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Heroische Pioniere

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Heroismus beseelte die Männer, die unter solchen Umständen aushielten. An ihrer Spitze der bisherige freie Schriftsteller Anton Weimann als Leiter der Redaktion und Ambros Opitz, der Eigentümer der Druckerei war und im Impressum der Zeitung erschien. Dieser priesterliche Zeitungsmann, der zwischen seinem großen nordböhmischen Verlagshaus und seinem Wiener Sorgenkind stets unterwegs zu sein schien, war unter den Männern des Konsortiums der einzige Geschäftskundige; aber auch er hatte in der Großstadt so ganz andere Voraussetzungen eines Zeitungsbetriebes vorgefunden, als sie in seiner provinziellen Heimat für ein dreimal erscheinendes Wochenblatt bestanden. Auf seinen Schultern ruhte die ganze Sorgenlast einer kümmerlichen Gründung. Aber wenn alle schon verzagen wollten, stand er mit hartem Mute zu der übernommenen Mission. Lächelnd erwarteten jene, gegen die die Gründung der „Reichspost" im Namen des christlichen Volkes von Österreich gerichtet worden war, den doch offenkundig bald fälligen Untergang , des unsympathischen Neulings.

Aber er ging nicht unter. Nach anerthalb Jahren eines Ringens mit Unzulänglichkeiten aller Art erreichte das Unternehmen gar ein eigenes Heim, das Haus Strozzigasse Nr. 41 im Wiener 8. Bezirk, das von Max Freihemn von Vittinghoff- Schell, einem Mitglied des Konsortiums, der „Reichspost“ zur Verfügung gestellt worden war, ein zweistöckiges Gebäude mit sieben Fenstern Front und einem kleinen Hof, dessen Seitentrakte der Druckerei und dem Verteilerapparat der Zeitung Raum zu bieten hatten. Es war ein altes Haus, und die Redaktion hatte noch nicht lange in seinem ersten Stock Platz gefunden, als man entdeckte, daß sie knapp daran gewesen war, durch die vermorschte Holzdecke in dem Druckereibüro des Parterre zu landen. Immerhin war der Betrieb in der Strozzigasse mit einer Rotationsmaschine ausgerüstet worden, die zwar stets zwei getrennte Druckgänge brauchte, wenn sie, nur für 8 Seiten bestimmt, ein 12- oder 16seitiges Blatt liefern sollte. Mit diesem Fortschritt wagte die Herausgeberschaft des Blattes am 1. Jänner 1896 den Sprung zum Morgenblatt. Er hätte der Zeitung und ihrer Druckerei fast das Leben gekostet. Die Unmöglichkeit, ohne Betriebskapital mit einer unzureichenden Produktionstechnik den bedeutenden Aufwand einer voll wertigen Zeitung aufzubringen, brachte das Experiment schon nach einem Vierteljahr zum Scheitern. Ambros Opitz verhinderte durch entschlossenen Eingriff am Rande des Abgrundes das Äußerste. Er, der bisher der Besitzer der Druckerei und nur als Mitglied des unter dem Vorsitz des Hofrates Universitätsprofessor Dr. Franz Schindler stehenden Konsortiums an der Herausgabe der Zeitung mitgewirkt hatte, übernahm nun aus den Händen Anton Weimanns auch Herausgabe und Verlag des Blattes, das zur 4-Uhr-Nachmittag-Ausgabe zurückkehren mußte.

Die Krise des Jahres 1896

Mühsam entrang sich das Unternehmen der drohenden Katastrophe. Bis zum Ende des Jahres 1896 stand es von Woche zu Woche vor dem Umkippen. Zu jener Zeit, in einer Periode großer Ungeklärtheit innerhalb der Reihen der Wiener „Vereinigten Christen“, zwischen nationalistischem Rassenantisemitismus und christlich-sozialer und katholischer Grundsatzvertretung, wäre auch das Verschwinden des kleinen, aber richtungsicheren Blattes von nicht berechenbarer Tragweite geworden. Wäre damals nicht die Idealgestalt Schindlers, dieses Lehrmeisters christlicher Soziologie, und neben ihm Ambros gewesen, der das Beispiel glühender Opfergesinnung gab — die kleine Schar im technischen Betrieb und in der Redaktion hätte schwerlich das zähe Ausharren in Armut und Mühsal aufgebracht. So aber geschah es doch, daß langsam das Blatt Boden gewann, trotzdem keine seiner Federn einem geschulten Journalisten gehörte und der Wiener Leser in der bescheidenen Erscheinung der „Reichspost“ vieles vermissen mußte, was er von seiner Zeitung anzusprechen gewohnt war. Aber die Haltung der Zeitung in dem verwirrenden Hin und Her der entbrannten Sprachkämpfe und dann in der schweren Reichskrise, die an der Schwelle des neuen Jahrhunderts infolge des Wahlsieges der Kossutb-Partei in

Ungarn und ihrer gegen die Staatsgemeinschaft gerichteten Attacken ausbrach, erzwang sich Aufmerksamkeit und eroberte sich Sympathie. Es wurde zu einem politischen Ereignis, als der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand die Zeitung erkennbar mit seinem Vertrauen auszeichnete und es bekannt wurde, daß von seiner Militärkanzlei aus unmittelbare Verbindungen in die Redaktion der „Reichspost“ liefen. Die zunehmende Verbreitung des Blattes erlaubte nun auch Aufwendungen für die Druk- kerei und das Werben um einen größeren Kundenkreis. Freilich fehlte der bisherige erfahrene Leiter des Betriebes Ambros Opitz, der an einer Nervenentzündung in Warnsdorf schwer darniederlag und die Geschäftsführung unter dem Titel „Ambros Opitz’ Nachfolger“ an den bisherigen Druckeneibeamten Julius Lichtner seinen landsmännischen treuen Gehilfen seit der Gründung des Unternehmens, und den jungen Chefredakteur der „Reichspost“ Dr. Friedrich Funder übertragen hatte.

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