merkt, etwa im Vertrieb", meint Rumberg. "Es gibt Prognosen, dass in Deutschland langfristig nur zwei überregionale Zeitungen überleben werden. Eine davon wird die Süddeutsche sein", ist Rumberg sicher. Von einer derzeit beliebten Maßnahme zur Kostenreduktion, der Zusammenlegung von Zeitungsredaktionen, hält er nichts.

So eine Zusammenlegung gab es bereits 2001 in Europas größtem Verlagshaus Axel Springer. Dort wurden die Redaktionen von der Welt und der Berliner Morgenpost vereint. "Die journalistische Qualität hat darunter nicht gelitten", sagt Edda Fels, Sprecherin des Springer-Konzerns, dessen Jahresergebnis 2002 "positiv" ausfallen werde. "Wir haben die Krise rechtzeitig erkannt", ist Fels überzeugt. Die Cash Cows des Unternehmens, die Bild-Zeitung und das Hamburger Abendblatt, erbrachten dennoch nicht genug: Rund 10 Prozent der Stellen bei Springer wurden 2002 gestrichen. 2003 soll es weitere "Personalanpassungen" geben. Bei den Journalisten zu sparen sei aber der falsche Weg: "Speck abbauen ja, aber ans Muskelfleisch, an unsere Journalisten, dürfen wir nicht gehen", meint Fels.

Unisono dazu die Meinung von Rolf Lautenbach, Chef des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) und Betriebsratsvorsitzender der Essener WAZ-Gruppe: "Die Qualität der Zeitungen darf nicht leiden, sonst steuern wir in eine Katastrophe. Die Ausdünnung der Redaktionen ist schon jetzt spürbar, gerade im Fall einer Redaktionsfusion wie bei Welt und Morgenpost".

Lautenbach ortet die Schuld für die Zeitungskrise nicht allein im schrumpfenden Anzeigengeschäft: "Vielerorts gab es auch gravierende Managementfehler. Überhaupt: Viele Verleger sind heute keine Verleger mehr, sondern Manager, denen die Beziehung zum Produkt fehlt und denen es egal ist, ob sie Zeitungen herausgeben oder Brötchen backen".

Also zurück zum "Kerngeschäft": Die FAZ trennte sich von ihrem Business-Radio und ihrer Büchersparte. Springer stellte mit dem Verkauf seiner Anteile an der Tiroler Tageszeitung sein Engagement in Österreich vollkommen ein und will künftig mehr in Polen, Ungarn und Russland aktiv werden. Die Süddeutsche holte sich trotz gestiegener Auflage finanzielle Hilfe von der Südwestdeutschen Medienholding. Im Internet will die Süddeutsche künftig auf Rubrikenportale (Autos, Immobilien) setzen, die das verloren gegangene Geschäft bei den Print-Anzeigen auffangen sollen. Nur ein Verleger, der öffentlichkeitsscheue Hamburger Heinz Bauer, will weiter expandieren: Er beabsichtigt, für kolportierte 700 Millionen Euro die Überbleibsel des Kirch-Imperiums aufzukaufen.

Schlechte Zeit für Journalisten

Dass die deutsche Zeitungskrise sich nicht allzu sehr auf Österreich übertragen hat, liegt nach allgemeiner Auffassung vor allem an der hiesigen hohen Medienkonzentration. Allerdings muss in Hinkunft auch mit beträchtlichem Kostendruck gerechnet werden: Fast kein Verlag in Österreich kommt heute ohne deutschen Partner aus.

"Es ist jedenfalls keine gute Zeit, um Journalist zu werden", meint Dirk Rumberg von der Süddeutschen. "Wer diesen Beruf ergreifen will, lässt sich ohnehin von nichts abschrecken", entgegnet Rolf Lautenbach, DJV. Einig sind die Medienmacher nur in einem Punkt: "Es gibt für 2003 keine Anzeichen, die uns optimistisch stimmen. Diese existenzbedrohende Krise wird weitergehen", sagt Edda Fels von Springer. "Wir erwarten kein Wirtschaftswunder", meint auch Dirk Rumberg. Rolf Lautenbach sieht zwar ebenso kein Licht am Ende des Tunnels, meint aber: "Eine solche Krise muss auch als Chance verstanden werden: Die Redaktionen müssen wieder mehr Kreativität entwickeln und eingefahrene Gleise verlassen". Wie wahr: Schließlich sind es die Leser, die einer Zeitung ihre Berechtigung geben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung