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Zwei treue Weggefährten

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Jahrzehnte schon hält Friedrich Hackl der FURCHE die Treue. Was sie ihm bedeutet (hat), schildert er im folgenden Beitrag.

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Jahrzehnte schon hält Friedrich Hackl der FURCHE die Treue. Was sie ihm bedeutet (hat), schildert er im folgenden Beitrag.

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Als mir die Furche das Angebot machte, einen ßeitrag zur Jubiläumsausgabe zu leisten, empfand ich das als ehrenvolle Aufgabe.

So ging ich in die mir vertraute und liebgewordene Parlamentsbibliothek, um mich an Hand alter FURCHE-Nummern in die Materie einzuarbeiten. Als mir als erster Rand der Jahrgang 1946 vorgelegt wurde, da war wieder das alte Bild von 1945 vor meinen Augen. Das Parlament hatte arg unter dem Krieg gelitten, der Herrenhaussitzungssaal war total zerstört und machte den Eindruck eines antiken Amphitheaters, der Direktionstrakt und die Säulenhalle waren schwer beschädigt, der Gebäudeteil Ecke Reichsratsstraße-Stadiongasse völlig vernichtet, stenographisches Protokoll und „Parlamentskorrespondenz” mußten in einem Saal, wo verschiedene Möbel deponiert waren, hergestellt werden. Daher mußte vieles improvisiert werden, es war fast ein kleines Wunder, daß der parlamentarische Betrieb trotzdem funktionierte.

So ist es nicht verwunderlich, daß das erste furche-Exemplar vom Dezember 1945 nicht vorhanden ist. Für mich war aber dennoch die Überraschung groß, daß es die furche bereits 1945 wieder gab. Welcher Mut, welche Energie gehörten dazu, inmitten dieser Zerstörungen, dieses unsagbaren Mangels, so ein Qualitätsblatt herauszubringen. Vor dieser Tat muß man sich heute noch in Respekt verneigen. Wir armen, von Krieg und Nachkriegsfolgen geplagten, gequälten Menschen mußten ja zunächst darauf bedacht sein, nicht zu verhungern. Daneben gab es noch den geistigen Hunger, ausländische Literatur und ßühnenstücke kamen nach und nach ins Land, groß war vor allem der Hunger nach Nachrichten. Telephone waren vielfach abmontiert, Radios requiriert, so blieben die wichtigsten Zeitungen als wichtigste Informationsquelle. Wie würden die Herzen heutiger Verleger und Journalisten höher schlagen, gäbe es das noch: Vielfach stellte man sich an, nicht um Rrot, auch um Zeitungen!

Ich wußte damals noch nichts von der furche. Hatte auch andere Sorgen. Ich mußte mein karges Brot verdienen, mit 25 Jahren mein Studium beginnen - natürlich mit Studiengebühren - und schließlich einen Schock überwinden, als plötzlich ein „Repatriierungsbescheid” ins Haus flatterte. Wir waren, mein Vater - ein mehrfach dekorierter altösterreichischer Offizier - und ich plötzlich DPs, displaced persons, wir bekamen keine Lebensmittelkarten mehr und hätten Hals über Kopf das Land verlassen müssen. Viele sudetendeutsche-alt-österreichische Heimatvertriebene haben seither dem Land gedient, als treue Beamte, als Facharbeiter, in der Wirtschaft und als Wissenschafter. Viel geistige Kapazität ging damals aber auch infolge der „Repatriierung” verloren. Man muß schon ein eingewurzelter Österreicher sein, um das Land immer zu lieben.

Als ich dann die Furche in die Hand bekam, wurde mir eine neue Welt erschlossen. Einer ihrer Autoren, Professor Westphalen, war auch mein Hochschullehrer. Da war ein Blatt, das über den Tag hinaussieht, Probleme tiefgreifend behandelt und sich an Idealen, hohen ethischen Werten orientiert. Ein Blatt auch, das dennoch nicht engstirnig ist, verschiedenen Meinungen Raum gibt und daher hohes Ansehen genießt. Ein Beweis dafür ist mir in Erinnerung geblieben. Selbst der kommunistische Abgeordnete Ernst Fischer -dessen Ausspruch „Panzerkommunismus” seinerzeit um die Welt ging - zollte einmal der Furche im offenen Haus Anerkennung.

Ich war stolz, als erstmals 1955 ein Artikel von mir in der furche erschien. 1970 war dann ein Artikel von mir Aufmacher. Ich fand damals, damit hatte ich den Höhepunkt zumindest meiner „journalistischen Laufbahn” erreicht, höher geht es nicht, jetzt kann ich aufhören. Ich wurde diesem meinem Vorsatz allerdings untreu. 40 Jahre nach meinem ersten Artikel in der Furche und meinem ersten Artikel in der „Presse” und 25 Jahre nach dem Aufmacher schreibe ich immer noch.

Ich schrieb und schreibe nicht zur Freude aller. Vor allem Journalisten haben oft keine große Freude mit mir. Denn mit zunehmender Tätigkeit im Parlament wurde mir so manches Mal die Diskrepanz zwischen dem, was ich als Zeitzeuge erlebte (ich war auch bei der Endphase der Staatsvertragsverhandlungen tätig), und dem Niederschlag der Medien bewußt. Manchmal hatte ich den Eindruck, ich würde so schreiben, hätte ich die Aufgabe, Österreich durch psychologische Kriegführung zu schaden. Journalisten verhalten sich manchmal wie pyromanisch veranlagte Feuerwehrmänner. Erst zündeln sie, um dann, wenn es brennt, als erste Feuer zu schreien, sich am Brandplatz zu produzieren und als Retter feiern lassen zu können. An Beweisen mangelt es mir nicht.

Die Warnung vor übertriebener Berichterstattung gilt vor allem für Wahlzeiten. Kaum waren Neuwahlen beschlossen, schon hieß es in der Nachrichtensendung, der Wahlkampf „tobt”. Und ein Boulevardblatt kam mit dem schreienden Aufmacher heraus: „Parteien-Zwist legt Staat lahm”. Das ist so, als wäre der kleine Finger eines Menschen gelähmt und man schriebe, er ist gelähmt.

Die Übertreibungen häufen sich natürlich, und so wird es dann in den Medien die obligate „Schlammschlacht” geben. Es muß endlich gesagt werden: Medien mögen sich die gleiche Zurückhaltung auferlegen, den gleichen Anstand wahren, die sie immer von Politikern verlangen.

Meine Generation tritt ab. Es ist die Generation, die den Krieg erlitten, den Wiederaufbau getragen und die Basis des späteren Wohlstandes geschaffen hat. Wir haben ein stabiles Staatswesen übergeben, es war eine ordentliche Hofübergabe. Darum eine Mahnung an alle: Videant con-sules, videant scriptores, videant cives, ne quid res publica detrimenti capiat. Damit das Haus Österreich weiter in gutem Zustand bleibt, sei hier an ein fast vergessenes Dichterwort erinnert: Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.

Mein Geburtstagswunsch: Möge die Furche auch der nächsten Generation moralischer Wegweiser und guter Weggefährte sein.

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