Friedrich Funder - © Foto: picturedesk.com / ÖNB-Bildarchiv / United States Information Servic

Friedrich Funder: Journalist an der Wende der Zeiten

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Am 1. November jährt sich der Geburtstag von FURCHE-Gründer Friedrich Funder zum 150. Mal. Über einen einstigen publizistischen Scharfmacher und später geläuterten Visionär.

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Am 1. November jährt sich der Geburtstag von FURCHE-Gründer Friedrich Funder zum 150. Mal. Über einen einstigen publizistischen Scharfmacher und später geläuterten Visionär.

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Vom Gestern ins Heute“, „Als Österreich den Sturm bestand“ und „Aufbruch zur christlichen Sozialreform“: drei Buchtitel, die aus der Feder des FURCHE-Gründers Friedrich Funder stammen – und zugleich das Wirken des wohl bedeutendsten katholischen Publizisten des vergangenen Jahrhunderts prägnant umreißen.

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Geboren am 1. November 1872 als Sohn eines Bäckers, wollte Funder ursprünglich katholischer Geistlicher werden. 1892 trat er in Graz ins Priesterseminar ein und begann mit dem Theologiestudium. Zwei Jahre später gab er den Wunsch, Priester zu werden, auf und ging nach Wien, wo er Jus inskribierte. In beiden Städten trat er der jeweils führenden katholischen Studentenverbindung bei, zuerst der „Carolina“, dann der „Norica“ – und geriet in die Wogen des akademischen Kulturkampfes zwischen den dominanten deutschnationalen Burschenschaften und den aufstrebenden katholischen Studentenverbindungen. Konflikte wurden häufig tätlich ausgetragen, Funder war stets dabei.

Das Geld für sein Studium verdiente er als Hauslehrer und ab 1896 als freier Mitarbeiter der 1894 gegründeten Reichspost, wo Funder binnen weniger Jahre zum führenden Journalisten des politischen Katholizismus in Österreich wurde. Ab 1902 fungierte er als Chefredakteur, ab 1904 zudem als Herausgeber. Damals betrug die Auflage der Zeitung noch bescheidene 4500 Stück, zehn Jahre später waren es 55.000. Über die Christlichsoziale Partei hinaus stand die Reichspost für das breite Spektrum des katholischen Vereinskatholizismus, bildete de facto dessen publizistische Klammer.

Hoffnung auf Franz Ferdinand

Politisch entwickelte Funder vor allem eine Beziehung zu Albert Geßmann, dem weitgehend in Vergessenheit geratenen „Generalstabschef“ Karl Luegers und Organisator der rasch über Wien hinauswachsenden Christlichsozialen Partei. Geßmann schien der kommende Mann zu sein, verschliss sich aber an seiner unglücklich verlaufenden Ministerzeit und den Diadochenkämpfen nach dem Tod Luegers im Jahr 1910. Bald ging Funder seinen eigenen Weg. Dazu zählte auch sein Naheverhältnis zum „Belvederekreis“ des Thronfolgers Franz Ferdinand. Auf dessen Tatkraft setzte Funder seine Hoffnungen, die mit den Schüssen von Sarajewo ein jähes Ende fanden.

Beschleunigt durch die schwere Wahlniederlage bei den Reichsratswahlen 1911 begann die Christlichsoziale Partei sich mehr und mehr ideologisch aufzuladen. Eine neue Generation junger, ideologisch geschulter Intellektueller drängte nach vorne. Sie kamen durchwegs aus dem Vereinskatholizismus. Es waren Männer wie Viktor Kienböck, Richard Schmitz und eben Friedrich Funder. Bei ihnen ging es nicht mehr wie unter Lueger um eine pragmatisch austarierte Interessen- und Klientelpolitik, sondern um einen exklusiven kulturpolitischen Hegemonialanspruch. Eine Dogmatisierung griff Platz, wie dies in etwa zeitgleich in der Sozialdemokratie durch die Gruppe der Austromarxisten geschah.

Im ersten Weltkrieg zeitweise Kriegsberichterstatter, zählte Funder im Herbst 1918 zu jener Gruppe von Wiener Christlichsozialen, die für den Weiterbestand der Monarchie eintrat. Damit stand er im Gegensatz zu den meisten Ländervertretern, allen voran Jodok Fink. Sie waren im Herbst 1918 zu Republikanern geworden. Als die Würfel am 11./12. November 1918 gefallen waren, verhielt sich Funder allerdings weitblickend. Er trat an Ignaz Seipel, den aufsteigenden Stern am Firmament des politischen Katholizismus, mit dem Ersuchen heran, den Katholiken einen Weg in die neue Zeit zu weisen. Seipel tat dies in einer Artikelserie, die es auch den kaisertreuen Katholiken ermöglichte, den Übergang zur neuen Staatsform mitzutragen. Den Christlichsozialen blieb eine schwere Belastungsprobe erspart.

Es dauerte noch ein wenig, bis Seipel endgültig ins Rampenlicht der Politik trat. Als er 1922 Kanzler wurde, war Funder anfangs skeptisch, wurde aber bald zu einem engen Gefolgsmann des neuen Kanzlers, der sich auf die Reichspost verlassen konnte. Funder stand am rechten Flügel der Partei, woran sich bis in die 1930er Jahre nichts ändern sollte. Und er hatte großen politischen Einfluss. Obwohl selbst nicht Mandatar, war er Mitglied des christlichsozialen Parlamentsklubs und beeinflusste mittels seiner Zeitung unverhohlen parteiinterne Entscheidungen.

Die KZ-Erfahrungen wurden für Funder prägend: Erstmals kam man sich persönlich näher – über alle Lagergrenzen hinweg.

Funder verfügte über beste Kontakte in den Vatikan. Diese reichten bis zu Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII. Die Entwicklungen in Deutschland verfolgte er genau und verfügte über zahlreiche Netzwerke. Die auf der Basis von Notverordnungen regierenden Präsidialkabinette unter dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning hieß er gut. Selbst Franz von Papen, den Funder seit 1928 persönlich kannte, fand bei seinem Regierungsantritt eine positive Beurteilung in der Reichspost. Dabei konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass Deutschland noch stärker in Richtung einer partiellen Diktatur abdriftete. Dies nahm Funder genauso in Kauf wie die Zuspitzung der politischen Konflikte in Österreich. Nur dem Nationalsozialisten stand er von Anfang an strikt ablehnend gegenüber.

Auf den NS-Fahndungslisten

Funder wurde zu einem engen Gefolgsmann von Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg. Dabei akzeptierte er auch die Auflösung der Christlichsozialen Partei. Im Oktober 1934 wurde er in die beiden wichtigsten der mit der Verfassung 1934 eingerichteten gesetzgebenden Organe berufen, den Staatsrat und den Bundestag. Trug die Verfassung schon an sich eine starke autoritäre Komponente, waren die Befugnisse der Körperschaften durch weitgehende Übergangsbestimmungen nochmals reduziert worden. Funder zählte zu jenen Abgeordneten, die bald mehr parlamentarische Kompetenzen einforderten, sollte die neue Gesetzgebung nicht zu einer Farce verkommen.

Er glaubte an die Fiktion, auf der Basis der päpstlichen Soziallehre eine berufsständisch strukturierte Ordnung bilden zu können, genauso wie er für die Unabhängigkeit Österreichs kämpfte. Auf den Fahndungslisten der Nationalsozialisten stand er ganz oben. Er wurde im März 1938 sofort verhaftet und kam ins KZ Dachau. Gemeinsam mit Leopold Figl und anderen prominenten österreichischen Häftlingen wurde er im September 1939 in das Lager Flossenbürg in der Oberpfalz verlegt. Dort musste er in den gefürchteten Granitsteinbrüchen als Endsechziger schwere körperliche Arbeit verrichten. Im November 1939 kam er frei, blieb aber unter strenger Beobachtung der GESTAPO. Kardinal Innitzer verschaffte ihm einen unpolitischen Job als Mitarbeiter bei der kunsttopografischen Erfassung der Kirchen Österreichs und sicherte ihm so ein Auskommen.

Die Erfahrungen im KZ wurden für Funder wie für andere prägend: Erstmals kam man sich auf einer persönlichen Ebene über die Lagergrenzen hinweg näher. Aus dem Protagonisten des politischen Kulturkampfes der Zwischenkriegszeit wurde ein abgeklärter Katholik. Verständnis für den politisch Andersdenkenden und Aussöhnung waren nunmehr seine Anliegen. Unter diesem Eindruck entstand die Bereitschaft, dogmatische Forderungen hintanzustellen und den Kompromiss zu einem Grundprinzip der Politik zu erheben. Bei Funder ließ dies den Wunsch entstehen, anstelle eines weltanschaulichen Leitmediums ein neues, gänzlich innovatives publizistisches Projekt aus der Taufe zu heben: DIE FURCHE. Katholisch, aber nicht mehr parteipolitisch gebunden, auch kein Organ der Kirche, Neuem aufgeschlossen und offen für den Dialog mit anderen Weltanschauungen.

Eine Furche, die Frucht bringt

Die erste Ausgabe der neuen „kulturpolitischen Wochenschrift“ erschien am 1. Dezember 1945. In seinem Editorial ging Funder programmatisch auf den Titel ein: „Der Gang der Pflugschar durch den Heimatboden ist Anfang, Vorbereitung; in die Furche fällt der Same, der so Gott will, Frucht bringen wird.“ Und er setzte in einer bildlichen, an den neutestamentarischen Gleichnismetaphern anknüpfenden Sprache fort: „Nun heißt es geduldig und tapfer den Acker frisch bestellen, neue Kräfte aus seinem Schoße für die Saat zu wecken, die sich zur Frucht wandeln, Leben schenken soll. Ein jeder muss jetzt Pflüger werden.“ Funders Hoffnung ging auf. Die neue Wochenzeitung war aus der publizistischen Landschaft Österreichs nicht mehr wegzudenken.

Er selbst war in der Zweiten Republik eine allseits geachtete Person, „ein Weiser mit Feuerzunge“ in den Worten Günther Nennings, der über ihn befand: „An Funder wird sichtbar, was ein Journalist bedeuten kann, wenn er eine feste Grundlage hat und auf dieser im Stande ist zu einer großen Kehre seines Lebens und seines Schreibens.“ Mit der FURCHE wurde Funder mit zu einem Baumeister am geistigen Fundament der Zweiten Republik, kirchlich nahm er dort manches von dem vorweg, was später im Mariazeller Manifest und im Zweiten Vatikanum seinen Ausdruck fand.

86-jährig, bis wenige Wochen vor seinem Tod tätig, starb Funder am 19. Mai 1959. Er war der Doyen der katholischen Publizistik in Österreich mit vielen Schülern, darunter Friedrich Heer; und doch war er in seiner Persönlichkeit unvergleichlich.

Der Autor ist Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs.

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