6976812-1985_48_59.jpg
Digital In Arbeit

Erbe und Auftrag

Werbung
Werbung
Werbung

Kurt Skalnik:

Herausfordernd

„Schreib doch auch einmal etwas für uns!“ Mit dieser Einladung überraschte mich im Jänner 1948 der mir seit den Tagen der 05 im Palais Auersperg freundschaftlich verbundene damalige Redakteur der FURCHE, Georg Zimmer-Lehmann. Einmal für die FURCHE einen Artikel schreiben — welche Kühnheit!

Ein Thema reizte mich: einmal einen Vergleich zwischen den studentischen Generationen der Jahre 1848 und jener 1948 zu wagen. Zu meiner Überraschung fand ich diesen Versuch bereits in der nächsten Nummer der FURCHE, und zwar als Leitartikel. Freilich mit dem Untertitel „Stimme der Jugend“. Mit anderen Worten, jedoch nicht ausgesprochen: „Nehmt ihn nicht allzu ernst!“

Im Herbst des gleichen Jahres bat mich Funder brieflich zu einem Besuch, „um mir ein Angebot zu machen“. Als Redaktionsaspirant zog ich in die Strozzi-gasse ein, um bald auf den von Zimmer-Lehmann, der in die Creditanstalt übersiedelte, geräumten Redaktionsstuhl eines politischen Redakteurs zu wechseln. Mit Jörg Mauthe, dem Kunstkritiker jener Jahre, bezog ich das „Kinderzimmer“, wie es der liebenswürdige Cary Peez nannte.

Bald stellte sich hier als redaktioneller Mitarbeiter auch Adam Wandruszka ein. Fritz Heer wandelte mit ständig umwölkter Stirn durch die Redaktionsräume. Helmut Fiechtner feilte in der Nachbarschaft an seinen Musikkritiken. Roman Herle war nicht nur der anerkannte Papst der katholischen Filmkritik, sondern auch ein erfahrener „Chef vom Dienst“. Willy Lorenz hatte als Hersteller im Buchverlag seine große Zeit.

Uber jedes Manuskript wachte

— bevor dieses in die Setzerei ging

— mit strengem Blick Altmeister Friedrich Funder, bevor er sich nach einem Herzinfarkt — bereits hochbetagt — zur Abfassung seiner Memoiren immer stärker vom redaktionellen Alltag loslöste.

1957 erlitt Roman Herle mitten in der redaktionellen Arbeit einen Nervenzusammenbruch. Ich sprang in die Bresche und übernahm mit 32 Jahren de facto — ohne und später mit Titel - die Chefredaktion, um sie bis Ende 1967 auszuüben. Mir war von Anfang an klar, daß ein Blatt wie die FURCHE nie eine Massenauflage erzielen könne. Aber eines mußte sie: eine eigene, ganz spezielle Handschrift vorweisen, um auf der journalistischen Börse zu notieren. Und das ging und geht nur, wenn man den Mut hat, heiße Eisen anzufassen. Freilich kann man sich dabei auch die Finger verbrennen. Das ist ja auch geschehen.

Meine „Blattphilosophie“? Ich habe sie in einem Abschiedswort (FURCHE 51/52/1967) skizziert: „Für offene Katholizität, für die alle Parteischranken überwindende und von niemand anderem als von Kardinal Erzbischof Dr. Franz König am vornehmsten repräsentierte integrierende Funktion der Kirche in Österreich einzutreten, war der unter meiner Führung stehenden Redaktion eine Ehrenpflicht. Alle Versuche, den geistigen Konsens, zu dem sich 1945 Österreicher aller Couleurs auf Grund der Lehren der Vergangenheit zusammengefunden hatten, abzubauen und wieder unüberbrückbare Gräben zwischen .rechts' und .links' in diesem Land zu ziehen, forderten uns heraus. Ein neuer deutscher Nationalismus der verschiedensten Spielarten mußte von Menschen, die ein .österreichisches Österreich' wollen und in unserer Neutralität die ausbaufähige Möglichkeit sahen, am Kreuzweg Europas in völlig neuer Form alte österreichische Friedensaufgaben zu erfüllen, zurückgewiesen werden. Mehr in dieser Stunde zu sagen, ist nicht möglich.“

Kurt Skalnik ist heute als Sektionschef Leiter des Presse- und Informationsdienstes der Präsidentschaftskanzlei.

Willy Lorenz:

Harte Schule

Mit der FURCHE trat ich bereits in Beziehung, als sie noch gar nicht existierte. Es war im August oder September 1945, als einmal Emil Mika, den ich bereits aus der Zeit des Krieges kannte und der dann der erste — leider im Mai 1946 verstorbene — Chefredakteur der FURCHE werden sollte, zu mir kam und sagte, Friedrich Funder plane die Herausgäbe einer kulturpolitischen Wochenschrift, die streng christlich ausgerichtet sein solle. Funder selbst wolle Herausgeber dieser Zeitschrift werden, er, Mika, solle ihr Chefredakteur werden. Funder habe ihn beauftragt, bereits jetzt Artikel für die ersten Nummern dieser Wochenzeitung einzusammeln und Mitarbeiter zu werben. Ob ich nicht Lust habe, auch mitzuarbeiten?

Natürlich sagte ich zu, und da der 75. Geburtstag Rilkes nahte, schrieb ich einen Artikel „Rainer Maria Rilke und Böhmen“, der dann tatsächlich in der zweiten Nummer der FURCHE Dezember 1945 erschien.

Anfang März 1946 frug mich Friedrich Funder plötzlich, ob ich nicht Lust hätte, als Redakteur in die FURCHE einzutreten. Natürlich nahm ich das Angebot an. Ab 15. März gehörte ich somit auch der FURCHE an, blieb bei ihr bis Ende 1975, also fast 30 Jahre.

Friedrich Funder hatte nie einen journalistischen Lehrmeister gehabt. Er war Autodidakt. Dank seines angeborenen Talents hatte er sich zur Höhe, die er schließlich einnahm, entwickelt. Er glaubte daher, daß auch jeder Neuling von sich aus zur Vollkommenheit gelangen könne.

Funder wurde deshalb, wenn eine Arbeit nicht so ausgefallen war, wie er hoffte, ungeduldig, was er rührenderweise immer als Fehler zugab. Ebenso rührend war es, wenn er zugab, daß er überhaupt kein pädagogisches Talent besaß. Er schrieb fast alle unsere Artikel um, was wir Jungen dahin deuteten, daß unsere Arbeit schlecht war.

Ich erinnere mich noch an eine Weihnachtsfeier, wo Georg Zimmer-Lehmann in Gegenwart

Funders sagte, daß die FURCHE für ihn eigentlich eine Rätselzeitung sei. Jedesmal, wenn eine Nummer erscheine, rätsle er, was aus einem seiner Beiträge geworden war. Einmal sagte Mauthe ganz traurig zu mir, Funder habe einen Beitrag von ihm ganz umgeschrieben, eigentlich müßte er gehen, aber leider benötige er die 400 Schilling, die er im Monat verdiene.

Aber durch diese harte Schule, durch die wir gingen, lernten dann doch alle das an sich recht harte Geschäft des Journalismus.

Mitte 1946 frug mich der damalige Generaldirektor des Herold-Verlages, der damals einen Buchverlag aufzubauen begann, ob ich nicht Lust hätte, Hersteller in diesem Verlag zu werden — ich war ja gelernter und geprüfter Verlagsbuchhändler Mnd hatte beim Zsolnay-Verlag und beim Frick-Verlag gearbeitet. Ich kannte somit auch diese Branche, und natürlich nahm ich dieses Angebot an und hMte nun plötzlich zwei Berufe in einem Haus. Und diese beiden Berufe hielt ich bei, auch in den Jahren, als ich Geschäftsführer des Hauses Herold, dann sogar Herausgeber der FURCHE und für eine gewisse Zeit auch deren Chefredakteur wurde, bis ich 1975 das Haus endgültig und für immer verließ.

Willy Lorenz ist heute Dozent am Institut für Neuere Geschichte in Graz und war zuvor Presse- und Kulturrat an der österreichischen Botschaft in Prag.

Hans Magenschab:

Im Umbruch

Die bislang beschriebene Geschichte der Ära Kreisky geht von der Grundtatsache aus, daß die Sozialdemokratie in Österreich 1970 die historische Chance zur Umgestaltung der Gesellschaft erhalten hatte — und diese auch nützte. Noch ist daher bloß journalistisch darzustellen, was dies damals für das nichtsozialistische Österreich bedeutete -nämlich ein schmerzvolles Abschiednehmen von Macht und Einfluß.

Die Zeit meiner Tätigkeit in der FURCHE-Redaktion - zuerst als innenpolitischer Ressortleiter, dann als stellvertretender und schließlich als verantwortlicher Chefredakteur — fiel just in diese Phase des Umbruchs. Noch hatten zu Beginn meiner Redaktionstätigkeit die Auseinandersetzung zwischen Links- und Rechtskatholizismus, zwischen „Konziliaristen“ und „Traditionalisten“, die intellektuelle Diskussion beherrscht — doch sehr bald stellte sich heraus, daß Fragen von religiöser Tragweite sowieso systematisch aus der öffentlichen Diskussion abgedrängt wurden.

Im Zuge der 68er-Bewegung hatten ganz neue Fragestellungen Vorrang; und bedauerlicherweise zeigte sich, daß der Rückzug der Amtskirche aus dem politischen Leben auch von den Katholiken — selbst in verantwortungsvollen Positionen — mißverstanden wurde. Das erfolglose Volksbegehren der „Aktion Leben“ machte auch erstmals deutlich, daß die Christen in Österreich in Wahrheit in eine Diasporasituation geraten waren und der Fluß der öffentlichen Meinungsbildung an ihnen vorbeizog.

Mein Versuch, die FURCHE aus den innerkatholischen Querelen herauszuhalten und sie auch für Intellektuelle anderer Gruppierungen zu öffnen, gelang nur teilweise. Haupthindernis war die wirtschaftlich immer trostloser werdende Situation des Herold-Verlages, der die FURCHE herausgab; daneben auch eine von Kleinlichkeiten und Eitelkeiten geprägte katholische Szene, die sich der Bedeutung einer Wochenzeitschrift auf hohem Niveau einfach zu wenig bewußt war.

Hans Magenschab ist heute Chefredakteur der „Wochenpresse“.

Felix Gamillscheg:

Neuer Anfang

Zwei Jahre Chefredakteur, sieben Jahre Mitherausgeber — einer von vieren —: ich stehe zwischen den beiden Gruppen derer, die in diesen 40 Jahren in führender Position an diesem Blatt mitgearbeitet haben (und noch unter uns weüen). Und ich fühle mich beiden Gruppen zugehörig.

Als Chefredakteur der Wiederaufbauzeit - 1976 bis 1978 - galt es, mit einem kleinen Redaktionsteam neu zu beginnen, es zu einem verschworenen Haufen zusammenzuschweißen.

Denn nur dann, wenn sich auch hier bewahrheitete, was mein alter Lehrer aus „Presse“-Zeiten, Oskar Stanglauer, dem jungen Anfänger verkündet hatte -„Journalismus ist kein Beruf, sondern ein Laster!“ - nur dann, wenn diese Leidenschaft alle ergriff, konnte das schwierige Werk gelingen, konnte die weitverbreitete Skepsis vor einem Neubeginn überwunden werden.

Als Herausgeber dann, mit Sitz und aktiver Mitarbeit in der Redaktion, mußte es meine Aufgabe sein, zunächst einer sehr jungen Mannschaft die Erfahrungen aus 30 Jahren journalistischer Praxis zugänglich zu machen und darüber hinaus die Mithilfe der Kollegen bei der Ausbildung des Nachwuchses in Anspruch zu nehmen.

Wenn der Rückblick auf fast ein Jahrzehnt in der FURCHE durchaus positiv erscheint, so danke ich dies ebenso den Herausgebern des Anfangs, die den Neubeginn erst ermöglichten, dem Vorstand und dem Beirat, die ihn begleiteten, wie der Redaktion, seit 1978 geführt von meinen beiden Nachfolgern, einer Mannschaft mit einem Teamgeist, wie ich ihn nur selten in anderen Redaktionen erlebt habe.

Ich hoffe, daß die etwa zwei Dutzend Praktikanten und Volontäre, die in den vergangenen Jahren in der FURCHE ihre erste Schulung erhielten - entsandt von der Katholischen Medienakademie — hier gelernt haben, daß (christliche) Journalistik nicht vorwiegend aus Intrigen und Dreckschleuderei besteht, sondern für sie ein hohes Ethos vonnöten ist.

Felix Gamillscheg ist heute FURCHE-Her-ausgeber und Leiter der Katholischen Medienakademie.

Hubert Feichtlbauer:

Hoffnung sein

Als 1976 im Zeichen der Achse Sassmann/Schmitz/ Jäger/Ga-millscheg für die FURCHE ein neuer Anfang gewagt wurde, gab es rundum Zweifel, ob es dafür nicht schon zu spät war. Ich kam, als die Zweifel längst besiegt waren: im Sommer 1978.

Die Zeitung war in einen hoffnungsvollen neuen Aufwind gesteuert worden. Nun galt es, für den Zukunftskurs die Grenzpositionen abzustecken: Die freie und unabhängige Republik Österreich, Demokratie und Rechtsstaat, Grundkonsens statt Klassenkampf, eine dem Parteienstreit entrückte Kirche als Gewissen der Nation sollten unverfügbare Grundsätze sein.

Dialog und soziale Gerechtigkeit waren Orientierungswerte, die noch immer aus der Gründerzeit herüberleuchteten. Die Pflege des ökumenischen Gesprächs lag wohl ebenso im Sinn Friedrich Funders wie ein forciertes Engagement für die Armen und Entrechteten unserer Tage: im eigenen Land wie in der Dritten Welt.

In der Ökumene-Frage darf man ungeduldig werden. Warum kommen immer mehr Theologen in immer mehr Streitpunkten zu immer mehr Ubereinstimmung — und nirgendwo werden seit Jahren ernsthafte Konsequenzen daraus gezogen?

Dabei verlangt die Zeitsituation längst nach mehr als der Uberwindung des Skandals der konfessionellen Spaltung. Christ und Jud Muslim und Freimaurer müssen auf die Suche nach Lösungen für die Weltprobleme gehen. (Die Themen Frieden und Umwelt hat die FURCHE übrigens früher als andere systematisch aufgegriffen.)

Deshalb war ich immer um die Förderung dieses Diskurses in der FURCHE bemüht: Alte und neue Leser, alte und neue Mitarbeiter sollten, mutig über Gräben von gestern springend, in dieser Zeitung Christsein als Erlebnis von Freude spürbar machen: in Gotteslpb und Menschenliebe.

Das Hauptwort mit dem größten Anwert in der FURCHE sollte, so gelobte ich mir, die Hoffnung sein. Ich glaube an den Entschluß, den Gott nach der Großen Flut gefaßt hat: „Ich will die Erde nicht noch einmal verfluchen“ (Gen. 8,21). Daher habe ich für die Verbreitung von Angst, Zaghaftigkeit und Kleingläubigkeit nie gern viel Platz zur Verfügung gestellt.

Christsein ist auch kein skrupulöses Sorgen um Gebots- und Verbotsauslegungen, sondern ge-lebtes Augustinus7Wort: „Liebe und tu, was du willst.“

Liebe zu Schöpfer und Schöpfung, Ja zur Welt, zur Zukunft und zur Freiheit des Christenmenschen: Das ist ein Programm, das die Kräfte eines einzelnen tausendfach übersteigt. Als Programm der ganzen FURCHE-Ge-meinde müßte es Berge von Ängsten, Zweifeln und Kleinmütigkeit versetzen.

Ich sehe die FURCHE mit Hannes Schopf am Steuer treu und furchtlos auf solchem Kurs.

Hubert Feichtlbauer ist heute Leiter der Presseabteilung der Bundeswirtschaftskammer und FURCHE-Kolumnist

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung