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Kommt jetzt der „Kronen-Kurier“?

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Die schöne Szene ist gewiß noch jedermann in Erinne rung: SPÖ- und Regierungschef Kreisky, umringt von aufge regten Journalisten und Gewerkschaftlern, meditiert vor de TV-Kamera über die notwendige Transparenz des Zeitungs marktes. Von vielem ist die Rede.

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Die schöne Szene ist gewiß noch jedermann in Erinne rung: SPÖ- und Regierungschef Kreisky, umringt von aufge regten Journalisten und Gewerkschaftlern, meditiert vor de TV-Kamera über die notwendige Transparenz des Zeitungs marktes. Von vielem ist die Rede.

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Ein Offenlegungsgesetz wird kom men, damit jedermann feststellei kann, wem eine Zeitung wirklich ge hört; eine Novelle zum Journalisten gesetz wird verhindern, daß Redak tionen wie ein Rennstall verkauf werden können; der Demokratisie rung wird eine Gasse geschlagen dem Meinungspluralismus, diesen Elixier freier Gesellschaften, ein un endlich weites Feld gesichert wer den. Ein wohltuender und mächtige Strom an „Meinungsfreundlichkeit rauschte auf die hitzigen Diskutan ten im Studio und auf gut eine Mil lion Zuseher nieder.

Profaner Anlaß zu so hochgemute Besinnlichkeit war der soeben zu stände gekommene Verkauf de sozialistischen Boulevardblatte

„Express“ an die Namensgeber de Firma Dichand & Falk GmbH & Cc KG, sowie deren erste Maßnahme die darin bestand, das Blatt um gehend einzustellen.

Was viele Diskutanten ganz be sonders erregte, war der Umstand daß ein sozialistisches Blatt, das sei nerzeit mit rund 26 sozialistischer Millionen und einem handfestei „Zeitungskrieg“ mit Molden und Ba eher gegründet worden war, au: diese Weise in die Hände von Leutei geriet, die bisher bei der SPÖ unc im ÖGB als eine Art „Staatsfeindi Nr. 1“ gegolten hatten. Es war nocl nicht gar so lange her, da sollter Dichand und Falk samt ihrer „vor Olah stammenden ,Kronen-Zei tung' “ auf inbrünstigen Wunsch dei „Arbeiter-Zeitung“ einfach „ausgeräuchert“ werden.

Und nun das! So etwas durfte siel nie mehr wiederholen.

Mittlerweile sind die schönen Gesetze, von denen Kreisky damals sprach, als unausgegorene, höchs umstrittene Entwürfe „in Umlauf gegangen und vergilben irgendwo Dafür hat die Firma Dichand & Fall* die (bessere, weil mit der Geschäftsführung verbundene) Hälfte de; vormals Moldenschen, dann dei BAWAG gehörenden „Pressehauses' übernommen. Den Kredit dazu bekamen sie auch von der BAWAG, ar der sie bis dahin kaum ein gute! Haar gelassen hatten: ÖGB-Präsi-dent und BAWAG-Generaldirektoi Klenner waren der '„Kronen-Zeitung“ beliebte Zielscheiben fast täglichen Spottes gewesen, lieber noch als Slavik, Broda, Rosenzweig unc andere. Optimisten hielten damii „den Aufstieg von Falk unc Dichand“ für abgeschlossen. Optimisten irren sich zumeist (auch Kreiskj bekennt gerne: „Ich bin da Optimist!“). Schon sehr bald machte da: übrigens niemals wirklich dementierte Gerücht die Runde, da: Dichand-Falksche unternehmen bekäme auch den Rest der Pressehaus-Anteile, samt dem dafür nötiger Kredit dazu. Doch heute weiß man auch das ist nur der Auftakt zu einem weiteren und größeren Spie gewesen.

Als am 8. Juni ein kleiner Trupt cleverer Verlagsexperten in Schwechat die AUA-Maschine bestieg, die sie über München nach Hamburg zurückbringen sollte, führten sie in prallen Aktentaschen Unterlagen über den „Kurier“ und das Druck-und Verlagsunternehmen Wald-heim-Eberle, Dr. Ludwig Polsterer, mit sich. Sie waren nicht der erste und nicht der letzte Trupp, der sich auf diese Reise gemacht hatte und nicht alle davon kamen aus Hamburg. Einige auch aus dem Schlotd le revier von Wuppertal, wo die h INGEBE ihre Residenz besitzt. Die n INGEBE ist jenes finanzstarke Insti-n tut in der BRD, das sich mit der w Verwaltung und der Anlage vorwiest gend von der Gewerkschaft stam-:- mender Gelder befaßt. Und die INGEBE hatte schon beim „Ex-Ii press“- und Pressehausgeschäft ihre Hände im Spiel. Nicht so zufällig, s- denn die INGEBE steht in einem ge-s wissen gegenseitigen BeteUigungs-t Verhältnis auch bei der BAWAG “ Bei ihr, so scheint es, schürzt sich j. wiederum der Knoten, k Das alles ging vor sich, ohne daß ;_ Bruno Kreisky, von dem es heißt, er :s wisse davon, sich bewogen fühlte, T auf die Tendenzen des zuvor konzi-;“ pierten „Offenlegungsgesetzes“, der “ viel und oft berufenen „Transparenz n des Medienmarktes“ und den im-!S merhin sich bedrohlich einengenden “ „Pluralismus der öffentlichen Mei-ir nung“1 zurückzukommen. Mag sein, •~ daß er es für richtig hält, wenn sich ein Regierungschef nicht um so sub-h tile Marktvorgänge kümmert. ,*? So ist es nicht Dr. Kreisky, son-l* dem vielmehr der Grazer „Kleinen Zeitung“ zu danken, daß sie zuerst aufgeschnappte und zugewehte Ge-y rüchte an die Öffentlichkeit brachte.

Und damit wurde klar, was nur IS einige wenige schon länger wußten: nun wird auch der „Kurier“ ver-'s kauft.

._ Bei „Transaktionen“ — so nannte n es jedenfalls die „Arbeiter-Zeitung'' .. mit gut gespielter Vornehmheit —, u noch dazu bei solchen auf dem „Mei-,j nungsmarkt“, pflegt man „in der Branche“ alsbald wie nach einem p alten Ritual zuerst „Springer“ zu sa-,_ gen und dann der Reihe nach die Namen anderer Bekannter aufzu-_ zählen. Eine Methode, die auch bisher dem „Kurier“ liebgewordener Brauch gewesen ist, ob es sich nun einmal um „Die Presse“, ein anderes Mal um „Die Furche“ oder wen auch immer gehandelt hat. Lautstark wird dann das Einfließen ausländischen Kapitals beklagt und werden „letzte Warnungen“ ausgegeben.

Diesmal schwieg der „Kurier“. Und was noch schwerer wiegt, auch die anderen zwei der „Großen Drei“ unter Österreichs Meinungsmachern, die „Kronen-Zeitung“ und der ORF, schwiegen oder gaben sich unge-_ wohnt lakonisch. Das ist neu, denn stets sind sie bisher über jede solche oder ähnliche Meldung hergefallen, dann über den, auf welchen sich die Meldung bezog, und zuletzt meist auch noch übereinander.

Die jetzt geübte äußerste Disziplin wäre vielleicht sogar zu begrüßen, übersähe man den Hintergrund. Nachdem nämlich genug lange über „Springer“, „Bauer“, „Gruner und Jahr“ und alle möglichen anderen gerätselt worden war, trat aus dem imaginären Käuferkreis der einzige und wahre Favorit hervor: Kurt Falk, jetzt schon Teilhaber (so steht es zumindest in den Registern) der „Kronen-Zeitung“ und des „Pressehauses“. Natürlich nicht Falk allein, das wissen die Auguren, aber doch nur er deutlich auszumachen.

Wieder bot die „Arbeiter-Zeitung“ wertvolle Orientierungshilfe. Ein „Bankenkonsortium“, berichtete sie, werde die „Transaktion finanzieren“, da..iwerde , wahrscheinlich die Län-. derbank, die BAWAG und die Girozentrale zusammengehen. Denn Falk müsse immerhin dem Dr. Polsterer an die „400 Millionen Schilling für Blatt und Druckerei“ bezahlen.

Das ist natürlich schwer vorstellbar, daß Kurt Falk, auch wenn er reich geworden ist, so reich wurde, daß sein Reichtum für solche stolzen Preise reicht. Schwer vorstellbar ist auch, daß Dr. Polsterer sein Großunternehmen, gewissermaßen „mit Mann und Roß und Wagen“ ausgerechnet jenem Kurt Falk verkauft, dem der „Kurier“ — noch gar nicht lange ist es her — eine ganze Serie widmete, die mit Vorwürfen und Verdächtigungen so gespickt war, daß dabei ein Rattenschwanz immer noch schwelender Prozesse herauskam. So mag denn der Schrei „Der Falk ist da!“ noch in letzter Minute bewirken, daß sich die Konsorten einen anderen suchen, schon um der Schicklichkeit willen, die da ins Gerede kommt.

Übrigens gibt es auch, und nicht nur „gerüchteweise“, andere Interessenten. Da aber auch diese schweigen und über sie so beredt geschwiegen wird, sind vielleicht die Gründe dieser Transaktion zunächst der interessantere Teil.

Der „Kurier“, so lange „Österreichs größte Tageszeitung“, bis ihm die „Kronen-Zeitung“ diesen Titel vor Gericht mit Erfolg streitig machte, erlebte nach steilem Aufstieg (eingeleitet vom damaligen Chefredakteur Hans Dichand, später Kompagnon des Kurt Falk) speziell nach Abgang seines nächsten Chefredakteurs Dr. Portisch eine unverkennbare Stagnation, vor allem wohl aus zwei Gründen: in der Konkurrenz mit der „Kronen-Zeitung“ und dem Fernsehen — wohin sich übrigens Dr. Portisch begeben hatte — schien er seinen „Plafond“ erreicht zu haben, auch im Anzeigengeschäft. Was weiter stieg und weiter steigt, sind die Kosten, und zwar ungleich rascher als Zeitungspreis und Anzeigenerlös. Diesen „toten Punkt“ zu überwinden, wären enorme Investitionsstöße notwendig: materielle und personelle (bei letz-

„Kronen-Zeitung“ und dem ORF, der Nachwuchs und Stammannschaften stets ganz oder teilweise absaugt). Auch Marktabsprachen mit der „Kronen-Zeitung“ nach der Rückkehr Dr. Portischs brachten da keine wesentliche Besserung. Das ist der eine Grund.

Der andere: eine schwelende „Führungskrise“, die offenkundig an verschiedenen Temperamenten, Vorstellungen und anderen Unvereinbarkeiten sich immer neu entzündet hat. Das war für einen „neuen Anlauf“ keine gute Voraussetzung. Tatsächlich hat ja Dr. Portisch, von dem es einmal auch geheißen hatte, er habe sich der „Kronen-Zeitung“ verpflichtet, dann aber wieder anders besonnen, seinen Vertrag mit dem „Kurier“-Verlag aufgekündigt, weil er keine Möglichkeit sah, sein „Reorganisationskonzept durchzuführen“. Es- mag sein, daß ihm diese Möglichkeiten auch fehlten, weil — übrigens ähnlich wie im „Fall Struwe“ im „Express“ — die Würfel schon auf „Verkauf“ gefallen waren. So brachte auch die Rückkehr Doktor Portischs nicht den sichtbaren Erfolg. Da Dr. Polsterer sich nicht fit genug fühlt, das Unternehmen weiterzuführen und sich schon seit Jahren mit Verkaufskombinationen beschäftigte, überrascht das Faktum wenig.

Mehr schon das Faktum, wem nun verkauft wird. Ist es die Gruppe, deren Namen, sagen wir einmal, „Falk“ ist, dann gibt es dafür gleich ein ganzes Bündel wohlerwogener Interessen.

• Es könnte immerhin sein, daß der Bandwurmprozeß mit oder gegen Olah (so ganz genau weiß man das ja nie!), Piatnik, Karpik usw. für die derzeitigen Besitzer der „Kronen-Zeitung“ unglücklich endet. Das wäre auch für deren Kreditgeber kein wahrer Spaß mehr.

• Dann mag es gut sein, auch den „Kurier“ und sein Druckhaus zu besitzen. Sozusagen an der „Hinterhand“ — den „Prozeß-Siegern“ fiele dann eine einigermaßen entleerte „Kronen-Zeitung“ zu und da sie das wohl nicht wollen können, gäbe es einen wichtigen Grund für „zielführende Verhandlungen“.

• Endet der Prozeß nach endlosem — und kostspieligem — Instanzenweg aber glücklich, so ist der Besitz der zwei größten Zeitungs- und Druckunternehmungen kein Nachteil. Man kann entweder fusionieren, (etwa zum „Kronen-Kurier“), jedenfalls aber gewisse Bereiche: Verwaltung, Marketing, Papier- und anderen Einkauf, Vertrieb (!) usw. zusammenlegen, die Kosten-Nutzen-Rechnung verbessert sich, auch für das Anzeigengeschäft bieten sich vorteilhafte Kombinationen an.

• Mit „Kurier“ und „Kronen-Zeitung“ in gleichen Händen läßt sich auch der „Lesermarkt“ beinahe monopolartig „bestreichen“ — „gehobenes Boulevard-“ und „Haus-mastablatt“ zusammen sind von einer Marktgröße, die kaum einen Vergleich in der Welt scheuen müßte.

• Dazu käme, sozusagen als „Nebenprodukt“, eine „Marktführung“ im Herausgeberverband, eine starke Dominierung der Austria-Presse-Agentur (Genossenschaft der Zeitungsverlage) und ein völlig neuartiger Konkurrenzstatus zum ORF heraus. Das sind schöne Sachen, für die mitunter ausgesprochene Liebhaberpreise gezahlt werden, auch wenn das Sammeln von Zeitungsverlagen und Druckhäusern noch nicht zum verbreiteten Freizeithobby geworden ist.

• Seit Dr. Kreisky sich auch den Scherz erlaubte, ums nackte Überleben ringenden Zeitungsverlagen zu raten, sich zusammen mit einigen Giganten ein „zweites Fernsehen“ zuzulegen, sieht eine solche Kombination, eigentlich ein Kombinat, schon wieder anders aus. Kurt Falk hat dazu bekanntlich niemals „Nein“ gesagt, Hugo Portisch aber schon!

Alles weitere könnte man eigentlich der Phantasie des geneigten Lesers überlassen. Sie wird ohnedies nicht reichen, sich alles auszumalen.

Andere Kombinationen — man sprach von „Industriellen“ oder „Industriegruppen“, was auch nicht gerade neu ist — stehen finanziell und „ sachlich auf schwächeren Füßen. I Konnten (oder wollten) sie schon „Die Presse“ niemals wirklich erhalten, sondern eben bloß so über Wasser (was auch nicht hätte sein müssen, sondern Produkt eines seltsam gebrochenen Verhältnisses zur Zeitung, dem „unbekannten Wesen“ ist, was auch für eine Reihe von Banken zutrifft, die sich auch jetzt „heraushalten“ möchten) — wie sollten sie ' nun alleine diesen Brocken verdauen?

Daß die „Sachzwänge“ der technischen und kommerziellen Entwicklung gerade im Druckereiwesen, im Vertrieb und folglich auch bei Tageszeitungen dem „Gesetz der großen Serie“ folgen, dieser oft gehörte , Einwand hat seine Richtigkeit: es wird wohl nur noch sehr große, oder sehr kleine, spezielle Blätter geben, j Besonders, wenn es Kreisky und sein Team, wie sie sagen „aus grundsätzlichen Erwägungen“, ablehnen, jene in aller demokratischen Weit längst üblichen Förderungsmaßnahmen wirken zu lassen, die ^ allein eine gewünschte Meinungs-pluralität erhalten können; das heißt nicht, nach „Steuergeschenken“ rufen, die in dieser Form auch nicht ^ begehrt werden. Aber es gibt fiskalische, postalische und eine Reihe ^ von anderen Förderungen, die sehr wohl imstande wären, den zugegeben besonders devastierten Zeitungsmarkt in Österreich wieder in ^ sein Gleichgewicht zu bringen.

Es mag sein, daß Kurt Falk wirklich nur ein besonders erfolgreicher | Technokrat ist. Und sicher würde er f den „Kurier“ lieber allein als mit übermächtigen Partnern kaufen. Auf . dem Felde der freien Wirtschaft k kann man ihm den Kauf, Dr. Polste-5 rer nicht den Verkauf verwehren — , alles andere ist da eine Sache des persönlichen Geschmackes, eine Stil-. frage. Was aber mehr noch als allen . Beteiligten allen anderen, schlechthin „der Gesellschaft“, nicht gleich-k gültig sein kann und darf, sind die „Nebeninteressen“, die sehr oft die hauptsächlichen sind, die da mit ins , Spiel kommen — und die ganze , offenkundige opportunistische Un-, Wahrhaftigkeit des Geschwätzes von 5 „Transparenz“, „Anbimonopolismus“, „Pluralismus“ und anderen vorgetäuschten Abstraktionen. Wer immer aus dem Getümmel als r „Sieger“ hervorgehen wird, ob eine • anonyme Aktiengesellschaft, ein . Bankenkonsortium (mit oder ohne i Falk), vielleicht sogar eine „Stif-i tung“: jene schönen Vorsätze, die ; man bei dem eingangs erwähnten TV-Meeting vernommen hat, sind ! zersprungen wie Seifenblasen. Der . „mündige, informierte Bürger“, von . dem sie jeden Tag reden und reden, j sitzt wieder einmal da und reibt die . Augen. Etwas Scharfes ist ihm hineingeraten.

Übrigens, die weitverbreitete Mei-i nung, es handle sich hier wieder nur i um eine „Krise auf dem Wiener Zei-

■ tungsmarkt“, ist falsch. Angesichts

■ der Objekte und ihrer Reichweite, i angesichts der Kombinate und Mo-i nopole ist das ein österreichischer i Fall. Vielleicht sogar ein noch größerer! Man wind ja sehen ...

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