6758092-1968_04_03.jpg
Digital In Arbeit

Hintergründige Finanztransaktion

Werbung
Werbung
Werbung

Um diese Zeit gehörte dem Mitarbeiterstab der „Reichspost“ ein junger Dichter und Rezensent an, der heutige Hofrat Professor Doktor Friedrich Schreyvogl. Er genoß nicht nur das Vertrauen Dr. Seipels, sondern auch das einflußreicher deutscher Literatur- und Vexflegerkreise. In persönlichem Gespräch mit dem Chronisten, aber auch in einer ausführlichen schriftlichen Niederlegung berichtet nun Hofrat Schreyvogl über ein seltsames Vorspiel zur Gründung des „Kiemen Volksblattes“, so unter anderem:

„Im Jahre 1927 — ich weiß heute nicht mehr, ob im Frühjahr oder Herbst — traf bei mir ein Schreiben der beiden damaligen Verleger der Kölnischen Volkszeitung und später maßgeblichen Funktionären der Kölner Görreshausgesellschaft,

Generalkonsul Dr. Stocky und Generalkonsul Maus, ein. Stocky war spanischer, Maus japanischer Generalkonsul, beide natürlich ehrenhalber und nur des diplomatischen Status wegen. Die beiden Herren, die sich von einem kurzen Auftrieb in der Entwicklung der deutschen Zentrumspartei treiben ließen, stellten an mich ein merkwürdiges Ansinnen. Ich möge es ihnen ermöglichen, entweder die ganze ,Reichspost‘ zu kaufen oder doch einen Großteil der Anteile zu erwerben ... Ich war zunächst der Meinung, daß es unmöglich sei, Anteile der ,ReichsposV zu erwerben... Ich ging also kurzerhand zu Dr. Funder, mit dem ich als einer der jüngeren Theaterkritiker der ,Reichspost' in guter Verbindung stand, und legte den Brief der Kölner Herren auf den Tisch. Funder war keineswegs so überrascht oder gar entsetzt, wie ich angenommen hatte. Er ermächtigte mich nicht zu einem klaren Absagebrief, im Gegenteil, er trug mir auf, die beiden Herren mit der großen und offenbar reich gefüllten Brieftasche nach Wien zu bringen. Es kam hier zu Verhandlungen, die zum Teil im Büro der Zeitung geführt, aber nicht unwesentlich auch durch persönliche Zusammenkünfte gefördert wurden, deren wichtigste im Restaurant Schöner in Wien, Sie- benstemgasse, stattfand... Es gibt aus jener Zeit eine knappe, aber ausgezeichnete Meldung im Lokalteil der ,ReichsposV, in der kurz und bündig erklärt wurde, daß die beiden Herren Stocky und Maus namens der Görreshausgesellschaft nach Wien gekommen seien, um eine sehr weit gespannte Zusammenarbeit der katholischen Publizistik in Deutschland und Österreich, genauer zwischen der ,Kölnischen Volkszeitung', dem ,Abendland' in Köln, der ,Germania' in Berlin und eben der ,ReichsposV in Wien zu inaugurieren. Die Verhandlungen — so stand zu lesen — seien zu einem guten Resultat gekommen und mit einer privaten Zusammenkunft abgeschlossen worden, an der... (dann folgte die namensmäßige Aufzählung) alle christlich-sozialen Mitglie der der Regierung Ramek, Professor Krasser und einige Herren des Domkapitels, nach meiner Erinnerung auch Monsignore Fried, teilnahmev. Ein Jahr später wurde deutlich, was aus den ersten Plänen der Görreshausgesellschaft geworden war. Man gab ihr zwar keine Anteile der ,ReichsposV, aber man erreichte von ihr ein Darlehen, das zunächst mit etwa 800.000 Schilling begrenzt wurde. Damit wurde die Druckerei in der Bandgasse gekauft, wo auch später das ,Kleine Volksblatt' herausgegeben wurde. Das widerspricht nicht einer bekannten anderen Tatsache, daß große Beträge für das ,Kleine Volksblatt' aus Sammlungen aufgebracht wurden, denn, daß eine Realität vorhanden war, machte ja durch die Sicherheit, die sie bot, die Zeichnungen von Spenden oder Anteilscheinen erst möglich."

Eine Bestätigung

Da der Chronist wohl am 1. Dezember 1927 in die .Reichspost1 eintrat, als junger Dr. phil. und redaktioneller Mitarbeiter aber natürlich keinen Einblick in so sekrete, entscheidende Vorgänge hatte, wandte er sich kürzlich, ohne Hofrat Schrey- vogls Mitteilungen im geringsten in Zweifel zu ziehen, an den gleichfalls um das Zustandekommen des „Kleinen Volksblattes“, besonders als Propagandasprecher für die Förderscheine, hochverdienten Professor Dr. Hans Huebmer in Bregenz. Die Antwort erfolgte prompt:

„ ... Nun zu Ihrer wirklich heiklen Anfrage. Ich habe mich selbst bei der Werbung für die Aktienzeichnung eifrigst beteiligt und bin in Niederösterreich von Ort zu Ort gefahren. Die Verdienste von Prälat Fried und Pater Bogsrucker sind historisch. Was Hofrat Schreyvogl behauptet, ist mir vollkommen unbekannt, ich kann es aber nicht bestreiten. Ich kann nur sagen, daß ich von einer solchen Aktion der Görreshausgesellschaft doch etwas hätte hören müssen. Ich weiß, daß damals ein Konsul (Name mir entfallen) in Wien weilte und mit Funder und Adam über eine Zusammenarbeit mit der „Kölnischen Volkszeitung" sprach, doch ist — wenigstens journalistisch — nichts herausgekommen. Das Zentrum betrieb Links- und Papen mit seiner „Germania" Rechts-Politik, die beide von Funder nicht gebilligt wurden. Wenn Schreyvogls These stimmen sollte, handelt es sich um ein Geheimnis, bei dem er einer der wenigen Träger gewesen wäre. Ich kann also nur sagen: Ich weiß nichts davon, kann aber Schreyvogl nicht einer Unwahrheit bezichtigen. Mein Gedächtnis ist noch sehr gut. Obwohl der Besuch des Konsuls 40 Jahre zurückliegt, kann ich mich an jene Tage sehr gut erinnern. Wenn ich heute von einem deutschen Kredit nichts weiß, habe ich auch damals nichts davon gewußt.“

Das ausgezeichnete Gedächtnis Professor Huebmers konnte übri-gens bei einer spät _n persönlichen Begegnung mit dem Chronisten die genannten Namen der beiden Konsuln und dar Versuch einer redaktionellen Kooperation Wien—Köln bestätigen. Auch an die Verlautbarung darüber in der „Reichspost“ erinnerte sich Dr. Huebmer.

Der Chronist sieht keinen eigentlichen Widerspruch in diesen beiden

Darstellungen. Professor Huebmer betont ausdrücklich, die Tatsache, daß er von jenem Kreditengebot nichts weiß, sage nicht, daß es nicht erfolgte. Der deutsche Kredit diente der „Reichspost“ offensichtlich zur finanziellen Konsolidierung, eiür Voraussetzung der kleinen Ausgabe! Möglicherweise wurde ein Teil dieses Geldes zum Ankauf der „1. Wie ner Druckerei“ in der Bandgasse um 370.000 Schilling verwendet, während das Haus selbst in zwei Raten erst später von den Erben de«

Posac nterieunb rn-' ’ -.aehrs Burbau m käuflich erworben wurde. Die kostspielige Erweiterung der Einrichtung der Druckerei aber steuerte dann eben der Groschen des kleinen Mannes!

Sieben Städte streiten... Niemandem braucht heute das Allein- verddenst an der Gründung der Zeitung zugeschrieben werden. Personen und Konstellationen halfen mit. Die letzteren seien als höhere Fügung gewürdigt, die ersteren seien bedankt Sie sind unvergessen. Alle.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung