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Es geschah in der Bandgasse...
Die Redaktion
Die Chronik einer Zeitung ist nicht selten auch diie Geschichte der Persönlichkeiten und Personen ihrer Redakteure und Mitarbeiter. Die Schwerpunkte einer volkstümlichen Zeitung wie des „Kleinen Volksbiat- tes“ zur Zeit seiner Gründung lagen bei dem Hirn des Blattes: dem Chefredakteur, dem Herzen: dem Zeichner und seinem Stab, der Lunge des Blattes: der Lokalredakition, und dem Nerv: der Werbung. Es möge sich ailso niemand verletzt fühlen, wenn der Chronist gerade an diesen Stellen länger als anderswo verweilt. Die enormen Verdienste der rührigen Verwaltung sind unbestritten.
Die „Urredaktion“ steuerte die „Reichspost“ in den Personen Hermann Maillers, Hermann Wolfs. Richard Händlers (sämtliche seither verstorben) und Dr. Roman Herles; auf besondere Empfehlung der Dichterin Enrica von Handel-Mazzetti wurde der spätere Sonderschuldirektor und Dichter Carl Martin Eckmair ans Oberösterreich ein Jahr lang zur Redaktion zugezogen. Die stark überforderte Lokalredaktion Dr. Herles mußte sich gleich in den ernten Tagen durch Herrn Ohmaier vergrößern, nach seinem baldigen Abgang im Februar 1929 durch Richard Quapil, den mtan also wohl mit zur Gründungsredaktion rechnen muß. Als Blatt der Katholischen Aktion erhielt „Das Kleine Volksblatt" einen geistlichen Berater in der Person P. Frodls SJ, der sein Amt jedoch schon nach kurzer Zeit nach Feststellen der religiösen Standfestigkeit der Redaktion zurücklegen konnte. Das Redaktionssekretariat besorgte Franz M. Eichhorn (inzwischen verstorben), nach seiner Avancierung zum Gerichtssaalredakteur der gleichfalls seither verstorbene Jugemdführer Franz Stein. (Über den wichtigen Reporterstab und die anderen Mitarbeiter später.)
Der Kopf und sein „Vertreter“
Der Kopf war der 28jährige Chefredakteur Hermann Mailler. Als blutjunger Realschulmaturant und „Reichsbündler“ hatte er zu Dr. Funder gefunden und war durch seine außerordentliche Begabung rasch zum Lokalchef und Feuilletonisten der „Reichspost“ sowie Chef ihrer Wochenzeitung „Die Woche" avanciert. Seine Wiener Lokalskizzen in der „Reichspost“ legitimierten ihn, obwohl auch andere Namen als Chefredakteur im Gespräch waren, zum „Kopf“ des geplanten volkstümlichen Blattes. Tatsächlich erwies er sich als die oberste Instanz der neuen Zeitung, von dem so gut wie alle Anregungen und Aneiferungen ausgingen. Dabei war er ein großer
Schweiger, an dem man nicht selten seine letzten Absichten nicht hören konnte, sondern erraten mußte. Seiner unerschütterlichen Ruhe und Gelassenheit ist nicht zuletzt das Kontinuum der Blattgeschichte nach 1938 zu danken. Sein Tod nach dem zweiten Weltkrieg ist typisch: Ein Schlaganfall raffte den als Pressechef der ÖVP nach einer erbitterten
Wahlschlacht überanstrengten Mann in wenigen Sekunden hinweg.
Hermann Wolf brachte von der „Reichspost“ die Routine des Parlamentsredakteurs mit. Es war einfach unwahrscheinlich, wie er nach stundenlangen Rededuellen erster Köpfe und Redner im Hohen Haus aus 70 und mehr großformatigen Blättern der Parlamentskorrespondenz am Abend in der Redaktion mit einem einzigen beherzten „Scherenschnitt“ die für das „Kleine Volksblatt“ wesentlichen zehn bis fünfzehn Zeilen herausschälte. Auch er starb den Tod unseres Berufes: Schlaganfall.
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