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Von „Reichspost“ bis „Furche“

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Am Äiiiaug war cue „neicnspost . uas xierz von Druck- und Verlagshäusern ist fast immer die Zeitung. Das „Herz Reichspost“ schlug sogar schon früher, als sein Corpus — das neue Haus Herold — am Leben war.

Die Chronik dieser Zeitung, die in mehreren Phasen das Schicksal und die Geschichte Österreichs wesentlich mitbestimmt hat, ist noch nicht geschrieben. Man findet das meiste darüber in den leider vergriffenen beiden Memoirenbänden des Mannes, der als Herausgeber und Chefredakteur ab 1903 35 Jahre von den 44 Jahren der Lebenszeit der Zeitung (1894 bis 1938) ihr Geschick diktierte und — mit ihr auf Tod und Leben verbunden — selber zu einem Monument österreichischer Geschichte wurde: in Dr. Friedrich Funders „Vom Gestern ins Heute“ und „Als Österreich den Sturm bestand“.

Die umstrittene Weisheit der Alten, der Krieg sei der Vater aller Dinge, trifft in besonderem Sinne auf die „Reichspost“ zu: sie entstand aus dem Jahrzehnte währenden tragischen Konflikt zwischen den katholischen Konservativen und den aufstrebenden Christlichsozialen, den sie allerdings gleichzeitig überwinden half. Einem Beschluß des dritten österreichischen Katholikentages in Linz, 1892, folgend, wurde die Zeitung ein Jahr später als „Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Österreichs“ mit dem Namen „Reichspost“ gegründet. Der Titel „Reichspost“ deutete ein Programm an: „Das Blatt sah seine Aufgabe auf das Reich und alle seipe Nationen erstreckt“ (Funder).

Fast 50 Jahre später macht die Weltgeschichte einen ihrer berühmten Treppenwitze über diesen Namen. Der heute noch lebende Konzentrationslagerkamerad Friedrich Funders, Oberpolizeitrat a. D. W. Hofrat Leopold Buchsbaum, erzählt, daß Dr. Funder wie andere bei einem der berüchtigten Lagerappelle von einem Schergen um seinen Zivilberuf gefragt wurde, woran sich in der Regel ein bissiger Kommentar, mitunter auch noch anderes anschloß. Wahrheitsgemäß, aber voll delphisch-dunkler Weisheit, anwortete Doktor Funder, „er sei von der Reichspost“. Der aui dem Reich stammende, in der europäischer Politik und Publizistik offensichtlich nich sehr beschlagene Lagerbulle, unkundig de: Titels der dem oberen Nationalsozialismu so sehr verhaßten Regierungszeitung Österreichs, gab in der Meinung, einen Beamter ier deutschen Postverwaltung vor sich zv Iraben, ein wohlwollendes Brummen von sich las irgendwie nach „Mensch Meier, endlici nal wat Vernünftijes“ geklungen haben mag Und Dr. Funder war damit — wenigstens füi den Augenblick — aus der Feuerlinie des schlimmsten Spottes und Hasses gerückt.

Als der 22jährige Friedrich Funder im Ma 1894, nach vier Semestern Theologie in Graz rach Wien gekommen war, um auf Jus um- lusatteln, fand er in einer mehr als dürftiger Bude in der Josefstädter Straße Beschäl- :igung als Korrekturleser bei der seit den J. Jänner 1894 herausgegebenen Tageszeitung .Reichspost“. Die Seele des Unternehmens war der Warnsdorfer Weltpriester Ambros 3pitz; Chefredakteur und Herausgeber was lis zum Frühjahr 1896 Anton Weimar. Vor der Josefstädter Straße zog die „Reichspost1 auf Strozzigasse 41, immer noch als (4-Uhr- Nachmittagsblatt. Die Verwandlung in eir achtes Morgenblatt am 17. Dezember 189! lätte dem jungen, wenig leistungsfähiger Unternehmen fast das Leben gekostet. Schor nach einem Vierteljahr ging dem Blatt di Luft aus. Zurück zum Nachmittagsblatt! Ers zwölf Jahre später, 1907, wurde das Experiment wiederholt — und gelang.

Mit 900 Beziehern begann die „Reichspost“ lach einem Monat waren es 1500; nach einen fahr 5000 an Sonntagen und 4200 an Wochen- lagen. Die großen liberalen Blätter hatten damals eine fünf- bis achtmal größere Auflage md an Sonntagen regelmäßig Umfänge bis 130 Seiten (die „Reichspost“: 12 Seiten!).

Aber das Kind gedieh. 55.000 Abnehmei war das Maximum im Jahre 1915, als das Blatt wegen seiner seriösen und umfangreichen Eigenberichterstattung von der Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges großem Interesse begegnete.

Friedrich Funder war, nach Zwischenspielen als Feuilletonsredakteur und Parlamentsberichterstatter, bereits 1903 Chefredakteur, 1905 Herausgeber dazu; er blieb es bis zum März 1938.

Die Einverleibung der „Deutschen Zeitung“ (1909) und des „Vaterland“ (1912) sind sichtbare Stationen im Aufstieg des Blattes. Wesentlicher war der Einfluß der „Reichspost“ und ihres Chefs auf das Zeitgeschehen der Ära Lueger, als publizistischer Herold der Reformpläne Erzherzog Franz Ferdinands, als bestinformiertes Balkanpolitikblatt, nach dem ersten Weltkrieg als Mitstreiter in jenen heftig bewegten Epochen, die die Namen Seipel und Kunschak, Dollfuß und Schuschnigg tragen.

Obwohl die hohe Auflage der „Reichspost“ im Krieg in den zwanziger und dreißiger Jahren nicht mehr erreicht werden konnte — die Dolmetschung unpopulärster, wenn auch notwendiger Regierungsmaßnahmen in dieser schweren Zeit war ein schlechtes Geschäft! —, erreichte das Blatt dennoch im Vielfrontenkampf dieser Tage den höchsten Rang seiner innen- und außenpolitischen Geltung. Neben Dr. Funder verantworteten Oberst Adam und Peter Thaler den außen- und innenpolitischen Teil des Blattes. Heiß ging es — hüben und drüben — in der Wiener Kommunalpolitik her. Besondere Verantwortung lag auf dem (von Hans Huebmer) souverän geleiteten religiösen und kirchenpolitischen Ressort des Blattes.

Aber auch die Musen schwiegen selbst im schärfsten politischen „Krieg“ nicht, der 1927 das damals erst 14 Jahre alte Herold- Haus durch Brandlegung schwer beschädigte. Der reiche, jeweils zwischen 20 und 30 Mann zählende engere Redaktionsstab dieser Tage versammelte in intensiver Kunst- und Kulturpolitik eine angesehene Garde von Kunstkritikern und literarischen Mitarbeitern. Junge Talente, heute anerkannte Dichter, Maler und Musiker, fanden ihrerseits wieder durch die „Reichspost“ Förderung. Der Hauptverantwortliche der dreißiger Jahre dafür, Rudolf List, hat über diese reiche „Quelle“ der Literatur vor neun Jahren in einer „Furche“-Jubiläumsausgabe berichtet.

Dann fuhr der Blitz aus dem schwarzumwölkten Himmel. Im März 1938 traf der abgründige Haß der neuen Machthaber die „Reichspost“, die sich besonders in den letzten Jahren durch ihr kompromißloses Eintreten für ein selbständiges Österreich und ihre „klerikale“ und „Vatikanpolitik“ die Ungnade an höchster Stelle des Dritten Reiches zugezogen hatte.

Der Redaktionsstab wurde zerschlagen, die meisten Redakteure wurden gemaßregelt. Das Blatt durfte aus listig berechneten Gründen mit dem neuen Stab noch ein paar Monate lang vegetieren und verfiel dann aus einem dramatischen hochpolitischen Anlaß über Nacht der Einstellung.

Die besonderen Verhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg erlaubten es nicht, das einstige Kampfblatt der Christlichsozialen Partei wiederzuerwecken. Sein Andenken aber — aller Ehren voll — lebt weiter.

Nach dem Brand von 1927 waren die finanzielle Situation der „Reichspost“ und des Verlagshauses neu überdacht und die Kräfte konzentriert worden.

Kaum länger als ein Jahr— 1922 23 — hatte als Verlagsblatt die „österreichische Illustrierte“ existiert. Gesünderes und längeres Leben war den Herold-Wochenblättern der zwanziger und dreißiger Jahre: „Badener Volksblatt“, „Volksfreund für das Viertel unter dem Wienerwald“, „Neues Wochenblatt für das Viertel unter dem Manhartsberg“ und dem „Montagblatt“ (auch: „Wiener“, „Neues Wiener“) beschert.

Zwei getrennte Epochen lang — 1919 bis

1922 und (nach vorübergehender Einstellung)

1923 bis 1927 — erschienen als Mittagsblatt der „Reichspost“ die „Wiener Stimmen“, denen Chefredakteur Peter Thaler den Stempel seiner zugleich kämpferischen wie menschlich-gütigen Persönlichkeit aufdrückte. Eine eigene Wochenausgabe der „Reichspost“, „Die Woche“ (bis 1928), brachte als eine der ersten Wiener Zeitungen — aus der Feder Viktor Trautzls — einen Rätselkriminalroman, dessen Lösung einem oberösterreichischen Schullehrer ein richtiges „Gelbes Auto“ (Titel des Romans) eintrug.

1927 28 war aus den oben angedeuteten Gründen im Verlag der Plan gereift, den drei damals weitverbreiteten, kleinformatigen Blättern die ebenbürtige kleine Ausgabe einer christlichen Zeitung entgegenzusetzen. Die Konkurrenz, die „Illustrierte Kronen-Zei- tung“, „Das Kleine Blatt“ der „Arbeiterzeitung“ und die „Kleine österreichische Volks-Zeitung“, nahm das Projekt anfangs nicht ernst. Eine richtige Groschensammlung der katholischen Bevölkerung Österreichs schuf die finanzielle Grundlage, die „Reichspost“ stellte die junge Redaktion, von deren knappster erster Zusammensetzung am 27. Jänner 1929 inzwischen Hermann Mailler, Hermann Wolf und vor kurzem auch Richard Kandier gestorben sind; am Leben sind noch der oberösterreichische Schuldirektor und Dichter Carl Martin Eckmair und der Chefredakteurstellvertreter der „Furche“, Doktor Roman Herle.

Der Start des „Kleinen Volksblattes“ im Tochterverlag Herolds, „Albrecht Dürer“, in der Bandgasse, geschah in einem der strengsten Winter des Jahrhunderts am 27. Jänner 1929 unter bösen Umständen. Das Blatt gedieh trotzdem bis zu einer Sonntagsauflage von 100.000, wurde 1938 „nationalisiert“ und 1944 eingestellt. Sein Name lebt im heutigen Parteiorgan der österreichischen Volkspartei, das im Herold-Haus im Auftragsdruck hergestellt wird, weiter.

Herbst 1945. Diese Sage hat inzwischen dis Runde gemacht: Von Baden bei Wien wandert ein Dreiundsiebzigjähriger zu Fuß und per Anhalter hach Wien, trifft sich mit alten und neuen Gesinnungsfreunden — und schmiedet (die Katze läßt das Mausen nicht) journalistische Pläne. Friedrich Funder, in Not und Bedrängnis der sieben bösen Jahre gereift, gewandelt und ergraut, aber von ungebrochener Spannkraft und Schaffensfreude, gründet „Die Furche“ als unabhängige, kulturpolitische Wochenschrift, als christliche Zeitung der Versöhnung und Sammlung aller Kräfte zum Wiederaufbau Österreichs und des Abendlandes. Die „f“-Leitsätze sprühen noch vor Kritik und Kampfeslust, und manchmal juckt es sie auch noch, Minister zu stützen oder zu stürzen.

Und doch ist vieles darin und daran anders, weiser und gelassener geworden. Als der Redaktionsstab der „Furche“ aufgebaut ist, zieht sich Friedrich Funder langsam aus der Arena des Tageskampfes zurück und krönt sein Lebenswerk durch eine reiche schriftstellerische Tätigkeit, der wir Zeitdokumente von bleibendem Wert verdanken.

Über seinen und anderer Mitglieder der „Furche“-Gemeinschaft Tod (Dr. Micka, Hermann Wolf, Hanns Salaschek und Curd Graf Strachwitz) hinweg ist der Pionier- und Gründergeist Friedrich Funders heute und immer lebendig — im Erfolg und im mensch-

liehen Versagen der von Dr. Funder berufenen und akkreditierten Redaktion und in deren stetem Bemühen, auf immer neuen Wegen zum alten, unverrückten Ziel zu kommen.

Diesem Ziel dienten und dienen noch heute neben der „Furche“ andere Zeitungen und Zeitschriften des Herold-Verlages.

Vorübergehende Aufgaben waren nach dem zweiten Krieg der Kinderzeitschrift „Der goldene Wagen“ (1947 48), dem Magazin „Jedermann“ (1947 bis 1950), „Wissenschaft und Weltbild“ (1948 bis 1954), „Heimat“ (1948 bis 1950) und „Filmkunst“ (1949 50) zugewiesen.

Schmerzlicheren Überlegungen und harter Notwendigkeit entsprang der Entschluß des Verlages, im Dezember 1956 die seit 1948 im Verlag herausgebrachte Wochenzeitung „Offenes Wort“ einzustellen. Einige Töne des angriffsfreudigen Blattes hat die „Furche“ in ihre Rubrik „Briefe an den Herausgeber“ übernommen. Die einstigen Redakteure des Blattes haben an anderen verantwortungsvollen Stellen angesehene Positionen gefun

den. Seinen vornehmsten geistigen und geistlichen Führer hat das „Offene Wort“ leider zu früh durch Tod verloren: Pater Georg Strangfeld SJ.

Ungebrochen in ihrer Schlagkraft, ja mit immer neuen Aufgaben stetig wachsend, erscheinen neben der „Furche“ heute im Herold- Verlag: seit Oktober 1956 die Monatsschrift für aktives Christentum der PP. Jesuiten „Der Große Entschluß“, seit Juli 1950 die Zeitschrift der Marianischen Kongregationen „Unsere Herrin“ und seit 4. September 1948 „Die Mutter“.

Weit ist der Bogen, der sich von der „Reichspost“ zur „Furche“, von einem ins andere Jahrhundert und vom ersten Tag des neuen Herold-Hauses zum Heute spannt. Millionen Zeitungen sind aus dem Haus gerollt, Millionen werden ihnen folgen. Der Geist ihrer Toten vereinigt sich in dieser Stunde der Feier mit dem Auftrag der Lebenden.

Immer wird die Zeitung das Herz des Hauses sein.

Nach dem Tode von Richard Schmitz wurden die vielfältigen Bestrebungen des Verlages in drei Hauptströme geleitet: Religiöse Literatur, Geschichte und Kunstgeschichte. Der gesamte deutschsprachige Buchhandel war inzwischen zu einem so gewaltigen Apparat angewachsen, daß es notwendig geworden war, die Aufgaben unter den Verlagen aufzuteilen, sich auf einige Sparten zu beschränken, um diese zu intensivieren. Großer Wert wurde darauf gelegt, der Verlagsproduktion in Inhalt und Form eine Weitläufigkeit zu geben, die ihr Eingang in Kreise weit über

und geistesgeschichtlicher Themen zur Diskussion. Hier handelt es sich vor allem um das Problem der Beziehungen von Kirche und Staat.

Kunstbücher: Bildwerke über das Barock, die letzte abendländische Kunstepoche. Schriften über die Anfänge der modernen Architektur, für die Österreich am Anfang unseres Jahrhunderts führend war.

Das religiöse Buch: Im Dienste eines weltoffenen Christentums, als Helfer bei der Bewältigung unserer Aufgaben, als Zeugnis und

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