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Digital In Arbeit

Ein Kapitel katholischer Pressetragik

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Freilich: Wenn ich heute die erfolgreichen Werke des damaligen Chefzeichners, des späteren Akademielehrers Professor Karl Langer, betrachte, kann ich nicht unterdrücken, daß Langer damals bei allen außerordentlichen Erfolgen von einer gewissen Hemmung nicht frei war. Die Gründe liegen auf der Hand und repräsentieren ein Stück Tragik in der Aufgabe katholischer Presseleute. Aber lassen wir ihn heute selber sprechen:

„Die Besprechungen mit Dr. Funder und Mailler wegen meines Eintrittes in die Redaktion des ,Kleinen Volksblattes‘ haben im Herbst des Jahres 1928 begonnen. Mir wurde damals mitgeteilt, daß es sich wohl um ein ausgesprochen katholisches Blatt handeln werde, das aber nicht parteimäßig gebunden sein solle. Ich wurde dann mit 1. Jänner 1929 als Chefzeichner für das neue Blatt vertraglich angestellt. Um mich noch mehr ans Haus zu binden, wurde mir auf Wunsch Dr. Funders rin Atelier im Verlagsgebäude zur Verfügung gestellt (die heutige Klischeeanstalt, da das Blatt alle Bilder und Zeichnungen bei auswärtigen Firmen klischierte — Anm. d. V.). Es wurde vereinbart, daß dieses Atelier nicht als ein Dienstraum, sondern als meine private Werkstätte anzusehen sei. Daraufhin habe ich mein AteUer im Metzleinstalerhof aufgelassen. Als später mein Atelier im Verlagsgebäude für die Chemigraphie gebraucht wurde, hat mir die Verlagsdirektton als Ersatz dafür ein anderes Atelier in der Langegasse gekauft, das ich noch heute benütze. — Die ersten Jahre meiner Tätigkeit hat es noch keine Photos in den Zeitungen gegeben: Es mußte alles, auch das aktuelle Ereignis, mit der Hand gezeichnet und, wenn irgend möglich, an Ort und Stelle skizziert werden. Da ich mein Atelier im Verlagshaus hatte, war ich auch immer zu erreichen und dienstbereit, ein Vorteil, der für meine Arbeit besonders wertvoll gewesen ist. Längere Zeit mußte ich, da nicht sofort geeignete Zeichner zu haben waren, den Großteil der Arbeiten allein ausführen. In der Regel mußten die Zeichnungen wegen der Auswärtsklischie- rung schon um 15 Uhr fertig sein, nur in Ausnahmefällen wurde auch später klischiert. Redaktionskonferenz war zwischen 12 und 13 Uhr. Oft wurde dabei ein bestimmtes Thema als Titelbild verlangt und mußte sofort in kürzester Zeit entworfen und durchgezeichnet werden.

„Blume“ und „Plastik“

Eine besondere Schwierigkeit meiner Arbeit lag darin, daß nicht wenige Themen für unser Blatt von vornherein nicht in Betracht kamen — gerade Themen, die zeichnerisch und journalistisch besonders ,ergiebig‘ gewesen wären. Da mir mein ebenso liebenswürdiger wie schweigsamer Chef Hermann Mailler so gut wie keine Richtlinien gab, mußte ich vorsichtig selbst ausprobieren, was für unsere Zeitung gerade noch erlaubt war. Dieser Vorsicht habe ich zu verdanken, daß mir im Laufe meiner langen Tätigkeit nur ein einziges

Mal ein ‘ Mißgriff passiert ist: Ahnungslos (als Maler) hatte ich ein Titelbild über die Ausstellung ,Blumen und Plastiken‘ im Künstlerhaus gezeichnet und dabei als Maler gar nicht beachtet, daß eine der von mir wiedergegebenen Marmordamen sehr dürftig bekleidet war. Diese ständige Angst, irgendwo anzuecken, hat natürlich stark hemmend gewirkt und viel von der notwendigen Schwungkraft genommen — man denkt heute im katholischen Lager gottlob schon viel großzügiger und natürlicher... Das Betriebsklima im Verlag und besonders in der Redaktion habe ich als überaus angenehm empfunden. Als mir einmal die ,Kronen-Zeitung‘ein um ein Drittel höheres Gehalt anbot, blieb ich dennoch schon wegen dieses guten Arbeitsklimas beim ,Kleinen Volksblatt'. Doch ist es später im Krieg geschehen, daß ich nach dem Einstellen des ,Kleinen Volksblattes' durch eine schriftliche Verfügung zur ,.Kronen-Zritung‘ überstellt wurde. Gleich darauf wurde ich dienstverpflichtet und habe kurze Zeit später den Einrückungsbefehl bekommen.“

Langers „erster Assistent“ wurde einige Zeit nach der Gründung des Blattes lbdn Hanusch (seither verstorben), ein Mann der viel begehrten „leichten Hand“, dessen Figuren so liebenswert waren wie er selber im Umgang.

Uber den Tag hinaus

Ihm folgte Franz Brazda, dem hauptsächlich die Illustration des Gerichtssaalberichtes und der belletristischen Beiträge zufiel. Mit selbstkritischem Humor erzählt er heute van seinen „läßlichen Sünden“, so von der Gurtung des Kaisers Franz Joseph I. mit dem Säbel auf der rechten Seite, was den kritischen Augen auch unmilitärischer Leser nicht entgangen ist. Am 1. Oktober 1941 unterbrach die Einberufung zum Militär seine zehnjährige Tätigkeit, doch sandte er auch noch aus der Ukraine Beiträge. Im „Volksblatt“ der Nachkriegszeit fand Brazdas Eigenart der Illustration ihre reifste Erfüllung. Der Chronist dankt ihm und seiner Frau Maria in schwierigsten politischen Zeiten freundschaftlichste Stütze.

Es gab daneben noch rasche Tagesarbeit an kleineren Ereignissen und an Porträts, für die die Zeichner Andersen, Pauer, Jeschek und andere herangezogen wurden.

Neben dem Titelbild wuchs die Illustration noch an zwei Stellen des Blattes über die Tagesbedeutung hinaus und überdauerte selbst die beiden oben genannten chemiegraphischen „Revolutionen“: Theo Hennings’ „Bumsternazi“ mit „Busch- Versen“ des Zeichners selber in der sonntäglichen, zuerst von Carl Martin Eckmair betreuten Kinderbeilage und Max John Leuthes Witz vom Tage „Pick und Zwick“, auch seine entzückenden Sport- und Wettervignetten sowie seine Wiener Sonntagsskizze auf den Spuren Chiavac- cis und Rudolf Stürzers „Niggerl und Schigerl“ erlangten eine heute kaum mehr vorstellbare (siehe Kapitel „Werbung“) Popularität in Stadt und Land.

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