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Ein Mann zwischen Gestern und Morgen

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Die UCIP gedenkt bei diesem Weltkongreß ihrer Gründung vor 50 Jahren. Sie erinnert sich der Männer, welche vor einem halben Jahrhundert den ersten Schritt zu einer übernationalen Zusammenarbeit zwischen katholischen Publizisten und Verlegern taten. Es gereicht unserem Land zur Ehre, daß sich unter diesen Pionieren auch ein Österreicher befunden hat: Dr. Friedrich Funder - ein Name, welcher in der Geschichte der katholischen Presse Österreichs in großen Lettern verzeichnet steht und dessen Glanz auch die unbarmherzige Zeit bis heute nicht löschen konnte.

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Die UCIP gedenkt bei diesem Weltkongreß ihrer Gründung vor 50 Jahren. Sie erinnert sich der Männer, welche vor einem halben Jahrhundert den ersten Schritt zu einer übernationalen Zusammenarbeit zwischen katholischen Publizisten und Verlegern taten. Es gereicht unserem Land zur Ehre, daß sich unter diesen Pionieren auch ein Österreicher befunden hat: Dr. Friedrich Funder - ein Name, welcher in der Geschichte der katholischen Presse Österreichs in großen Lettern verzeichnet steht und dessen Glanz auch die unbarmherzige Zeit bis heute nicht löschen konnte.

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Man schreibt das Jahr 1892, Ort der Handlung ist die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz. Hier hat sich der Dritte österreichische Katholikentag versammelt. Auf ihm findet der erste Zusammenstoß zwischen den etwas müde gewordenen Katholisch- Konservativen und jenen Männern einer „schärferen Tonart“ statt, die sich bald als „Christlichsoziale“ der öffent-

lichkeit vorstellen werden. In Linz werden heiße Debatten ausgetragen. Sie haben sich vor allem an der als völlig unbefriedigt angesehenen Situation der katholischen Presse in Österreich entzündet. Laut tönt der Ruf, den vornehmlich im Dienste hochadeliger Eigentümer und feudaler Grundherren stehenden konservativen Organe ein modernes Tagblatt für das christliche Volk Österreichs entgegenzustellen. Die Idee zu der kurze Zeit später erfolgten Gründung der Tageszeitung „Die Reichspost“, welche den Lebensweg von zwei Generationen österreichischer Katholiken begleiten sollte, wird hier geboren. Auf der Galerie des Saales verfolgt ein 18jähriger Gymnasiast, den die Maturareise nach Linz geführt hat, aufmerksam diese für die Zukunft der katholischen Presse in Österreich bedeutungsvolle Diskussion. Er ahnt damals noch nicht, daß er der Mann sein würde, welcher dem neuen Blatt durch Jahrzehnte Ziel und Richtung geben wird.

Zunächst kehrt Friedrich Funder wieder in seine Heimatstadt Graz zurück, wo er 1872 als Sohn eines Bäk- kermeisters geboren worden war. Dem Wunsch der Mutter folgend, wendete er sich zunächst dem Theologiestudium zu. Doch nicht lange.

Durch Vermittlung des Hofkaplans Dr. Carl WeisS kommt Funder nach Wien. Neben dem Jusstudium betätigt er sich als Korrektor in jenem Blatt, dessen Gründungsdiskussion er in Linz miterlebt hatte. Doch was ist aus den hochfliegenden Plänen geworden? Ein bescheidenes Blättchen, das weder technisch noch inhaltlich die geringste Aussicht zu haben scheint, sich mit der in der Metropole das Feld beherrschenden Presse messen zu können.

Es dauert nicht lang und Funder muß nicht mehr Korrekturen lesen. Der junge Journalist kommt bald in die Feuerlinie. In der damals heiß umstrittenen Duell-Frage verficht er gegen die herrschende Konvention den christlichen Standpunkt; innerkatholisch „fallt er zunächst auf“, als er die damals hoch im Kurs stehende „Freimaurerriecherei“ nicht mitmacht und die von einem Betrüger verbreiteten satanischen Schauergeschichten, die im katholischen „Milieu“ nur allzu- geme geglaubt wurden, als Fälschung entlarvt. Daneben engagiert Funder sich auch an der nationalen und an der sozialen Front.

1902 kann er - erst 30 Jahre alt - die Chefredaktion des Blattes übernehmen, und 1904 wird ihm auch die Herausgeberschaft anvertraut. Das nächste Jahrzehnt erfüllt eine rastlose Aufbauarbeit, die dem Blatt nicht nur die materiellen Grundlagen sichert, sondern es auch erfolgreich in Wettstreit mit der liberalen Großpresse und den Blättern der nachrückenden Sozialdemokratie treten läßt.

Das staatspolitische Engagement der „Reichspost“, die sich unter Funders Führung immer mehr dem „großösterreichischen“ Programm verschreibt, also für den Umbau der

Doppelmonarchie in ein „Commonwealth Of nations der kleinen Völker im Donauraum“ eintritt, läßt auch klar die Hauptgegner eines solchen Konzeptes erkennen: den ungarischen Liberalismus jenseits der Leitha und herüben die alldeutsche Irredenta. Dafür erwachsen einem solchen Kurs aber auch mächtige Freunde. Funder findet Aufnahme in jene „Werkstatt“, die der Thronfolger Franz Ferdinand im Belvedere sich eingerichtet hat und in der junge, zukunftsoffene Männer in einem gewissen Antagonismus zu dem Hof des alten Kaiser Franz Joseph in Schönbrunn Pläne für den Tag X ausarbeiten, an dem einmal Franz Ferdinand den Thron besteigen soll.

Am 28. Juni 1914 müssen alle Pläne und Ideen, die sich mit dem Namen des Thronfolgers verbunden haben, als erledigt betrachtet werden.

Im düsteren November 1918 beginnt der zweite Abschnitt im journalistischen Berufsleben Friedrich Funders. Wir sehen ihn an exponierter Stelle am Werk, seinen Zeitgenossen und unter ihnen besonders den österreichischen Katholiken den Weg aus dem untergehenden Kaiserstaat in die von vielen Gefahren umgebene und mit vielen

Fragezeichen versehene Republik zu weisen. Funder gehört zu jenen, welche die damals in allen Lagern anzutreffende Propaganda für den Anschluß an das Deutsche Reich nicht mitgemacht haben. Im Gegenteil: Trotz der Ungunst der Stunde bleibt der Blick auf den weiten Donauraum gerichtet.

In den kommenden Jahren tritt als neuer geistiger und politischer Mentor der österreichischen Katholiken der Prälat Ignaz Seipel immer stärker in den Vordergrund. Die „Reichspost“ und ihr Chefredakteur werden stets an der Seite des bald als Regierungschef am Ballhausplatz amtierenden Prälaten stehen. Sie werden seinen „Rechtskurs“ ebenso verteidigen, wie sie Ende der zwanziger Jahre bereit sein werden, mit ihm die Skepsis an der „Formelldemokratie“ zu teilen und Hoffnungen auf eine künftige „berufsständische Ordnung“ zu nährervFun- der ist in diesen Jahren ein harter Streiter, der wie die meisten Katholiken seiner Generation, den Feind nur links sieht, eine Optik, zu der allerdings das Unverständnis vieler Führer der Sozialdemokratie in allen weltanschaulichen Belangen nicht wenig beigetragen hat.

Zu Engelbert Dollfuß, der, als es mit Seipel zu Ende geht, auf der Bühne der österreichischen Innenpolitik immer stärker in den Vordergrund tritt, bestehen schon generationsbedingt nicht mehr dieselben intimen Kontakte. Doch sind die Beziehungen ebenso wie später jene zu Bundeskanzler Schuschnigg von herzlicher Freundschaft geprägt. Die jungen Männer der dreißiger Jahre, auch wenn sie Minister, ja sogar Regierungschefs sind, blicken schon wie später die Generation von 1945 zu Funder als einer respektgebietenden mitunter gestrengen Vaterfigur auf. Doch sie brauchen sich keine Sorge zu machen. Der Chefredakteur der „Reichspost“ geht den Weg in den „christlichen Ständestaat“ mit.

Trotz der langen Zeit einseitigen politischen Engagements gegen Links wird jedoch nun immer stärker auch gegen den Nationalsozialismus eindeutig Front gemacht.

Funder steht ohne zu schwanken bis in die düstere Nacht des 11. März 1938 unter der rotweiß roten Fahne. Mit vielen anderen Österreichern, darunter auch ehemaligen sozialistischen Gegnern, tritt er die bittere Fahrt in die

Konzentrationslager des Dritten Reiches an, während die „Reichspost“ bis zu ihrer im Herbst 1938 erfolgten Einstellung dem Regime dienen muß.

Die harte Haft in Dachau und Flossenburg, aber auch die stillen Monate der Konfinierung, die der bis auf Widerruf entlassene politische Häftling als Kirchenrestaurator verbringt, werden zum Purgatorium für den politischen und publizistischen Kämpfer, der durch Jahrzehnte auf den Zinnen der Partei stand. Er ist einer von jenen, die als „ganz andere“ zurückkommen.

Friedrich Funder war es mit nunmehr 73 Jahren noch einmal vergönnt, einen neuen, den dritten Lebensabschnitt beginnen zu können. Funder ging es darum, das Fundament für neue, tragfahige Strukturen zu zementieren. Dazu aber braucht es Mitarbeiter. Die alten publizistischen Weggefährten sind tot oder zerstreut. Funder macht aus der Not eine Tugend. Entschlossen wendet er sich der nachrük- kenden Generation zu. In langen Gesprächen reift in den Frühjahrs- und Sommermonaten 1945. das Konzept einer Wochenzeitung: der FURCHE.

Fünders publizistische Aktivität wird 1950 durph einen Herzinfarkt jäh unterbrochen. Bei einem 78jährigen scheint das Ende nahe. Ist es soweit? Die ersten Nachrufe werden konzipiert. Für den Stehsatz. Dort dürfen sie noch neun Jahre verstauben. Wieder genesen, wendet sich Funder jedoch immer stärker von der journalistischen Tagesarbeit ab. Er nützt die Zeit, welche ihm noch verbleiben sollte, zur Abfassung seiner Memoiren, welche unter den Titeln „Vom Gestern ins Heute“ (1952) und „Als Österreich den Sturm bestand“ (1957) erscheinen.

Den österreichischen Staatsvertrag und die immerwährende Neutralität unserer Republik kann Funder noch begrüßen. Im Laufe des Jahres 1958 werden jedoch die Schatten länger. Die letzten Monate sind ohne Schmerzen, aber mühsam. Noch einmal kann der Geist über den Körper triumphieren, als Funder Abschied von seinen Mitarbeitern nimmt. Worte von tiefer Einsicht, aber auch der Vorahnung für die ungesicherte Zukunft seines Blattes und dessen Redaktion fallen. Am 19. Mai 1959 ist der letzte einsame Kampf zu Ende.

Der in die Verantwortung nachgerückten Generation katholischer Publizisten aber hinterließ Friedrich Funder jene Sätze als Mahnung, die er in den, dem Verfasser zugeeigneten Band seiner Memoiren, mit eigener Hand schrieb: „Das Wort vom Apostolat der christlichen Presse gilt heute noch wie damals, da es an der Schwelle eines neuen Zeitalters als Lösung ausgerufen wurde. Gottlob, die nachrückende Generation weiß um die Aufgabe und ihre Verpflichtung; sie trägt mit sich unsere zuversichtliche Hoffnung.“

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