Altertümliche Bewegungen im TV-Sektor

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So trügerisch die Selbstsicherheit auf dem vermeintlich uneinnehmbaren Küniglberg war, so falsch ist die Fremdeinschätzung von der angeblich festgefügten Medienlandschaft Österreich. Die Krone bleibt zwar mit 2,94 Millionen täglichen Lesern die relativ größte Tageszeitung der Welt. Doch 41,9% Reichweite bei den über 14-jährigen Österreichern sind ihr schlechtester Wert seit 1995.

Vor einer Woche war Zeugnisverteilung im höchstkonzentrierten Medienmarkt. Die Kleine Zeitung (11,8%) ist hier Nr. 2, obwohl sie bloß Kärnten und die Steiermark abdeckt. Dahinter folgt schon Österreich (10%). Erstmals ausgewiesen von jener zwei Millionen Euro teuren Media-Analyse (MA), deren 16.000 Interviews sie zur größten Marktforschung Österreichs erheben. Die Ausgabe für 2008 verweist den Kurier (8,9%) in Schranken, sorgt beim Standard (5,5%) für Jubel und erzeugt in der Presse (3,4%) schiere Ratlosigkeit. Von Gewinnen und Verlusten zu sprechen, verbieten meistens die Schwankungsbreiten und Signifikanzregeln. Dass in der MA-Vermarktung der Überschwang dennoch oft Oberhand gewinnt, ist ein lukratives Geschäft für spezialisierte Anwälte. Manche Medienhäuser überziehen sich mit Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs.

Vermarktung und Klagen

Also ist es eine Gratwanderung zu schreiben, dass die Salzburger Nachrichten (3,7%) im Wettbewerb der selbst deklarierten Qualitätszeitungen zwar an der Presse vorbeizogen, den Bundeserfolg aber als Landeszweite bezahlen: Daheim wächst der Rückstand zur Krone (41,9:39,0%).

Um die wahre Veränderung im Tagesgeschäft zu beschreiben, reicht selbst die große Media-Analyse nicht aus. Heute wird dort als Gratisprodukt nicht erfasst. Die Konkurrenz-Marktforschung Regioprint mit immerhin 6.000 Interviews weist dem zweiten Dichand-Tabloid aber schon 27% Reichweite in Wien aus. Unterdessen liegt - nun wieder laut MA - bei den Magazinen Die ganze Woche (13,5%) weiter vor News (12%) und Profil (5,7%).

Die Media-Analyse vergleicht auch die Reichweiten der einzelnen Gattungen: Demnach konsumieren von den Österreichern über 14 täglich 82,1% (82,8) Radio, 72,9% (76,1) Tageszeitungen, 63,4% (77,7) Fernsehen und 41,7% (7,5) Internet. Die Zahlen in Klammern stammen von 1999 und zeigen das Problem der gesamten Branche: Die bisherigen cash-cows Print und TV verlieren Publikum Richtung Online. Doch die gesamte Presse generierte 2008 noch 45% des 3,3 Milliarden Euro schweren Werbekuchens, Fernsehen fast ein Fünftel, doch das Internet erst 2,6%. Das Umsatzwachstum ist dort von 77 auf 34 Prozentpunkte abgeflacht. Wie die Zunahme der Gesamtreichweite: Von 40,4 nur auf 41,7%. Doch Der Standard liefert sich im Netz ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit jener Krone, die in der Papierform eine zehnmal höhere Verkaufsauflage hat. Das Web erschüttert selbst ehern geglaubte Medienmachtverhältnisse.

Daneben muten die altertümlichen Bewegungen im TV-Sektor geradezu gemächlich an. Die Tagesreichweiten von ORF 2 (40,4%) und ORF 1 (32,7%) wirken einlullend beruhigend neben den 13,5% für ATV. Doch RTL, ProSieben und Sat.1 liegen bereits über 15% und ihre Österreich-Fenster haben durchwegs mehr als 740.000 tägliche Seher. Der Fernsehmarktanteil des ORF betrug 2008 nur noch knapp 42% und im Jänner waren seine TV-Werbeeinnahmen erstmals niedriger als jene der Privaten.

Medien-Dinosaurier

Während sich deshalb schon alle Krokodile sorgen, was aus dem Öffentlich-Rechtlichen wird, formiert sich im anderen Reich der Medien-Dinosaurier ein Angriff auf die größte Reichweite der Branche: Durch das Joint Venture der Regionalmedien Austria AG installieren Styria und Moser Holding einen Wochenzeitungsring mit bald noch mehr Publikum als die nahezu 3,6 Millionen Krone-Leser am Sonntag. Die größte Herausforderung für Heute bleibt unterdessen die Altpapier-Entsorgung auf den Bahnhöfen.

* Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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