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Wachsen mit der Pflicht

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Am Dienstag, 4. Dezember 1956, wurde von Erzbischof DDr. Franz König, Vorsitzendem des Vereines Herold, die neue — fünfte — Rotationsmaschine des Verlages Herold sowie die für diese Maschine neuerbaute Maschinenhalle feierlich eingeweiht.

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Am Dienstag, 4. Dezember 1956, wurde von Erzbischof DDr. Franz König, Vorsitzendem des Vereines Herold, die neue — fünfte — Rotationsmaschine des Verlages Herold sowie die für diese Maschine neuerbaute Maschinenhalle feierlich eingeweiht.

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Zeitung ist ein Geschöpf ihrer Zeit, unterworfen sehr nüchternen, materiellen Lebensbedingungen. Sie empfängt aus dieser Verbundenheit das strenge Gesetz ihrer realen Existenz.

Das war die erste weise Lehre, die der Verfasser dieser Zeilen als Zeitungseleve gerade jetzt vor sechzig Jahren empfing.

Mit rund 50.000 Kronen ausgerüstet, waren 1893 sieben Männer an den Plan herangetreten, in Ausführung eines Beschlusses des zu Linz 1892 stattgefundenen Oesterreichischen Katholikentages eine zweimal täglich erscheinende Tageszeitung, ein katholisches, volkstümlich gehaltenes, für den ganzen Raum des alten Reiches bestimmtes, deshalb „Reichspost“ benanntes Blatt zu schaffen. Den Vorsitz in dieser Gründergruppe führte der Soziologe Dr. Franz Schindler, Professor der Wiener Theologischen Fakultät; an seiner Seite stand als einziger Praktiker der Zeitungswirtschaft sein deutschböhmifcher Landsmann, der Warnsdorfer Zeitungsherausgeber Ambros Opitz.

Wenngleich legitimiert durch einen Katholikentagsbeschluß, unter stürmischen Kundgebungen empfohlen, begegnete das Vorhaben Gegnerschaften, die den damaligen politischen Spaltungen unter den österreichischen Katholiken entsprangen und auch die wirtschaftliche Aufrüstung des Unternehmens erschwerten. Zweifel und düstere Voraussagen umwitterten die Gründung. 50 000 Kronen Gründungs- und zugleich Betriebskapital I Kritische Fachleute sprachen von einem irrsinnigen Beginnen. Waren es werkfremde Utopisten, die dieses Wagnis unternahmen? Es waren Männer von glühender Vaterlandsliebe und festem Gottvertrauen. In seiner 1912 erschienenen Untersuchung über die wirtschaftlichen Grundlagen des modernen Zeitungswesens notierte Dr. Max Garr, ein ausgezeichneter Kenner des Zeitungswesens seiner Zeit: „In Wien wird angenommen, daß der mindeste Betrag, mit dem man sich an die Gründung einer hauptstädtischen großen Zeitung wagen darf, 1,500.000 Kronen sei.“ Ein Beispiel dafür war die Tageszeitung „Wiener Journal“, die anderthalb Millionen Goldkrqnen verbrauchte, bevor sie aktiv wurde. Mit einem Dreißigstel dieser Summe sollte sich das neue Blatt, die „Reichspost“, ihr Leben erobern.

Drei alte, recht langsame „Schnellpressen“ bildeten das Zentrum der technischen Einrichtung, die ihren ersten Arbeitsunterstand im Keller eines Hauses der Wiener Josefstädter Straße fand. Nach einigen vorausgegangenen Probenummern begann Anfang Jänner 1894 das Blatt seinen Weg. Seine mangelhafte technische Ausrüstung erlaubte ihm erst um 4 Uhr Nachmittag das Erscheinen, eine Verspätung, die seine Verbreitung behindern mußte. Immerhin scharte sich eine geistige Gemeinde von drei-bis viertausend Menschen um die junge Zeitung, ergriffen durch das in heißem Bemühen der Armut abgerungene Wort, das aus diesem Blatte sprach. Die Herausgeberschaft glaubte, dies als eine verheißungsvolle Ermunterung betrachten und nach dem Ende des zweiten Arbeitsjahres die Umwandlung in ein Mittag- und Abendblatt vollziehen zu dürfen. - Ja, ein heroisches Wagnis. Durfte man nicht erwarten, daß es die ewig Schläfrigen aufrütteln werde? Eine kleine Rotationsmaschine, die ein Achtseitenblatt herstellte, war eingetroffen. In der Strozzigasse war das bescheidene alte Haus Nr. 41 erworben worden: wenig geeignet für einen technischen Betrieb, bot es dem Blatte doch ein freundlicheres Heim, als es bisher besessen hatte. Die neue Erscheinungsweise brachte der Zeitung sofort einige Tausend neue Bezieher. Doch bald zeigte sich, daß man zu kühne Hoffnungen genährt hatte. Von den Schläfrigen, die kräftig hätten helfen können, waren erst wenige aufgewacht. Die bisherige Nachtarbeit für das neue Morgenblatt verschlang unverhältnismäßig hohe Summen. Die kleine Redaktion vermochte trotz aller Anstrengungen den Dienst bei Tag und Nacht nicht zu leisten. Eine Krise zog herauf, die das Werk mitten in dem Elan der Kämpfe, die gerade damals der Eroberung der Wiener Gemeindestube galten, zu erschlagen drohte. Selbstlose Freunde, an ihrer Spitze Freiherr Max Vittinghoff-Schell, beschworen durch große persönliche Opfer die Katastrophe. Noch heute ist es unermittelt, woher in jenen Tagen der Not ein anonymes rekommandiertes Schreiben aus einem südsteirischen Städtchen stammte, mit dem gerade zur rechten Stunde zwei Tausendguldenscheine einlangten Aber es blieb nichts anderes übrig, als in der ersten Atempause mit einem raschen Entschlüsse zu retten, was noch zu retten war, und am 1. April 1896 tiie zweimal tägliche Ausgabe nach einem vierteljährigen Bestand in ein Abendblatt zurück-zuverwandeln. Der schwere Rückschlag entmutigte die Pioniere nicht. An ihre Spitze war Ambros Opitz getreten, dieser stählerne Mann der Arbeit, aus dessen Augen Energie und Kraft strahlten. Dieser Vormann der deutschen Katholiken Nordböhmens .geleitete das Unternehmen an dem Rande des Abgrundes vorüber. Wäre damals seine starke Hand nicht gewesen, die „Reichspost“ wäre zugrunde gegangen. *

Ein Vierteljahr nach dem Ausbruch der Krise trat der Verfasser dieser Zeilen in die Redaktion der „Reichspost“ ein. Noch fiel kein Sonnenstrahl in die Szenerie, die ihn empfing. Tief eingeprägt hat sich dem Gedächtnis die Erinnerung an das Erlebnis. In seiner Wiener Einsamkeit erschloß sich der Riese Ambros Opitz dem jungen Studenten, der sein journalistischer Schüler sein wollte. Tief bekümmert erklärte ihm Ambros Opitz das Geschehnis, das treffliche Menschen, aber Laien des Zeitungswesens, durch die Unterschätzung der unerbittlichen Wirtschaftsgrundsätze des Zeitungsbetriebes herbeigeführt hatten. Der Bericht erschütterte den jungen Zuhörer.

Von der Stockung, die damals in der äußeren Entwicklung der „Reichspöst“ sich einstellte, vermochte sie sich erst mit den Mühen eines arbeits- und sorgenreichen halben Jahrzehnts wieder zu erheben. Der Idealismus und die selbstlose Hingabe seiner Führer waren dem Werke in aller Bedrängnis treu geblieben. Die Gründerzeit des publizistischen Werkes, das bisher seinen Ausdruck in der „Reichspost“ ge* funden hatte, schloß um die Jahrhundertwende. Zu der Festnummer, mit der sie 1904 ihren Zehnjahrbestand beging, schickte ihr Bürgermeister Dr. Karl Lueger einen Beitrag, der in den Worten gipfelte: „Dank gebührt in diesen Tagen allen, die an und in der Christlichsozialen Partei mitgearbeitet haben und da kann ich die .Reichspost' nicht vergessen, die uns immer eine treue, selbstlose Vertreterin und Verfechterin unserer Gesinnungen war und die auf die ermutigendsten Erfolge in den zehn Jahren ihres Bestandes zurückblicken kann. Möge das Volk den Wert einer solchen Presse erkennen. Ich wünsche von Herzen der .Reichspost': Ihr möge in dem kommenden Jahrzehnt ebenso viel Ehre und Erfolg beschieden sein wie bisher in einer Laufbahn der Ehre und des Verdienstes um das christliche Volk.“ *

Jugend drängte jetzt auf neue Bahnen kämp-■erisch und reformfreudig, Frischer Wind kam :um Fenster herein. Langsam wuchs die Be-:ieherzahl des Blattes. Der Mitarbeiterstab vergräßerte sich, das Ausland wurde auf das junge Blatt aufmerksam. Freunde, über den deutschen Sprachkreis hinaus, schlössen sich an. Die zunehmende Geltung des Blattes wurde zu einer Hoffnung in mehr als einer Hinsicht.

Dann vollzog sich das große Ereignis: Mit der 1905 in Wien erfolgten Gründung des Pius-Vereines, der geistigen Schöpfung des Jesuitenpaters Viktor K o 1 b, der Beginn eines Volksapostolates für die katholische Presse, wie es Oesterreich noch nicht gesehen hatte und auch später nicht wieder erlebte. Der Wandel im Bezieherstand der katholischen Presse setzte im ganzen Lande fast unmittelbar ein. Hunderte von Ortsgruppen des Pius-Vereines trugen Willen und Tat zur Förderung der katholischen Presse in das Volk hinaus: Nach drei Jahren über Fünfhundert an der Zahl, schon nach sechs Jahren ihrer Tausend.

Die von Begeisterung getragene Werbung hatte bald Erfolg. Schon 1906, ein Jahr nach -Beginn der Pius-Vereins-Bewegung, erreichte die „Reichspost“ eine Aufläge von Zehntausend. Eine in der katholischen Tagespresse Oesterreichs bisher noch nicht verzeichnete Ziffer des täglichen Bedarfs. 1912 hatte die Auflage schon die Zwanzigtausendgrenze überschritten, 1913 hielt sie bei Dreißigtausend und wuchs bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges auf 44.000 und bald auf 50.000. Der Erfolg war wieder einmal der Erfolg des Erfolges. Der Erfolg der Werbung befruchtete den Haushalt der katholischen Tagespresse, dessen Investitionen alsbald in einem glücklichen Kreislauf weiterwirkten. 1910 durften die Führer und Verwalter des Blattes auch den alten Großplan, die Herstellung der kostspieligen zweiten Ausgabe neben dem Morgenblatt, mit eindeutigem Gelingen verwirklichen. Jetzt wuchsen aber auch die finanziellen Mittel durch die maschinelle und rationelle Armierung des Blattes, und was noch vor kurzem als erträumtes fernes Ziel gewesen war, die moderne Werkstatt für den Dienst am christlichen Volke, wurde Wirklichkeit.

1913 vollzog in Gegenwart einer glänzenden Festgemeinde Fürsterzbischof Dr. P i f f 1 den Weiheakt für das neuerrichtete große HEROLD-Haus in der Strozzigasse 8, des nunmehrigen Heimes der „Reichspost“ und ihrer Nebenblätter. Eine mächtige Rotationsmaschine für die Herstellung eines 4 8-Seiten-Blattes bildete die Krone der neuen Rüstung. Mit der Wirkungskraft einer bedeutenden Auflage, mit der sie an die Seite der großen österreichischen Tageszeitungen sich gesellt hatte, trat sie in den ereignisschweren Abschnitt österreichischer Geschichte ein, der mit dem Fürstenmord von Sarajewo und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges begonnen hatte. Zur rechten Zeit war die Presse des HEROLD-Hauses für ihre nun einsetzende verantwortungsvolle Aufgabe gerüstet. Ob die „Reichspost“ in Kampf und Not und Gefahr ihre Pflicht erfüllt'hat, braucht hier nicht erörtert zu werden. Die Antwort gehört der Geschichte an.

An der Gestalt des katholischen Zeitungswesens Oesterreichs hat die Folgezeit erhebliche, nicht durchaus glückliche Veränderungen mit sich gebracht. Es steht dahin, ob sie Dauerhaftigkeit beanspruchen können. Die publizistischen Werkleute im HEROLD-Hause haben ihre neuen Pflichten und die neuen Formen der Erfüllung unabänderlicher, alter Pflichten ersehen. Zu der alten Dienstleistung am gedruckten Wort der Zeitung ist das weltweite Wort am Buche gekommen. Entwicklungen, die kaum vorausgesehen werden konnten, vermochte die kluge Oekonomie, die im HEROLD-Hause für eine noch im Unbekannten liegende Zukunft Vorsorgte, entgegenzukommen. Aus einer ärmlichen Liliputdruckerei von einst ist eine der größten und modernsten Druckereibetriebe der Großstadt geworden.

Treuhänder verwalten dies Haus, in dem es keine Unternehmer, nur Verpflichtete gibt, die in aller Bescheidenheit wissen, daß sie in ihrem Wirkungskreise Verantwortung tragen vor Gott und dem Vaterlande und seinen Menschen.

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