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Lehrmeister F. Funder

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Wer war Friedrich Funder, dessen Todestag sich am 19. Mai zum 25. Mal jähren wird? Für die Betagten unter uns der Wortführer eines einmütig in der täglichen Politik agierenden Katholizismus. Für die noch nicht so Alten, aber auch nicht mehr Jungen ein publizistischer Lehrmeister von einem heute unbekannten Format. Für die Jungen aber schon so etwas wie eine beinahe sagenhafte Gestalt aus längst vergangenen Tagen.

Um das Bild dieses Mannes „zwischen Gestern und Morgen" deutlich zu machen, muß man zunächst weit zurückblenden: Man schreibt das Jahr 1892, Ort der Handlung ist Linz. Hier hat sich der Dritte österreichische Katholikentag versammelt. Die Idee zu der kurze Zeit später erfolgten Gründung der Tageszeitung „Die Reichspost", welche den Lebensweg von zwei Generationen österreichischer Katholiken begleiten sollte, wird hier geboren.

Auf der Galerie des Saales verfolgt ein 18j ähriger Gymnasiast, den die Maturareise nach Linz geführt hat, aufmerksam diese Diskussion. Er ahnte damals nicht, daß er der Mann sein würde, welcher dem neuen Blatt durch Jahrzehnte Ziel und Richtung geben wird.

Zunächst kehrte Friedrich Funder wieder in seine Heimatstadt Graz zurück, wo er 1872 als Sohn eines Bäckermeisters geboren worden war. Durch Vermittlung des Hofkaplans Carl Weiss kommt Funder nach Wien. Neben dem Jusstudium betätigt er sich als Korrektor in jenem Blatt, dessen Gründungsdiskussion er in Linz miterlebt hat.

Es ist eine interessante Zeit, die der junge Werkstudent in der damaligen Haupt- und Residenzstadt antrifft. Die junge christlichsoziale Richtung im österreichischen Katholizismus stürmt unter Karl Lueger das Wiener Rathaus, während im Reichsrat der Sprachenkampf tobt und die „Los-von-Rom"-Bewegung ihr Haupt erhebt: Zeichen des Aufbruchs — Zeichen des Niedergangs.

Es dauert nicht lange und Funder muß nicht mehr Korrekturen lesen. Der junge Journalist kann 1902, erst 30 Jahre alt, die Chefredaktion übernehmen; 1904 wird ihm auch die Herausgeberschaft anvertraut. Das nächste Jahrzehnt erfüllt eine rastlose Aufbauarbeit, die dem Blatt nicht nur die materiellen Grundlagen sichert, sondern es auch erfolgreich in Wettstreit mit der Großpresse und den Blättern der nachrückenden Sozialdemokratie treten läßt.

Wir sehen an der Jahrhundertwende die Kirche die Bastion eines gesellschaftlichen und politischen Konservativismus verlassen. Es findet die erste Wendung zum Volk, zur Demokratie statt. Freilich kann man sich damals dieses demokratische Engagement nur in Form einer Identifikation von Kirche und einer bestimmten politischen Partei vorstellen — wobei noch zu untersuchen wäre, inwieweit weltanschaulich Andersdenkende durch ihre Haltung zu dieser Verflechtung beigetragen haben.

Es beginnt die heute überwundene Zeit, in der es nichts Ungewöhnliches ist, wenn der Pfarrhof dieselbe Adresse hat wie die lokale Ortsgruppe der Christlichsozialen Partei, wenn der Pfarrherr den Parteiobmann stellt und sein Kaplan als Parteisekretär tätig ist. Dieses damalige „Nahverhältnis" der katholischen Publizistik zur aktiven Parteipolitik prägte die beiden ersten großen Etappen im Berufsleben Friedrich Funders entscheidend.

Im bewegten ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts gilt das staatspolitische Engagement der „Reichspost" unter Funders Führung immer mehr dem „großösterreichischen" Programm. Es tritt für den Umbau der Doppelmonarchie in ein Commonwealth der kleinen Völker im Donauraum ein und findet mächtige Freunde. Funder findet Aufnahme in jene „Werkstatt", die der Thronfolger Franz Ferdinand im Belvedere sich eingerichtet hat. Am 28. Juni 1914 müssen alle Pläne und Ideen, die sich mit dem Namen des Thronfolgers verbunden haben, als erledigt betrachtet werden. Aus. Vorbei.

Im düsteren November 1918 beginnt der zweite Abschnitt im journalistischen Berufsleben Friedrich Funders. Wir sehen ihn an exponierter Stelle am Werk, seinen Zeitgenossen, unter ihnen besonders den österreichischen Katholiken, den Weg aus dem untergehenden Kaiserstaat in die mit vielen Fragezeichen versehene Republik zu weisen. Funder gehört zu jenen, welche die damals in allen Lagern anzutreffende Propaganda für den Anschluß an das Deutsche Reich nicht mitgemacht haben. Trotz der Ungunst der Stunde bleibt der Blick auf den Donauraum gerichtet.

In den kommenden Jahren tritt als neuer geistiger und politischer Mentor der österreichischen Katholiken der Prälat Ignaz Seipel immer stärker in den Vordergrund. Die „Reichspost" und ihr Chefredakteur werden stets an der Seite des bald als Regierungschef amtierenden Prälaten stehen.

Zu Engelbert Dollfuß, der, als es mit Seipel zu Ende geht, auf der Bühne der Innenpolitik immer stärker in den Vordergrund tritt, bestehen schon generationsbedingt nicht dieselben intimen Kontakte. Doch sind die Beziehungen ebenso wie später jene zu Bundeskanzler Kurt Schuschnigg von Freundschaft geprägt.

Trotz des lange Zeit einseitigen politischen Engagements gegen Links wird jedoch nun immer stärker auch gegen den Nationalsozialismus eindeutig Front gemacht. Funder steht, ohne zu schwanken, bis in die düstere Nacht des 11. März 1938 unter der rotweißroten Fahne. Mit vielen anderen Österreichern, darunter auch ehemaligen sozialistischen Gegnern, tritt er die bittere Fahrt in die Konzentrationslager des Dritten Reiches an.

Die harte Haft in Dachau und Flossenbürg wird zum Purgatori-um für den politischen und publizistischen Kämpfer, der durch Jahrzehnte auf den Zinnen der Partei stand. Er ist einer von jenen, die als „ganz andere" zurückkommen. Friedrich Funder war es mit nunmehr 73 Jahren noch einmal vergönnt, einen neuen, den dritten, Lebensabschnitt zu beginnen. In langen Gesprächen reift in den Frühjahrs- und Sommermonaten 1945 das Konzept einer Wochenzeitung: der „Furche".

Wenn wir heute uns fragen, was das „Neue" war, dem Funder in und mit der „Furche" in den Jahren nach 1945 in Österreich Bahn brach, so könnten wir es auf eine einfache Formel bringen: Hier wurde, johanneischer Geist" lange vor Papst Johannes XXIII. nicht nur gepredigt, sondern gelebt. Hier wurde in der heute oft schief beleuchteten präkonzilia-ren Ära einer „offenen Katholizi-tät" der Weg bereitet, für die die Christen der postkonziliaren Zeit mitunter wenig Verständnis besitzen.

Daß Funder bei aller irenischen Grundhaltung nach wie vor ein freimütiges Wort nicht scheut: davon geben eine Reihe von Grundsatzartikeln und vielbeachtete Diskussionsbeiträge beredtes Zeugnis.

Funders publizistische Aktivität wird 1950 durch einen Herzinfarkt jäh unterbrochen. Bei einem 78jährigen scheint das Ende nahe. Die ersten Nachrufe werden konzipiert. Für den Stehsatz. Dort dürfen sie noch neun Jahre verstauben. Wieder genesen, wendet sich Funder jedoch immer stärker von der journalistischen Tagesarbeit ab. Er nützt die Zeit, die ihm noch verbleiben sollte, zur Abfassung seiner Memoiren, welche unter den Titeln „Vom Gestern ins Heute" (1952) und „Als Österreich den Sturm bestand" (1957) erscheinen.

Den österreichischen Staatsvertrag und die immerwährende Neutralität unserer Republik kann Funder noch begrüßen. Im Laufe des Jahres 1958 werden jedoch die Schatten länger. Die letzten Monate sind ohne Schmerzen, aber mühsam. Am 19. Mai 1959 ist der letzte einsame Kampf „Friedrichs des Streitbaren" zu Ende.

Der Autor, 1948 von Funder in die FUR-CHE-Redaktion geholt, die er dann von 1957 bis Ende 1967 geleitet hat, steht heute als Sektionschef dem Presse- und Informationsdienst der österreichischen Präsidentschaftskanzlei sowie der Journalistenvereinigung „Concordia" vor.

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