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Ein halbes Leben an gemeinsam mit der von Anfang

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Sie sind zwischen 1900 und 1916 geboren. Ihre Generation hat dieses Land wiederaufgebaut. In guten wie in schlechten Tagen haben sie die FURCHE nun vierzig Jahre hindurch begleitet. Und die FURCHE sie. Was immer sie trennt, die Zeituhg verbindet sie. Eine Leserin und vier Leser ab der ersten Stunde schreiben über ihr halbes Leben mit der FURCHE.

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Sie sind zwischen 1900 und 1916 geboren. Ihre Generation hat dieses Land wiederaufgebaut. In guten wie in schlechten Tagen haben sie die FURCHE nun vierzig Jahre hindurch begleitet. Und die FURCHE sie. Was immer sie trennt, die Zeituhg verbindet sie. Eine Leserin und vier Leser ab der ersten Stunde schreiben über ihr halbes Leben mit der FURCHE.

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Franz Diwisch:

Gesinnung zählt

Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam ich als 45j ähriger die Stelle eines Landesschulinspektors in Mattersburg. Es dauerte nicht lange, da flatterte eine neue Zeitung auf den Tisch: die FURCHE. Auf der ersten Seite las ich einen großartigen Artikel über den seinerzeitigen Wiener Stadtrat Hugo Breitner, der die Wohnbausteuer einführte. Ich war begeistert.

Sofort schaute ich nach dem Herausgeber und las: Friedrich Funder. Ich sandte ihm meine freudige Anerkennung, doch wunderte es mich über alle Maßen, kannte ich doch Funder als den ehemaligen Leiter der christlich-sozialen „Reichspost“. Funder und der Chef der „Arbeiterzeitung“, Friedrich Austerlitz, waren harte politische Gegner.

Alsbald erhielt ich eine Einladung in die Wiener Strozzigasse. Ich kam und traf einen weißhaarigen Herrn mit Spitzbart. Er nahm mich freundlich auf und erzählte mir, daß er mich als schreibenden Sozialisten kannte, von Victor Adler, von Karl Seitz und anderen alten Sozialisten...

Funder bat sich aus, ich müßte jeden Herbst zu ihm in die Strozzigasse kommen. Das geschah dann auch. So kam es, daß der junge Sozialist mit dem ehrwürdigen Christlichsozialen allmählich innig befreundet wurde.

Einmal ging ich an der Stephanskirche vorbei, betrat sie und hörte Pater Lombardi predigen. In der AZ fanden sich Bemerkungen, die mir nicht gefielen, und ich schrieb als Artikel einen „Offenen Brief an Pater Lombardi“. Er wurde von Oskar Pollak am 20. November 1949 veröffentlicht. Darauf folgte in der FURCHE vom 3. Dezember 1949 die Antwort: „Die Nacht ist vorgerückt ...“. Ein zweiseitiger Artikel, in dem Funder mich an Stelle des bereits abgereisten Paters zitierte: „Zwei Kräfte können die Welt vor dem Untergang bewahren: das Christentum und der Sozialismus ... Nicht das Christentum von Pharisäern, nicht der Sozialismus von Gewaltaposteln: das wahre Christentum tätiger Menschenliebe, wie es der Menschensohn vorgelebt hat, der echte Sozialismus der Freiheit und Menschenwürde, wie ihn in einer demokratischen Lebensform Generationen ersehnt und für ihn gekämpft haben...“.

Ich lese die FURCHE, seit sie besteht, ich liebe sie. Sie ist nicht engherzig, sondern nach allen Seiten offen. So kommen, obwohl — oder gerade: weil — das Blatt auf christlicher Grundlage steht, auch Sozialisten zu Wort. Denn ausschlaggebend ist: eine echte demokratische, wahrhaft menschliche Gesinnung.

Robert Hampel:

Eine Hoffnung

Mehr als 2.000 FURCHE-Folgen habe ich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen, mich gefreut, mich manchmal auch geärgert, doch sind es ja erst die Gegensätze, die das Interesse befeuern.

Die ersten beiden Jahrgänge habe ich in jener Zeit nachzulesen gehabt, die zu Jahresbeginn 1948 zwischen sowjetischer Gefangenschaft und beruflichem Fußfassen im neuen Leben lagen. Besonders die ersten Nummern waren es in ihrer großen, auf Pamphlete gegenüber dem Gestern verzichtenden Versöhnlichkeit. In diese Furche mußte gutes Saatkorn fallen. Wir ernten schon seit vierzig Jahren.

Was mir nicht gefiel, war das als Reaktion auf das Dritte Reich zwar verständliche, aber herausfordernde Verschweigen, ja die Negation des Deutschen, an dem wir Österreicher doch Anteil behalten haben. Daß sich die FURCHE, die sonst das „Schwert“ gegen Rot nur selten erhob, sich in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren gegen die neue dritte Kraft erhob — denn schließlich hatten ja die Roten den Blauen in den Sattel geholfen, um den Schwarzen die Mehrheit zu nehmen. Das ist natürlich verkürzt, denn das Farbdenken lag dem Konzept der FURCHE eher fern.

Daß es die Zeitung still und leise mit dem Motiv des einstigen „Abend“ hielt: Wo Starke sind, immer auf Seite der Schwachen. Das mag löblich sein. Bei aller Vorliebe für die Kärntner Slowenen darf man es aber nicht beim Verständnis für das Hauptvolk fehlen lassen.

Das große Lob aber kommt der FURCHE dafür zu, daß sie die noch in Funders „Reichspost“ üblichen Barrieren zu Österreichs Protestanten beseitigt hat. Diese Toleranz wirkt sich auch gegenüber den Andersgläubigen aus.

Dank sei den vielen Redakteuren gesagt, die da gekommen und zumTeil auch wieder gegangen sind, so vor allem Kurt Skalnik, mit dessen Denken ich zwar am wenigsten von allen einverstanden war, der mir aber ein ritterlicher Gegner war und mich in der FURCHE auch häufig zu Wort kommen ließ. So ist das Gespräch der Feinde, um mit Friedrich Heer zu sprechen, zu einer amika-len Aussprache der Gegner geworden. Dies läßt uns für Österreichs Zukunft hoffen.

Helene Jankowsky:

Es ist Verlaß

Jetzt wurde ich erinnert, daß ich 40 Jahre FURCHE-Leserin bin, also fast mein halbes Leben. Was hat mir die Zeitung in all diesen Jahren eigentlich gebracht?

Sie war für mich das Tor zur Welt, zur nahen, heimatlichen, wie auch zur weiten, entfernten, die heute gar nicht mehr so weit entfernt ist. Es geschieht heute täglich so vieles, was auf einen Menschen einstürzt — und damit kann man oft alleine nicht fertig werden.

Da hat mir die FURCHE sehr geholfen. Sie vermittelt wertvolle objektive Information durch Männer und Frauen (deren es leider viel zu wenige gibt), die in ihrer Materie Bescheid wissen und die auch den Mitmenschen etwas zu sagen haben, sei es in politischen, oft auch in heiklen religiösen oder wichtigen gesellschaftlichen Fragen des Lebens. Und dies immer zur richtigen Zeit und in einer Sprache, die auch für den Nichtfachmann verständlich ist und die nicht nur mit Hilfszeitwörtern auskommt.

Interessant für mich ist auch das Leserforum. Obwohl ich selbst nicht schreibe, interessieren mich die verschiedenen Meinungen anderer sehr, auch freut es mich immer wieder, wenn andere auch so. denken wie ich.

So ist die FURCHE für mich eine wichtige Informationsquelle und eine verläßliche „Freundin“. Und wenn mir Gott noch einige gute Jahre schenken will, soll es auch so bleiben.

Franz Steiner:

Unverzichtbar

Ich gehöre zum ersten Bezieherkreis und habe dem „Neugeborenen“ bis ins reife Alter die Treue gehalten. Ich konnte ihm damals sogar — als ich vorübergehend und stellvertretend Leiter des Wiener Seelsorgeamtes war — einige kleine Geburtshelferdienste leisten.

Eines der Motive, warum ich von Anfang an mein Herz dem Plan zur Gründung dieser Zeitung zugewandt habe, hieß Friedrich Funder. Ich hatte schon einige Kontakte mit ihm aus der Zeit vor der NS-Ära und schätzte ihn als einen begnadeten Journalisten. Ich war mir sicher, daß die Zeitung, die er herausgeben wollte und die wir brauchten, etwas wird. Und ich habe recht behalten.

Natürlich war Funder nicht das einzige Motiv, das Erscheinen der FURCHE dankbar aufzunehmen. Wir waren einfach „medienhungrig“ nach den Hitler jähren, die uns auch auf dem Gebiet der Presse alles, wozu wir hätten Vertrauen haben können, genommen hatten.

Nun standen wieder freie Medien zur Verfügung, die über das schrieben, was uns interessierte. Man konnte nicht einfach da anfangen, wo man aufgehört hatte. Es galt, so vieles in den eigenen

Auffassungen zu korrigieren und neue Wege zu suchen. Österreich waren neue Aufgaben gestellt und auch den Katholiken in diesem neuen Österreich. Wir haben mit Freude nach einer Zeitung wie der FURCHE gegriffen, die helfen konnte und wollte, diese Probleme in freier Diskussion und ehrlicher Auseinandersetzung zu bewältigen.

Seither sind vierzig Jahre vergangen. Der Medienhunger ist gestillt, ja, wir sind nicht nur satt, sondern übersättigt. Die FURCHE weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, in dieser Flut über Wasser zu bleiben: nicht nur was die Abonnentenzahl anbelangt, sondern auch um den sich ständig wandelnden Erwartungen und Interessen zu entsprechen, aktuell zu bleiben und doch den Kurs zu halten, der ihr innerer Auftrag ist. Das ist beim weitgestreuten Pluralismus der Meinungen auch in unseren Reihen nicht leicht. Das gelingt einmal besser, einmal weniger gut.

Ich habe der FURCHE in all diesen Entwicklungen die Treue gehalten, weil wir sie brauchen. Freilich muß ich gestehen, daß ich zeitweise vom eifrigen Leser zum — mehr oder weniger — bloßen Abonnenten geworden bin. Daß ich in der letzten Zeit vom Bezieher wieder zum interessierten und eifrigen Leser geworden bin, hängt vielleicht doch nicht nur damit zusammen, daß ich als Pensionist (wie man fälschlich behauptet) mehr Zeit habe, es liegt vielleicht doch an der FURCHE selbst. Dafür möchte ich ihr und der Redaktion danken.

Otto Lutterotti:

Die Haltung bewahrt

Wer kann sich heute noch persönlich daran erinnern, wie das 1945 war, als wir nach dem Zusammenbruch darangingen, unser Österreich wiederaufzubauen? Die Städte zerbombt, die Intelligenz in Konzentrationslagern umgekommen, ausgewandert, versteckt oder durch die jüngste Vergangenheit belastet. Und doch war da auf einmal eine Gruppe Menschen da, welche die Ärmel hochkrempelte und an die Arbeit ging.

Wir mußten buchstäblich bei Null anfangen. Der Magen knurrte, aber wir hatten Optimismus und Phantasie. Einige von uns besaßen noch alte Grammophonplatten, die wir der Radiostation liehen, damit überhaupt etwas zum Senden da war...

Wir fanden uns im Glauben an eine christliche österreichische Zukunft zusammen — und eben diesem Geist verdankt die FURCHE ihr Entstehen. Es brauchte Mut, um in dem von Hunger und Not heimgesuchten Land eine kulturelle Wochenzeitung von hohem Niveau zu gründen. Friedrich Funder besaß diesen Mut.

Als Abonnent und Mitarbeiter der ersten Stunde blieb mir die FURCHE nun vierzig Jahre lang treue Wegbegleiterin. Sie hat ihre grundsätzliche Haltung in dieser langen Zeit durch mancherlei Schwierigkeiten hindurch bewahrt, keine Konzessionen gemacht. Und es gereicht Österreich zur Ehre, daß die FURCHE heute unter sehr veränderten Lebensbedingungen so jugendfrisch blüht.

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