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Das offene Fenster

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„Wir Katholiken“ kann ich nicht sagen. Denn ich gehöre der Evangelischen Kirche A. B. an — und bin seit mehr als 20 Jahren trotzdem Mitglied der Furche-Redaktion. Das kam so: Am 25. Mai 1946 starb plötzlich der erste Chefredakteur der „Furche“, Dr. Emil Mika. Zwei Tage darnach wurde ich telephonisch zu Dr. Funder, dem Gründer und Herausgeber der „Furche“, in die Strozzigasse eingeladen. Dr. Funder wußte, daß ich mit Dr. Mika befreundet war und einige literarische Essays sowie ab und zu eine Musikkritik für sein Blatt geschrieben hatte. Das etwa einstündige Gespräch berührte verschiedene Themen, und ich bemerkte bald, daß ich, wie von einem gewissenhaften Arzt, vom Scheitel bis zur Sohle abgetastet, gewissermaßen „geröntgt“ wurde. Und dann erzählte Dr. Funder von der Geschichte des Herold-Hauses, von der ,3eichspost“ und von seinem noch während der KZ-Haft gefaßten Plan, eine neue, überparteiliche, kulturpolitische Zeiscbrift zu gründen. Daran schloß sich die Aufforderung, in die Redaktion der „Furche“ einzutreten. Nun schien es mir hoch an der Zeit, Dr. Funder darauf aufmerksam zu machen, daß ich nicht katholisch sei.

Er hatte es nicht gewußt. Es entstand eine Pause, sie mag nur wenige Minuten gewährt haben, mir kam sie wesentlich länger vor. Dr. Funder schien tief in Gedanken, dann wandte er sich mit einem freundlichen Lächeln mir zu, stand auf, reichte mir die Hand und sagte: „Kommen Sie trotzdem zu uns. Wir wollen es miteinander versuchen. Vielleicht haben wir gemeinsam eine große Aufgabe vor uns.“

Bald nach jenem ersten Gespräch konnte ich eine Zusammenkunft zwischen Dr. Funder und dem Bischof der Evangelischen Kirche, Dr. Gerhard May, vermitteln. Das auf gegenseitige Wertschätzung und Sympathie, gemeinsame Sorgen und Anliegen gegründete Verhältnis zwischen diesen beiden Männern kann ich nur als das beste und herzlichste bezeich-

nen. Zahlreiche Briefe bezeugen es. Ich wurde wiederholt von Dr. Funder zum Oberkirchenrat in der Schellinggasse geschickt und hatte ihm von dort gelegentlich „Wünsche und Beschwerden“ zu übermitteln.

Evangelische Autoren waren in der „Furche“ stets willkommen. Auch kann ich bezeugen, daß man mich im Lauf von 20 Jahren nie „katholisch machen“ wollte, sondern daß man mein Bekenntnis und meine besondere Situation immer respektiert hat. Auseinandersetzungen, die es vor etwa zwei Jahren in der Evangelischen Kdrdhe gegeben hat, schlugen Wellen bis in unsere Redaktion und haben auch mir Schwierigkeiten bereitet. Doch ist jetzt nicht die passende Gelegenheit, davon zu sprechen, zumal das Positive diese Schatten durchaus überwog.

Ich habe in Beantwortung einer sehr allgemeinen Frage nur von mir und der „Furche“ gesprochen. Aber sie war, gewissermaßen, das Fenster, durch das ich den Orbis catholicus betrachten konnte.

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