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Ein einzigartiger Zeitzeuge

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„Vom Gestern ins Heute” heißt die Dokumentation von Friedrich Funder über den Untergang der Monarchie. Mitarbeiter Johannes Zopp erinnert sich.

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„Vom Gestern ins Heute” heißt die Dokumentation von Friedrich Funder über den Untergang der Monarchie. Mitarbeiter Johannes Zopp erinnert sich.

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Kein besserer Titel für meine Erinnerungen an ihn als der seines Buches: „Vom Gestern ins Heute”! Denn genau das war dieser Dr. Friedrich Funder, aufgewachsen in der k. u. k. Monarchie, enger Vertrauter des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, „Reichspost”-Chef, Begründer der furche, und, und, und. Wer weiß heute zum Beispiel noch, daß und wie Dr. Funder am Scheitern des Putschversuchs anno 1934 beteiligt war? Daß und wie er den von den Nazis vorgesehenen Macher Dr. Bintelen im „Imperial” so lange festhielt, bis am Ballhausplatz alles vorbei war? Daß die „Reichspost” die Speerspitze im besten Sinn konservativer Österreichtreuer war, so wie - unter ihm - auch seine Furche?

So verwundert's weiter nicht, daß ein junger Student und Journalist wie ich im gleichen Haus, - als Redaktionsmitglied der katholischen Jugendzeitung „Die Wende” in der Setzerei - immer weiter hinauffuhr zu Dr. Funder und der furche-Redakti-on. Gelegentlicher Mitarbeiter alldort, vor allem für kritische Glossen, flatterte mir eines Tages eine Postkarte des Chefredaktions-Sekretariates auf den Schreibtisch: Ob ich bereit wäre, Dr. Funder bei den Vorbereitungen für (s)ein neues Ruch zu helfen, sprich: eine Fülle von Manuskripten, Manuskriptteilen, maschin- und handschriftlichen Zetteln und Notizen, also, bei der Sichtung und Roh-Rein-schrift von alldem zu helfen ...

Und ob und wie ich bereit war: es lockte keineswegs nur das Honorar, sondern die Chance noch engerer Zusammenarbeit, und so war mein „Ja” eine Sache von Sekunden. War Dr. Funder doch schon seit langem - neben Jaro Kaspar von der „Wende” -einer meiner journalistischen Lehr-und Ziehväter, von dem mir am besten und meisten sein Lieblingswort „schmerzlich” in Erinnerung geblieben ist: Das war das Schärfste, das er parat hatte, wenn es um Kritik ging. Er war kein Polterer, er blieb allzeit sachlich und fair, kritisierte den Gegner, ohne ihn herunter- und fertigmachen zu wollen.

Was auf mein damaliges „Ja” folgte, werde ich nie vergessen. Denn mein „Ja” brachte mir zweierlei: sicher auch die enorme Arbeit an der vorhin geschilderten Materialflut, die in halbwegs geordnete Form zu gießen war. Die häufigen ßesuche in Dr. Funders Badener Domizil brachten aber auch intensives Einarbeiten in die Zeitgeschichte von damals, die er wie kaum ein anderer wissend und bewußt miterlebt und geschildert hat, aber auch viele, viele Gespräche mit dem greisen, aber enorm rüstigen Kollegen und väterlichen Freund rund um die Materialien, aber auch weit darüber hinausgreifend. So wuchs Stück für Stück seines einzigartigen Dokumentations-Buches „Vom Gestern ins Heute”. Mit seinem Herzblut und bisserl meinem Schweiß geschrieben erstand die Geschichte des Monarchie-Unterganges und des Österreich-Neuerstehens, wie ich sie allen Interessierten nur bestens empfehlen kann, viel mehr als das, was manche Spätgebo-rene(re) hernach publiziert haben. Denn hier hat einer nicht mit Tinte oder Druckerschwärze, sondern mit Herzblut Zeitgeschichte geschrieben!

Und ich werde es nie vergessen, daß ich - als hundsjunger Journalist - hier mittätig sein durfte, auf einer Zeitreise in die Vergangenheit, mit dem wohl besten Cicerone, den es gab.

Oftmals bin ich damals nach Baden gefahren, oft haben wir uns in Baden und in Wien getroffen, und aus Stößen von Manuskripten und Manusteilen,

Handzetteln und Notizen erwuchs das Rohmanus zu einem der wohl wichtigsten zeitgeschichtlichen Bücher über jene österreichische Epoche, vor dem manches viel später Geschriebene eher epigonenhaften Anstrich hat. Denn die Arbeit mit und an jenem Buch lehrte mich vor allem eines: wie verdammt leicht es für manche ist, mit der Gnade des/der Spätgeborenen vom hohen Roß her Zensuren zu erteilen und Entwicklungen wie Personen hochmütig zu (disqualifizieren und abzukanzeln, denen man menschlich nicht einmal das Wasser hätte reichen können. Sie lehrte mich schlußendlich auch, warum und weshalb unbestechliche Zeitzeugen an ihrer Zeit mit-leidend immer wieder mißverstanden, mißdeutet und vergessen wurden und werden. So wie zum Beispiel Freund Dr..Friedrich Heer mit seinem unvergessenen, zu Unrecht vergessenen Roman „Der Achte Tag”.

Zeitzeugen sind viel wichtiger als spätgeborene Nach-Interpretierer (innen): vor allem das habe ich aus jenen unvergessenen Gesprächen mit dem ebenso unvergessenen Dr. Friedrich Funder für mein Leben gelernt. Und verstehe es deshalb immer weniger, daß sie zugunsten der Spätgeborenen immer wieder aufs literarische Abstellgleis geschoben wurden und werden. Und welche Schätze an echtem Zeitzeugentum hier der dringend nötigen Wieder- und Neuentdeckung harren. Deshalb bin ich sicher, daß es für Dr. Friedrich Funder gut war, nicht mehr die Zeit nach ihm miterleben zu müssen. Denn „seine” FURCHE durchlitt hernach manche Zeit, in der sie alles andere war denn das, was ein Dr. Funder wollte und mit- und vorlebte. Wo „seine” FURCHE einseitig und in einem Sinne einfarbig zu werden drohte, nämlich weg vom mutig bekennenden zu artig anpassendem Journalismus. Wo war da noch jener junge Student Friedrich Funder und sein Erlebnis an der damals einseitig nationalistisch tendierenden Grazer Uni, wo sich in der Mensa ein „Rechter” über den Tisch zu ihm vorbeugte und ihn anfauchte: „Katholisches Schwein!” Funder, allzeit ungerührt von Fanatismen, mit angedeuteter Verbeugung: „Funder mein Name!”

Längere Zeit lief die FURCHE also auf Ab- und Umwegen, bis sie sich schließlich wieder auf jenem Wege fand, den Dr. Funder schon immer unbeugsam gegangen war.

Die Furche von heute ist zweifelsfrei wieder das geworden, was ein Dr. Friedrich Funder gewollt hat.

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