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Es begann 1893

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Der Anfang des heutigen Unternehmens „Herold“ reicht auf das Jahr 1893 und in das Haus Wien VII, Josefstädterstraße 14, zurück. Aus einem Beschlüsse des im August 1892 in Linz abgehaltenen „Dritten Allgemeinen österreichischen Katholikentages“ war die Gründung des „Unabhängigen Tagblattes für das christliche Volk Österreich- Ungarns“ — „Reichspost“ — hervorgegangen. Das Blatt hatte im Sinne jenes Beschlusses die Bestimmung erhalten, auf katholischem GrundsatZboden stehend, den Ideen der jungen christlichsozialen, von Vogelsang, Franz Maria Schindler, Alois Liechtenstein und Lueger geschaffenen Volksbewegung ein modernes Zentralorgan der österreichischen Katholiken, wie der Subskriptionsaufruf sagte, „eine katholische, vom Mittelpunkt des Reiches aus beobachtende und berichtende Volkspresse zum Schutze von Familie, Thron und Altar“ zu werden. Ein Konsortium, an dessen Spitze der Druckereibesitzer und Herausgeber der in Warnsdorf, Nordböhmen, erscheinenden „österreichischen Volkszeitung“ Ambros Opitz trat, hatte die technischen Vorbereitungen für die Blattgründung, vor allem die Beschaffung einer eigenen Druckerei, übernommen, deren Ertrag zur Erhaltung des Blattes dienen sollte.

Schwieriger Anfang

Das Werk war mit großem Elan begonnen worden. Die von Wien ausgehende stürmische Erhebung gegen die bisherige liberale Herrschaft stieß auch auf die Stellungen der alten konservativen Partei. Und die Gegensätze, die sich hier auslösten und erst In anderthalb Jahrzehnten nach und nach überwunden werden konnten, bedrohten auch die Wiege des Blattes, dem die Linzer Tagung mit ihrem feierlichen Beschlüsse Pate gestanden war. Vom ersten . Tage an,, erschien .die .Eröffnung des Druckereibetriebes in der Josef städtenstraßett 14 zur % Herstellung einer Tageszeitung, die berufen sein sdllte, mit der hochentwickelten liberalen Presse in Wettbewerb zu treten, ein Unternehmen, . dessen Aussichtslosigkeit nur überboten wurde durch den Mut der Männer, die hier Hand anlegten. Als Gründungskapital für Druckerei und Zeitung hatte man in den Aufrufen den Betrag von 50.000 Gulden bezeichnet. Erreicht hatte man wenig mehr als die Hälfte.

Mit Wasser kochen

Mit bescheideneren Mitteln war noch keine Wiener Zeitung in die Welt geschickt worden. Man mußte den Druckereibetrieb, der in einem Keller des großen Miethauses Platz gefunden hatte, ohne Rotationspresse führen, weil für den Kauf einer solchen das Geld nicht reichte. Den ganzen Maschinenbestand bildeten zwei altertümliche Flach druckpressen und eine ebenso antike Tiegeldruckpresse; ein zweipferdiger Gasmotor besorgte den Antrieb der vorsintflutlichen Apparatur, aus der eine neuzeitliche Wiener Tageszeitung hervorgehen sollte. Eine der ersten Nummern erschien überhaupt nicht, weil einem Arbeiter der schwere Stahlrahmen einer Blattseite ’ auf der J Kellerstiege entglitten und der Letternsatz, den er umschloß, zerschmettert worden war. Da man den Aufwand für die Herstellung eines Morgenblattes zufolge der höheren Löhne für die Nachtarbeit nicht zu bestreiten vermochte, sollte die Zeitung um vier Uhr nachmittags erscheinen. Infolge des primitiven Druckvorganges, der zu lange dauerte, war die Zeitung jedoch schon veraltet, wenn sie erschien. Da der großstädtische Vertriebsapparat fehlte, kam die Zeitung viel zu spät auf den Markt und traf in den Außenbezirken nicht selten erst ein, wenn die Zeitungs- verkaufsstéllen schon geschlossen waren. Wenn es möglich gewesen wäre, so hätte die Ausstattung der Redaktion, die bei Gasbeleuchtung in düsteren Räumen des Halbstockes zwischen Bretterschlägen ihres Berufes waltete, jene der Druckerei, noch an Bescheidenheit übertroffen.

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